TE Vfgh Erkenntnis 1989/3/4 B1593/88

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Veröffentlicht am 04.03.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art65 Abs2 litb
Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Schaffung von Berufstiteln, BGBl 320/1971
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
PaßG 1969 §4 Abs1 lita idF BGBl 135/1986
PaßG 1969 §30 Abs1 lita
AHStG §38
IngenieurG 1973 §8 Abs1

Leitsatz

Ablehnung der Eintragung des mit Entschließung des Bundespräsidenten verliehenen Berufstitels "Professor" in Reisepaß und Personalausweis; keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung, keine Willkür

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 26. September 1984 der Berufstitel "Professor" verliehen. Er beantragte am 1. Dezember 1987 bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck die Ausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises und begehrte, den erwähnten Titel (vor dem Familiennamen) in beide Dokumente einzutragen.

Der Bundesminister für Inneres lehnte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. August 1988 den Antrag auf Eintragung des Titels in die Dokumente - unter Bezugnahme auf §4 Abs1 lita iVm der Anlage 1 des Paßgesetzes 1969, BGBl. 422 idF der Novelle BGBl. 135/1986, (PaßG idgF) und §30 Abs1 lita iVm der Anlage 5 leg.cit. - mit näherer Begründung (s.u. II.3.) ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der - näher begründet (s.u. II.4.) - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des PaßG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. 1.a) Der Bundespräsident hat am 22. Juli 1971 die unter BGBl. 320 kundgemachte "Entschließung betreffend die Schaffung von Berufstiteln" gefaßt:

"Auf Grund des Art65 Abs2 litb des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 schaffe ich zur Auszeichnung von Personen, die sich in langjähriger Ausübung ihres Berufes Verdienste um die Republik Österreich erworben haben, Berufstitel.

Artikel I

Diese Berufstitel sind:

. . .

'Professor' für Personen, die auf dem Gebiet der Kunst oder Wissenschaft tätig sind.

Artikel II

(1) Personen, die mit einem Berufstitel ausgezeichnet werden, sind zu dessen Führung berechtigt und haben Anspruch, mit diesem Titel in amtlichen Verlautbarungen benannt zu werden.

(2) . . ."

b)aa) Gemäß §4 Abs1 lita PaßG idgF werden "gewöhnliche Reisepässe" nach dem Muster der Anlage 1 ausgestellt.

Dieser Anlage 1 zufolge sind auf Seite 2 des Reisepasses nach der Reisepaß-Nr. folgende Daten des Paßinhabers einzutragen:

"Familienname", "Vorname", "Datum der Geburt", "Wohnort" und "Staatsbürgerschaft Österreich/Autriche/Austria".

bb) Gemäß §30 Abs1 lita PaßG idgF werden "Personalausweise" nach dem Muster der Anlage 5 ausgestellt.

Aus dieser Anlage 5 ergibt sich, daß auf Seite 2 des Personalausweises folgende Personaldaten des Inhabers aufzuscheinen haben:

"Familienname", "Vorname", "Datum der Geburt", "Wohnort", "Staatsbürgerschaft Österreich".

2. Mit der hier maßgebenden Frage der Berechtigung, einen vom Bundespräsidenten verliehenen Berufstitel zu führen, haben sich - worauf auch beide Parteien dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens Bezug nehmen - die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bereits befaßt:

a) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 5242/1966 jene Teile des §30 Abs3 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung als verfassungswidrig aufgehoben, die den Wirtschaftstreuhändern in Ausübung der Berufstätigkeit auch das Führen eines vom Bundespräsidenten verliehenen Berufstitels verboten hatten. Zur Begründung führte er in der hier bedeutsamen Hinsicht aus:

"Die Kompetenz des Bundespräsidenten gemäß Art65 Abs2 litb B-VG. ist eine zweifache. Er ist nicht nur zuständig, Berufstitel zu verleihen, sondern er ist auch zuständig, die Berufstitel zu schaffen. Der Bundespräsident verleiht also die Berufstitel nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften - wie dies bei der Verleihung von Amtstiteln gemäß Art65 Abs2 lita B-VG. der Fall ist - sondern nach eigener Entschließung (vgl. Kelsen-Froehlich-Merkl 'Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920', Wien 1922, S. 159). Der Bundespräsident selbst hat also in Angelegenheit der Berufstitel das zu bestimmen, was ansonsten der Gesetzgeber zu regeln hat. Die Vorschrift des Art18 Abs1 und 2 B-VG. gilt demnach hier nicht. Während also die Amtstitel (Art65 Abs2 lita B-VG.) vom Gesetzgeber zu schaffen sind und vom Gesetzgeber das Vorgehen des Bundespräsidenten bei der Verleihung sowie der Inhalt und der Umfang der mit der Verleihung des Titels dem Adressaten zukommenden subjektiven Rechte vorherzubestimmen ist, gibt es für die Berufstitel (Art65 Abs2 litb B-VG.) keine gesetzliche Regelung. Alles, was im Falle der Amtstitel von dem für ihre Schaffung zuständigen Gesetzgeber zu regeln ist, darf im Falle der Berufstitel nicht durch den Gesetzgeber geregelt werden, weil dafür der Bundespräsident zuständig ist. Im Falle der Berufstitel gibt es weder eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes noch eine solche der Länder.

Diese aus dem Wortlaut des Art65 Abs2 B-VG. abgeleitete Feststellung wird allerdings vorbehaltlich möglicher Einschränkungen gemäß den nachstehenden Ausführungen (Z. 2 und 3) getroffen, die sich aus der historischen Situation ergeben können.

Aus dem Wortlaut der Verfassung sind Einschränkungen der Kompetenz des Bundespräsidenten gemäß Art65 Abs2 litb B-VG. nicht ersichtlich. Ebensowenig läßt sich aus dem Zweck der Regelung eine Einschränkung dieser Kompetenz zugunsten des Gesetzgebers ableiten. Insbesondere ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Verfassung noch aus dem Zweck der Vorschrift, daß der Bundespräsident zwar Berufstitel schaffen und das Recht zur Führung verleihen kann, es aber - wie die Bundesregierung vermeint - dem Gesetzgeber zustehe, die 'Ausübung der vom Bundespräsidenten verliehnen Berechtigungen einer näheren Regelung zu unterziehen'. Die Bundesregierung will damit zum Ausdruck bringen, daß der einfache Gesetzgeber auch zuständig sei, die Ausübung der mit der Verleihung des Berufstitels verbundenen Berechtigungen ganz oder teilweise zu untersagen; sie verweist nämlich auf die Bestimmung des §26 litb StG., die den Verlust aller öffentlichen Titel - auch der Berufstitel - normiert. Der Verfassungsgerichtshof kann dieser Auffassung nicht beipflichten. Eine derartige Einschränkung der Kompetenz des Bundespräsidenten würde bedeuten, daß dem Bundespräsidenten in Wahrheit nur eine Scheinkompetenz zukommt, weil alle seine Entschließungen durch die einfache Gesetzgebung durchkreuzt werden könnten. . ."

b) Der Verwaltungsgerichtshof hatte mit Erkenntnis vom 6. September 1977, Zl. 2856/76, die Frage zu klären, ob der vom Bundespräsidenten verliehene Berufstitel "Professor" in den Reisepaß einzutragen ist. Er verneinte dies mit folgender Begründung:

"Gemäß ArtII Abs1 der Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. Juli 1971, BGBl. Nr. 320/1971, betreffend die Schaffung von Berufstiteln, sind Personen, die mit einem Berufstitel ausgezeichnet werden, zu dessen Führung berechtigt und haben Anspruch, mit diesem Titel in amtlichen Verlautbarungen benannt zu werden.

Gemäß §38 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes vom 15. Juli 1966, BGBl. Nr. 177, haben Personen, denen von einer österreichischen Hochschule (Fakultät) ein akademischer Grad verliehen wurde, das Recht, diesen akademischen Grad im privaten Verkehr, im Verkehr mit Behörden und auf Urkunden ihrem Namen in vollem Wortlaut oder in abgekürzter Form voranzustellen. Sie haben das Recht, die Ersichtlichmachung des akademischen Grades in dieser Form in amtlichen Ausfertigungen aller Art zu verlangen.

Gemäß §8 Abs1 des Ingenieurgesetzes 1973 vom 23. November 1972, BGBl. Nr. 457, haben Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes die Standesbezeichnung 'Ingenieur' führen dürfen, das Recht, diese im privaten Verkehr und im Verkehr mit Behörden ihrem Namen in vollem Wortlaut oder in Kurzform voranzustellen und deren Eintragung in amtlichen Ausfertigungen und Urkunden aller Art zu verlangen.

Gemäß §4 Abs1 lita des Paßgesetzes 1969 vom 22. Oktober 1969, BGBl. Nr. 422, in der geltenden Fassung, werden Reisepässe ausgestellt als gewöhnliche Reisepässe nach dem Muster der Anlage 1. Die Anlage 1 des Paßgesetzes 1969 weist nur Spalten für die Führung des Familiennamens und des Vornamens, nicht jedoch für die Eintragung eines Titels auf. Das bedeutet aber, daß auf Grund des Paßgesetzes 1969 Titel unter der Spalte 2 der Anlage 1 (Familienname) nicht eingetragen werden können, es sei denn, daß durch ein anderes Gesetz die Behörde verpflichtet wird, einen Titel oder auch z.B. einen akademischen Grad dem Namen voranzusetzen. Eine solche Verpflichtung ist wohl durch die oben angeführten Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes 1966 und des Ingenieurgesetzes 1973 hinsichtlich der darin geregelten akademischen Grade bzw. Titel normiert worden, nicht jedoch hat die Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. Juli 1971, BGBl. Nr. 320, ein solches Recht eingeräumt bzw. eine derartige Verpflichtng der Behörde angeordnet. Es kommt daher im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht darauf an, welche Befugnisse dem Beschwerdeführer durch die Erteilung der Berechtigung zur 'Führung' des verliehenen Berufstitels eingeräumt wurden, sondern nur darauf, daß durch die zitierte Entschließung des Bundespräsidenten die Behörden nicht verpflicht wurden, die im einzelnen verliehenen Berufstitel in Urkunden dem Namen des damit Ausgezeichneten voranzustellen und somit als Bestandteil des Namens zu behandeln. Schon allein aus diesem Grund ist ein Vergleich der Entschließung des Bundespräsidenten mit den anderen vom Bechwerdeführer zitierten Gesetzesbestimmungen nicht zielführend. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie auf Grund der von ihr zitierten Gesetzesbestimmungen den dem Beschwerdeführer verliehenen Berufstitel 'Professor' nicht seinem Namen im Paß vorausgesetzt hat."

3. Der angefochtene Bescheid (s.o. I.1.) wird - nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens - wie folgt begründet:

"In Artikel II Abs1 der Entschließung des Bundespräsidenten vom 22.7.1971, BGBl. Nr. 320, betreffend die Schaffung von Berufstiteln, wird bestimmt, daß Personen, die mit einem Berufstitel ausgezeichnet werden, zu dessen Führung berechtigt sind und Anspruch haben, mit diesem Titel in amtlichen Verlautbarungen benannt zu werden. Da weder ein österreichischer Reisepaß noch ein österreichischer Personalausweis als eine amtliche Verlautbarung angesehen werden kann, sondern zweifelsohne eine Urkunde ist, folgt, daß bei strenger Auslegung dieser Entschließung Berufstitel in Reisepässen und Personalausweisen nicht vor dem Familiennamen einzutragen sind. Das hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6.9.1977, Zahl 2856/76-5, bei der Anfechtung eines früheren Bescheides des Bundesministeriums für Inneres in einem gleichgelagerten Fall (ebenfalls den Berufstitel 'Professor' betreffend) hinsichtlich der begehrten Eintragung in einen Reisepaß unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.

Wie bereits in den Bescheiden der Paßbehörden I. und II. Instanz ausgeführt, ermöglichen im Gegensatz zur erwähnten Entschließung das Allgemeine Hochschulstudiengesetz (§38) und das Ingenieurgesetz die Eintragung akademischer Grade bzw. der Standesbezeichnung Ingenieur im vollen Wortlaut oder in Kurzform in öffentlichen Urkunden vor dem Namen. Das ist in diesen beiden Gesetzen ausdrücklich festgelegt, während bei der Entschließung eine solche Regelung fehlt.

Bis zum Inkrafttreten der Paßgesetznovelle BGBl. Nr. 135/1986 ab dem 1.4.1986 (also bis zum 31.3.1986) hat die Möglichkeit bestanden, daß infolge der Gestaltung der Reisepässe laut Anlage 1 (Paßmuster) des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, ein verliehener Berufstitel in einen Reisepaß unter der Rubrik Berufsbezeichnung eingetragen werden konnte. Diese Möglichkeit ist durch die zitierte Novelle genommen worden, weil laut Muster der neuen Anlage 1 der Paßgesetznovelle, die als Bestandteil des Gesetzes gilt, eine Spalte für die Berufseintragung im Reisepaßformular nicht mehr vorgesehen ist.

Auf dem Personalausweisformular hat die Eintragung eines Berufstitels im Hinblick auf die angeführte Entschließung als Rechtsgrundlage aber nie vorgenommen werden können.

Es mag sicherlich für die Betroffenen unbefriedigend sein, einen ihnen verliehenen Berufstitel, den sie in der Öffentlichkeit führen können, nicht in ein Reisedokument eingetragen zu bekommen, doch kann sich das Bundesministerium für Inneres als Berufungsbehörde über die vom Gesetzgeber aufgestellten Schranken nicht hinwegsetzen.

Was den Berufungseinwand einer nicht verfassungskonformen Vorgangsweise der Paßbehörden und einer unrichtigen Gesetzesauslegung betrifft, so ist auch das Bundesministerium für Inneres der Auffassung, daß ein derartiger Berufstitel durchaus verfassungskonform nicht in einem Reisedokument, das eine Urkunde darstellt, als Namensbestandteil eingetragen werden kann, welche Auffassung ja auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vertreten und in der betreffenden Vorgangsweise keinerlei verfassungsmäßige Bedenklichkeit erblickt hat. Das kommt auch in der Erkenntnisbegründung zum Ausdruck".

4. Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung seiner Beschwerde (s.o. I.2.) - nach einem Hinweis auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 5242/1966 (s.o. II.2.a) und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2856/76 (s.o. II.2.b) widersprechend - zusammengefaßt vor, daß der vom Bundespräsidenten mit einem Berufstitel Ausgezeichnete das Recht habe, diesen Titel nicht nur zu führen, sondern auch in amtlichen Urkunden (etwa im Reisepaß) ersichtlich machen zu lassen. Die Behörde unterstellte dem PaßG den Inhalt, daß es verbiete, den Titel in den Reisepaß und den Personalausweis einzutragen. Dieses Ergebnis sei auf dem Boden des Erk. VfSlg. 5242/1966 verfassungswidrig; hätte das PaßG tatsächlich diesen Inhalt, würde es die durch Art65 Abs2 litb B-VG ausschließlich dem Bundespräsidenten zustehenden Kompetenzen verletzen. Entweder habe die Behörde dem PaßG fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, oder aber das Gesetz sei tatsächlich verfassungswidrig.

Der Beschwerdeführer verweist ferner auf §38 des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes (AHStG) und auf §8 Abs1 des Ingenieurgesetzes; darin werde ausdrücklich das Recht verankert, zu begehren, daß der akademische Grad und die Standesbezeichnung "Ingenieur" u.a. in amtliche Ausfertigungen und Urkunden eingetragen werden. Der Beschwerdeführer argumentiert, daß die in ArtII Abs1 der Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. Juli 1971 (s.o. II.1.a) verwendete Formulierung "in amtlichen Verlautbarungen benannt zu werden" eine historisch erklärbare Floskel sei, die inhaltlich das gleiche zum Ausdruck bringe wie die erwähnten Gesetze. ArtII Abs1 der erwähnten Entschließung des Bundespräsidenten verleihe sohin das Recht, den verliehenen Berufstitel im Verkehr mit Behörden und in öffentlichen Urkunden dem Namen voranzustellen und die Ersichtlichmachung des Titels in amtlichen Ausfertigungen aller Art zu verlangen.

Der Berufstitel und der akademische Grad seien gleicherweise ein Namenszusatz eigener Art und ein Mittel zur namensmäßigen Identifizierung des Trägers. Die unterschiedliche Behandlung wäre gleichheitswidrig.

Ähnliche Argumente seien verstärkt für die Standesbezeichnung "Ingenieur" ins Treffen zu führen.

Der Reisepaß sei als "amtliche Verlautbarung" iS des ArtII Abs1 der wiederholt zitierten Entschließung anzusehen; der Reisepaß sei nicht ausschließlich ein Reisedokument, sondern diene in immer stärkerem Ausmaß auch der Legitimation des Inhabers (Hinweis auf den die PaßG-Nov. 1986 betreffenden Ausschußbericht 872 BlgNR 16. GP); daher sei die möglichst genaue Identifizierung einer Person besonders wichtig; hiezu vermöge die Eintragung eines Berufstitels beizutragen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von der im Erkenntnis VfSlg. 5242/1966 geäußerten Meinung (s.o. II.2.a) abzugehen.

Es fällt dem Art65 Abs2 litb B-VG zufolge in den ausschließlichen Aufgabenbereich des Bundespräsidenten, Berufstitel zu schaffen sowie Inhalt und Umfang der mit der Verleihung des Titels der damit ausgezeichneten Person zukommenden Rechte vorherzubestimmen. Dem Bundes- und Landesgesetzgeber fehlt in dieser Hinsicht jede Zuständigkeit.

Das PaßG (s.o. II.1.b) enthält - anders als die seinerzeit im Erk. VfSlg. 5242/1966 behandelte Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung - keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob bestimmte Titel zu verwenden (einzutragen) sind oder ob dies verboten ist. Die Entscheidung darüber hat jenes normsetzende Organ zu treffen, das auch den Titel schafft. So verfügen denn auch etwa das AHStG und das Ingenieurgesetz mit den vom Beschwerdeführer zitierten Bestimmungen (s.o. II.4.) ausdrücklich, daß akademische Grade und die Standesbezeichnung "Ingenieur" in amtlichen Urkunden (Dokumenten) einzutragen sind. Das PaßG ist daher unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles verfassungsrechtlich unbedenklich, überläßt doch das PaßG die Regelung der Frage, ob vom Bundespräsidenten verliehene Titel in das Dokument einzutragen sind oder nicht, eben dem Bundespräsidenten.

Die Entschließung des Bundespräsidenten (s.o. II.1.a) berechtigt u.a., den verliehenen Berufstitel zu führen, d.h. sich selbst damit zu benennen; die seinerzeit mit Erk. VfSlg. 5242/1966 aufgehobenen Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung hatten dieses Führen in bestimmter Beziehung - entgegen der damals vom Bundespräsidenten getroffenen Regelung - untersagt; um das Führen des Titels geht es im gegebenen Zusammenhang nicht, sondern um die Eintragung des Titels in Ausweis- und Reisedokumente.

Diese Entschließung gewährt nach ArtII Abs1 aber auch den Anspruch auf "Benennung in amtlichen Verlautbarungen". Wie immer diese Entschließung auszulegen ist (sei es im Sinne der Meinung des Beschwerdeführers dahin, daß sie einen Anspruch auf die Eintragung des Titels in Dokumenten gibt, sei es im Sinn der von der belangten Behörde vertretenen, in die gegenläufige Richtung gehenden Ansicht), ist die Gesamtregelung verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist nämlich nicht unsachlich, wenn solche Titel in Reisedokumente und Ausweise einzutragen sind; gleichermaßen aber ist es auch sachgerecht, wenn eine derartige Eintragung zu unterbleiben hat, widerspricht es doch nicht dem Gleichheitsgrundsatz, aufgrund eines Ausbildungsganges erworbene Titel anders zu behandeln als der Auszeichnung wegen verliehene Titel (Professor, Kommerzialrat usw.).

Der Verfassungsgerichtshof hegt - wie zusammenfassend festzuhalten ist - unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften auch dann, wenn sie den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt haben, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Verfahren hat auch keine Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen der Behörde oder für sonstige in die Verfassungssphäre reichende Vollzugsfehler ergeben. Insbesondere hat die Behörde die Entschließung des Bundespräsidenten nicht derart verfehlt ausgelegt, daß dies allenfalls Willkür indizieren könnte. Ob sie die Entschließung auch richtig interpretiert hat, ist nicht vom Verfassungsgerichtshof, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

2. Der obsiegenden belangten Behörde waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ihr nach §88 VerfGG ersatzfähige Kosten (etwa Reisekosten) nicht erwachsen sind.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Paßwesen, Berufstitel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1593.1988

Dokumentnummer

JFT_10109696_88B01593_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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