TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/26 91/05/0135

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Veröffentlicht am 26.11.1991
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Burgenland;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;

Norm

BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde

1. des E in G und 2. der A in G, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 17. Mai 1991, Zl. X-Z-29-1990, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. L in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, 2. Gemeinde G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Juni 1988 beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer abgedeckten Güllegrube auf dem Grundstück Nr. 360/8, EZ 835, KG N. Über dieses Ansuchen beraumte der Bürgermeister der Gemeinde G mit Ladung vom 14. Juni 1988 eine mündliche Verhandlung für 23. Juni 1988 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG an, zur Verhandlung wurde laut Lokalaugenschein-Kurrende nur der Erstbeschwerdeführer geladen. In der Verhandlung brachte der von den Beschwerdeführern bevollmächtigte Vertreter vor, daß die gegenständliche Güllegrube dem Anwesen der Beschwerdeführer entgegen der Bestimmung des § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung so nahe liege, daß das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen, insbesondere durch Geruch, zu erwarten seien. Mit Bescheid vom 6. Juli 1988 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde G dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufungen der Beschwerdeführer wies der Gemeinderat der Gemeinde G mit Bescheiden vom 3. Oktober 1988 ab. Aufgrund der gegen diese Bescheide eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. April 1989 die Bescheide des Gemeinderates vom 3. Oktober 1988 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde G. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei am 23. Juni 1988 eine mündliche Verhandlung über das Bauansuchen abgeführt worden, das Ermittlungsverfahren sei nachträglich durch ein schriftliches Gutachten vom 1. August 1988 des D.I.R. ergänzt worden. Dieses Gutachten sei aber den Vorstellungswerbern nicht zur Kenntnis gebracht worden, dadurch seien die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit wegen Verfahrensmangels behaftet. Unabhängig davon sei im fortgesetzten Verfahren die Frage der Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens sowie die Frage der Notwendigkeit ergänzender Beweisaufnahmen zu prüfen.

In der Folge wurden den Beschwerdeführern nicht nur das Gutachten des D.I.R. vom 1. August 1988, sondern auch noch weitere Gutachten der Burgenländischen Landesregierung vom 15. Juni 1989, eines Sachverständigen für Bauwesen D.I.H.H.H. vom 10. September 1989 und ein undatiertes, zusammenfassendes Gutachten dieses Sachverständigen, sowie zwei Stellungnahmen der Kreisärztin Dr. C. vom 25. August 1989 und vom 2. April 1990 zur Kenntnis gebracht. In ihrer Äußerung dazu hielten die Beschwerdeführer die Gutachten einerseits für ergänzungsbedürftig und nicht hinreichend schlüssig, andererseits habe der Sachverständige D.I.H.H.H. seine Befugnisse überschritten, da er selbst Zeugen einvernommen habe.

Nach Trennung der Gemeinden G und N wies der Gemeinderat der Gemeinde N mit Bescheid vom 25. Oktober 1990 die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Baubewilligungsbescheid vom 6. Juli 1988 (neuerlich) ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde - zusammengefaßt - ausgeführt, aufgrund der eingeholten Gutachten und Stellungnahmen sei als erwiesen anzunehmen, daß in der Gemeinde N ca. 660 Einwohner leben und in der Gemeinde im Jahre 1981 7167 Schweine, 1983 7295 Schweine, 1985 6141 Schweine und 1987 5551 Schweine gehalten worden seien. Die Haltung von Schweinen könne daher in der Gemeinde grundsätzlich als "ortsüblich" bezeichnet werden. Auf Parzelle 399 (unweit des Grundstückes der Beschwerdeführer) seien bis zum Jahre 1989 ca. 180 Schweine im Hof gehalten worden. Auf der Parzelle 360/7 würden 300 Schweine gehalten und auf Parzelle 343, die vom Wohnhaus der Beschwerdeführer 30 m entfernt liege, seien bis vor zwei Jahren 30 Stück Schweine gehalten worden. Der Bauwerber betreibe schon seit 1954 die Schweinezucht. Von 1954 bis 1981 habe sich der (offene) Misthaufen auf dem Grundstück Nr. 360/8 befunden. Der anfallende Mist habe von 300 bis 350 Schweinen, 24 Kühen und 4 Pferden gestammt. Der Abstand der Düngerstätte bis zum Wohnhaus der Beschwerdeführer habe 60 m betragen. Wenn der Schweinemist nunmehr in einer Güllegrube gelagert werde, die sich darüber hinaus in einem Abstand von 90 m zum Anwesen der Beschwerdeführer befinde, sei davon auszugehen, daß die Geruchsentwicklung durch die Errichtung neuer Stallungen und der neuen Güllegrube verringert sei. Die gegenständliche Güllegrube liege 90 m vom Wohnhaus der Beschwerdeführer entfernt. Zwischen der Güllegrube und dem Wohnhaus liege ein Stallgebäude mit einer Höhe von wenigstens 6 m, ein Wirtchaftsgebäude mit einer Höhe von 9 m sowie ein weiteres Wirtschaftsgebäude von Nachbarn. Der Geruch, der beim Leeren der Güllegrube auftrete, müsse daher zuerst aufsteigen, das Wirtschaftsgebäude übersteigen, bis zum Wohnhaus der Beschwerdeführer gelangen und dort wieder auf die Höhe der Fenster absinken, um überhaupt für die Beschwerdeführer bemerkbar zu werden. Die Hauptwindrichtung weiche in einem Winkel von 45 Grad von der Linie Güllegrube-Wohnhaus ab, ein für die Beschwerdeführer ungünstiger Wind sei daher nicht der Regelfall. Die Lagerung von Gülle in geschlossenen Behältern gebe keinen Geruch ab. Die gesundheitlichen Verhältnisse in der Gemeinde hätten sich nach der Errichtung des Schweinestalles der erstmitbeteiligten Partei im Jahre 1981 nicht verändert. Eine gesundheitliche Schädigung von Personen sei seitdem nicht verstärkt aufgetreten. Der durch die gegenständliche Güllegrube geschaffene Zustand führe nicht zu Beeinträchtigungen, die das ortsübliche Ausmaß übersteigen. Die Güllegrube sei daher gemäß § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung vom Anwesen der Beschwerdeführer jedenfalls so weit entfernt, daß sie eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung nicht verursache.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. Mai 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist davon auszugehen, daß die Grundfläche, auf der die Güllegrube errichtet werden soll, nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde in einem Gebiet liegt, für das die Widmung "Grünland-landwirtschaftliche Betriebsbauten" festgesetzt ist. Zum Mitspracherecht der Nachbarn auf Einhaltung der Widmung im Grünland sowie zur Beurteilung, welche Widmung bei der Beurteilung des zulässigen Immissionsausmaßes entscheidend ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das an die Zweitbeschwerdeführerin ergangene Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 91/05/0132, verwiesen. Mangels Mitspracherechtes der Nachbarn zur Einhaltung der Grünlandwidmung ist auch die Frage, ob die Beschwerdeführer hinsichtlich ihres Vorbringens zum Widerspruch zur Flächenwidmung präkludiert sind, gegenstandslos.

Ein Mitspracherecht kommt den Nachbarn aber jedenfalls im Hinblick auf § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung (BO) zu. Nach dieser Bestimmung müssen Stallungen, Düngerstätten, Silos udgl. von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, so weit entfernt sein, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursachen.

Zur Frage, ob die Güllegrube vom Anwesen der Beschwerdeführer so weit entfernt ist, daß sie keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursacht, wurden die in der Sachverhaltsdarstellung angeführten Stellungnahmen und Gutachten eingeholt. Aus dem zusammenfassenden Gutachten des D.I.H.H.H., der sich dabei auf das Gutachten der Burgenländischen Landwirtschaftskammer (D.I.R. vom 1. August 1988) sowie des D.I.I.J. vom 22. März 1988 stützte, geht hervor, daß in N 1981 über 7000 Schweine, im Jahre 1987 5551 Schweine gehalten wurden, dies bei 660 Einwohnern. Aus den Angaben von Auskunftspersonen, die dieser Sachverständige befragt hat, geht hervor, daß in N seit Jahrzehnten Schweinezucht betrieben wurde, wobei mehrere Züchter über 100 Schweine hielten. In einem Ort, in dem traditionsgemäß die Schweinezucht betrieben wird, liegt das ortsübliche Ausmaß der Geruchsemission höher als in anderen Gebieten.

In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführer, daß der Sachverständige Beweise aufgenommen und sein Fachgebiet überschritten habe. Daß in N nicht seit Jahrzehnten die Schweinezucht im größeren Ausmaß betrieben worden sei, oder daß die statistischen Daten der Landwirtschaftskammer unrichtig seien, haben die Beschwerdeführer nicht behauptet. Davon, daß der Sachverständige D.I.H.H.H. sein Fachgebiet (Bauwesen) überschritten habe, kann schon deshalb keine Rede sein, weil sich dieser Sachverständige in seinen Feststellungen ausdrücklich auf die Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 1. August 1988 sowie der Burgenländischen Landesregierung vom 15. Juni 1989 gestützt und deren Ergebnisse in seinem Gutachten zusammengefaßt hat.

Das Beschwerdevorbringen, die Gegenüberstellung der alten, nicht konsentierten Güllegrube und Düngestätte und der daraus gezogene Schluß, daß es nunmehr zu einer Verbesserung komme, sei unzulässig, ist zwar berechtigt, damit vermochten die Beschwerdeführer jedoch keinen entscheidungswesentlichen Mangel aufzuzeigen. Dem Gutachten des D.I.H.H.H. ist nämlich eindeutig zu entnehmen, daß die gegenständliche Güllegrube vom Grundstück der Beschwerdeführer jedenfalls einen solchen Abstand einhält, daß sie keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwarten läßt. Dies allein ist aber entscheidend und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen, unkonsentierten Zustand handelt, oder nicht.

Zwar ist der Gutachter D.I.H.H.H. in diesem Verfahren ebenso wie in jenem zur hg. Zl. 91/05/0132 (zu Unrecht) von der bestehenden Bebauung auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer ausgegangen, jedoch ist die Entfernung mit 90 m vom Gebäude der Beschwerdeführer zur Güllegrube so groß, daß selbst bei der Annahme, eine zukünftige zulässige Bebauung auf dem Grundstück der Beschwerdeführer sei bis zu deren Grundstücksgrenze möglich, womit sich der Abstand um 13 m verringern würde, der bei der Räumung der Güllegrube als erforderlich erachtete Abstand von 40 m jedenfalls eingehalten wird. Dazu kommt noch, daß hier zu berücksichtigen ist, daß zwischen der Güllegrube und dem Anwesen der Beschwerdeführer Wirtschaftsgebäude mit einer Höhe von 6 bis 9 m liegen, wodurch die Geruchsbelästigungen, wie der Sachverständige schlüssig ausführt, weiter abgeschirmt werden, ein Umstand, der im Verfahren betreffend die Stallungen nicht ausschlaggebend ist, da die Ausblasöffnungen aus den Stallungen in der Höhe der Wirtschaftsgebäude liegen.

Die medizinische Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 2. April 1990 festgestellt, daß auf dem Grundstück des Bauwerbers keine unzumutbare, das ortsübliche Ausmaß übersteigende Geruchsentwicklung festgestellt werden konnte. Die medizinischen Verhältnisse in N hätten sich nach der Errichtung des Schweinestalles nicht verändert. Eine gesundheitliche Schädigung von Menschen sei seither nicht verstärkt aufgetreten. Eine medizinische Behandlung von Personen aufgrund von Geruchsbelästigungen sei ihres Wissens nicht erforderlich gewesen. Es folgen weitere Ausführungen zur Meinung in umweltmedizinischen Fachkreisen, wonach üble, ekelerregende Gerüche bei lang andauernder Einwirkung psychovegetative Störungen und psychosomatische Erkrankungen hervorrufen könnten. Die Beschwerdeführer ziehen aus diesem Gutachten den Schluß, daß wegen der nicht auszuschließenden Gesundheitsgefährdung die Errichtung der Güllegrube jedenfalls unzulässig sei. Die im Gutachten vom 2. April 1990 wiedergegebene Ansicht aus umweltmedizinischen Fachkreisen beschränkt sich jedoch auf allgemeine Feststellungen, zum konkreten Bauvorhaben hat die Sachverständige ausdrücklich ausgesagt, daß auf dem Grundstück des Bauwerbers keine, das ortsübliche Ausmaß übersteigende Geruchsentwicklung festgestellt werden könne und eine medizinische Behandlung aufgrund einer Geruchsbelästigung bisher nicht erforderlich gewesen sei.

Zutreffend konnten die Baubehörden aufgrund der schlüssigen Gutachten, denen die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sind, davon ausgehen, daß die Güllegrube jedenfalls in einem solchen Abstand vom Grundstück der Beschwerdeführer errichtet wird, daß sie keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung für die Beschwerdeführer verursacht. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführer, bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit oder des erforderlichen Abstandes sei die Sensibilität der Anrainer zu berücksichtigen, findet weder im § 86 Abs. 1 noch in einer anderen Bestimmung der Burgenländischen Bauordnung Deckung.

Zu Recht hat somit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt, daß die Beschwerdeführer durch die Erteilung der Baubewilligung für die Güllegrube in keinem Recht verletzt wurden.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, hinsichtlich der belangten Behörde im Rahmen ihres Kostenbegehrens. Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050135.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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