TE Vwgh Beschluss 1991/11/28 91/09/0173

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Veröffentlicht am 28.11.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
B-VG Art18 Abs1;
HDG 1985 §24 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in T, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 19. August 1991, Zl. 527.738/13-2.7/91, betreffend Aufhebung eines Disziplinarerkenntnisses und einer Berufungsentscheidung nach § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberstabwachtmeister in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Panzerbataillon n1/Stabskompanie.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens und dem (insoweit unbestritten gebliebenen) angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde über den Beschwerdeführer mit der mündlich verkündeten Disziplinarverfügung des Kommandanten der Stabskompanie des Panzerbataillons n1 vom 6. Dezember 1990 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 1.000,-- verhängt, weil der Beschwerdeführer am 8. November 1990 unentschuldigt dem Dienst durch Unterlassung einer zeitgerechten Meldung (der Dienstverhinderung) ferngeblieben sei.

Auf Grund des vom Beschwerdeführer gegen Schuld und Strafe gerichteten Einspruches vom 7. Dezember 1990 verhängte der Kommandant der Stabskompanie/Panzerbataillon n1 mit mündlich verkündetem Disziplinarerkenntnis vom 11. Jänner 1991 (neuerlich) die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 1.000,--, weil der Beschwerdeführer am 8. November 1990 seinen Dienst bei der ersten Kompanie/Panzerbataillon n1 nicht angetreten habe und den Grund seiner Abwesenheit weder mündlich noch fernmündlich mitgeteilt habe.

Der dagegen erhobenen (gegen Schuld und Strafe) gerichteten Berufung des Beschwerdeführers wurde mit der als Bescheid bezeichneten (schriftlichen) Erledigung vom 24. Jänner 1991 nach §§ 36 Abs. 2 in Verbindung mit 62 Abs. 4 des Heeresdisziplinargesetzes 1985 (HDG) Folge gegeben, das bekämpfte Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz aufgehoben und die Angelegenheit wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens an die Disziplinarbehörde erster Instanz zurückverwiesen. Diese Erledigung trägt die Kopfbezeichnung "Panzerbataillon n1 Kommando" (es folgt die Adresse) sowie die Unterschrift des Genehmigenden und die Beisetzung seines Namens ("XY, Obstl.").

Mit mündlich verkündetem Disziplinarerkenntnis des Kommandanten der Stabskompanie des Panzerbataillons n1 vom 19. April 1991 wurde der Beschwerdeführer im zweiten Rechtsgang neuerlich der ihm im ersten Rechtsgang zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt und wiederum eine Geldbuße in der Höhe von S 1.000,-- über ihn verhängt.

Seine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung blieb erfolglos (Abweisung mit schriftlichem Bescheid des als Disziplinarvorgesetzten einschreitenden Kommandanten des Panzerbataillons n1 vom 21. Mai 1991). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die beim Verfassungsgerichtshof unter B 755/91 protokollierte Beschwerde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. August 1991 hob die belangte Behörde das den Beschwerdeführer betreffende mündliche Disziplinarerkenntnis des Kommandanten der Stabskompanie/Panzerbataillon n1 vom 19. April 1991 und die Berufungsentscheidung des Kommandanten des Panzerbataillons n1 vom 21. Mai 1991 gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG "wegen Unzuständigkeit" auf.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung - nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens - im wesentlichen damit, der Erledigung des "Kdo PZB n1" vom 24. Jänner 1991 fehle mangels Bezeichnung der Disziplinarbehörde (im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) der Charakter eines Bescheides. Diese Erledigung sei als Nichtbescheid anzusehen. Deshalb sei über die (im ersten Rechtsgang) erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom 14. Jänner 1991 (gegen das Disziplinarerkenntnis des "Kdt StbKp/PzB n1" vom 11. Jänner 1991) noch nicht entschieden worden. Alle in der Angelegenheit nach der Erledigung vom 24. Jänner 1991 erlassenen Bescheide seien damit von unzuständigen Organen erlassen worden und daher von der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, daß nicht unter Berufung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG, jedoch ohne Vorliegen der in dieser Norm genannten Voraussetzungen eine ihn betreffende disziplinarrechtliche Entscheidung aufgehoben werde, durch unrichtige Anwendung dieser Norm verletzt. Er führt dazu näher aus, er habe im Hinblick auf seine gegen den Bescheid des Kommandanten des Panzerbataillons n1 vom 21. Mai 1991 erhobene Verfassungsgerichtshofbeschwerde (die der Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtslage betreffend die Heranziehung von Verteidigern im Sinne des § 55 Z. 3 HDG zum Ziel habe) ein rechtliches Interesse an einer Sacherledigung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bzw. im Fall der beantragten Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof an einer Sachentscheidung im abgeschlossenen Disziplinarverfahren; der angefochtene Bescheid der belangten Behörde sei geeignet, eine formelle Klaglosstellung zu bewirken. Er suche sein Recht auf höchstgerichtliche Überprüfung und werde im Widerspruch dazu durch den angefochtenen Bescheid in die nachteilige Lage versetzt, nochmals im Verwaltungsverfahren sein Recht zu suchen, wobei er nach den bisherigen Verfahren mit weiteren "Beharrungsentscheidungen" zu rechnen habe. Auch wenn man - wie die belangte Behörde - vom Scheinbescheidcharakter der Erledigung vom 24. Jänner 1991 ausgehe, sei nur richtig, daß die Disziplinarbehörde erster Instanz zur Erlassung ihres Bescheides vom 18. April 1991 unzuständig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei jedoch berechtigt gewesen, gegen diesen Bescheid vom 18. April 1991 Berufung zu erheben und die Disziplinarbehörde zweiter Instanz sei zur Erlassung ihres Bescheides vom 21. Mai 1991 zuständig gewesen. Daraus ergebe sich die Gesetzwidrigkeit der unter Berufung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG erfolgten Aufhebung des letztgenannten Bescheides. Auch wenn dieser Bescheid den Bescheid der Disziplinarbehörde erster Instanz vom 18. (richtig: 19.) April 1991 ersatzlos (wegen deren Unzuständigkeit) hätte aufheben müssen, läge ein Fall der mangelnden Entscheidungsrichtigkeit durch die Disziplinarbehörde zweiter Instanz, nicht aber der einer fehlenden Entscheidungszuständigkeit dieser Behörde vor.

Die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht verletzt sein kann (vgl. etwa den Beschluß vom 4. Juli 1968, Slg. Nr. 7387/A, das Erkenntnis vom 29. November 1982, Slg. Nr. 10.903/A sowie den Beschluß vom 26. Juni 1990, Zl. 89/11/0256). Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so mangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. auch dazu die vorhin genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß die Nichtausübung der Befugnisse nach § 68 Abs. 4 AVG - im Hinblick auf Abs. 7 der genannten Vorschrift, die auch nach § 24 Z. 1 HDG im Kommandanten- und im Kommissionsverfahren Anwendung zu finden hat - vollständig der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (d.h. auch hinsichtlich der Gründe, warum die Behörde nicht von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Nichtigerklärung Gebrauch macht) entzogen ist. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Ausübung der in § 68 Abs. 4 AVG eingeräumten Befugnisse nicht der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Voraussetzung jedoch ist auch in diesem Fall, daß durch die Ausübung der nach § 68 Abs. 4 AVG eingeräumten Befugnis in subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Dabei ist auf jene subjektiv-öffentliche Rechte abzustellen, die sich aus dem als nichtig erklärten Bescheid ergeben. Ein selbständiges von der Lage des Falles losgelöstes gleichsam absolut wirkendes Recht auf gesetzmäßige Handhabung des § 68 Abs. 4 AVG läßt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem AVG nicht ableiten; im übrigen ist auch der aus dem Art. 18 Abs. 1 B-VG zu entnehmende Rechtsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht im Sinne der Festlegung eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung zu verstehen (siehe z.B. die von DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 416, zitierte Rechtsprechung sowie den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1987, Zl. 87/09/0040).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall aber davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die amtswegige Aufhebung der im zweiten Rechtsgang erlassenen Disziplinarerkenntnisse, insbesondere durch die Aufhebung der Berufungsentscheidung der Disziplinarbehörde zweiter Instanz vom 21. Mai 1991, die ihn belastete und die er deshalb auch beim Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde bekämpfte, nicht in dem von ihm ausschließlich geltend gemachten subjektiven-öffentlichen Recht auf gesetzmäßige Handhabung des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG verletzt sein kann. Im übrigen hat der Beschwerdeführer auch aus dem (für nichtig erklärten) Bescheid der Disziplinarbehörde zweiter Instanz kein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung unter dem Gesichtspunkt des im HDG geltenden Verbotes der reformatio in peius (vgl. § 36 Abs. 2 HDG) erworben, weil in beiden Rechtsgängen die Geldbußen in der gleichen Höhe ausgesprochen wurden und dies auch im fortgesetzen Verfahren zu beachten sein wird. Der Umstand der Anfechtung des zitierten Bescheides der Disziplinarbehörde zweiter Instanz beim Verfassungsgerichtshof hinderte die belangte Behörde nicht, von der nach § 68 Abs. 4 AVG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. auch den zu einer vergleichbaren Rechtslage, nämlich zu § 63 Abs. 1 Z. 2 lit. a HDG ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1987, Zl. 87/09/0040). Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff,insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090173.X00

Im RIS seit

28.11.1991

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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