TE Vwgh Beschluss 1991/12/10 91/14/0100

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs1 litc;
B-VG Art132;
FinStrG §124 Abs1;
FinStrG §136;
FinStrG §55;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, in der Beschwerdesache des Dr. E K in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 6. November 1990, Zl. 90/14/0141, verwiesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Oktober 1988, Straflisten-Nr. 196/88, wurde gegen den Beschwerdeführer das Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß er als Abgabepflichtiger vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht seine unternehmerische Tätigkeit als Buffetinhaber nicht bekannt gegeben, die entsprechenden Umsätze sowie Gewinne aus dem Gewerbebetrieb für die Jahre 1983 bis 1986 nicht erklärt und dadurch im vorgenannten Zeitraum eine Verkürzung an Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie an Abgabe von alkoholischen Getränken in Höhe von S 458.767,-- bewirkt und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe.

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 1989 rechtfertigte sich der Beschwerdeführer und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Diesen Antrag wiederholte er auch in späteren Eingaben. Die belangte Behörde entschied hierüber nicht.

Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. März 1990 betreffend Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Einkommensteuer und einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für die Jahre 1983 bis 1986 wurde der im Abgabenverfahren erhobenen Berufung des Beschwerdeführers nur teilweise Folge gegeben. Diese Berufungsentscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem eingangs zitierten Erkenntnis vom 6. November 1990, 90/14/0141, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

In der vorliegenden, gemäß Art. 132 B-VG erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst dahingehend entscheiden, daß das gegenständliche Finanzstrafverfahren eingestellt werde.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß überhaupt ein Säumnisfall vorliegt:

Gemäß § 55 FinStrG darf im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren wegen Hinterziehung oder wegen fahrlässiger Verkürzung von veranlagten Abgaben vom Einkommen oder vom Vermögen, von Gewerbesteuer (mit Ausnahme der Lohnsummensteuer) von Umsatzsteuer oder von Abgabe von alkoholischen Getränken die (grundsätzlich durchzuführende) mündliche Verhandlung erst durchgeführt werden, wenn das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung für den Zeitraum vorliegt, den die strafbare Tat betrifft. Bis dahin besteht ein Verfolgungshindernis (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, § 55 Anm. 1 ff; Sommergruber-Reger, Kommentar zum Finanzstrafgesetz (Stand 1. Jänner 1990), § 55 Anm. 1). Ein Erkenntnis, in welchem gemäß § 136 FinStrG die Einstellung des Strafverfahrens auszusprechen oder über Schuld und Strafe zu entscheiden ist, kann nicht ergehen, da es erst nach Schluß der - befristet verbotenen - Verhandlung zu fällen wäre. Wird die Entscheidungsbefugnis aber durch ein gesetzliches Hindernis gehemmt, kann von einer Verletzung der Entscheidungspflicht keine Rede sein (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seiten 35 und 197). Jedenfalls solange es zu einer rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung im Sinne des § 55 FinStrG noch nicht gekommen ist, besteht aber auch im Untersuchungsverfahren keine Verpflichtung der Behörde, über Anträge, das Verfahren gemäß § 124 Abs. 1 FinStrG einzustellen, abzusprechen. Die Finanzstrafbehörde ist im Untersuchungsverfahren zwar nicht gehindert, das Strafverfahren einzustellen, obwohl die Abgaben noch nicht rechtskräftig endgültig festgesetzt wurden; sie ist aber auch berechtigt, die Abgabenfestsetzung abzuwarten. Obwohl § 55 FinStrG seinem Wortlaut nach lediglich die Durchführung der mündlichen Verhandlung betrifft, läßt diese Bestimmung doch die allgemeine Intention des Gesetzgebers erkennen, für das Finanzstrafverfahren aus verfahrensökonomischen Gründen das Abwarten der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung zu billigen.

Im Beschwerdefall ergibt sich, daß bei Einbringung der Beschwerde im Mai 1991 eine rechtskräftige endgültige Abgabenfestsetzung nicht vorlag, da die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. März 1990 mit dem zitierten hg. Erkenntnis vom 6. November 1990 aufgehoben worden war und ein Ersatzbescheid seither nicht ergangen ist. Im Lichte der oben dargestellten Rechtslage war die belangte Behörde daher nicht säumig, über eine Einstellung des gegen den Beschwerdeführer geführten Finanzstrafverfahrens zu entscheiden; es bestand keine Entscheidungspflicht, die sie hätte verletzen können.

Eine andere Betrachtung könnte geboten sein, wenn die Verdachtsmomente dem Grunde nach weggefallen sind und es auf die Abgabenfestsetzung gar nicht mehr ankommt. Dies trifft im Beschwerdefall aber nicht zu.

Die vorliegende Beschwerde war daher schon deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weil ihr der Mangel der Berechtigung zur Erhebung entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991140100.X00

Im RIS seit

10.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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