TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/13 91/18/0231

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Veröffentlicht am 13.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

ABGB §1090;
ABGB §1165;
AVG §8;
B-VG Art144;
B-VG Art7;
MRK Art14;
StGG Art2;
StVO 1960 §52 lita Z1;
VStG §32;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kratschmer und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. Juli 1991, Zl. MA 70-10/648/91/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Landstraße sprach - nachdem eine Strafverfügung dieser Behörde infolge rechtzeitig erhobenen Einspruches des Beschwerdeführers außer Wirksamkeit getreten war - mit Straferkenntnis vom 18. März 1991 aus, der Beschwerdeführer habe am 7. November 1990 um 20.10 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens in Wien 23, Bendagasse, vom Maurer Hauptplatz kommend, das deutlich sichtbar angebrachte Verbotszeichen "Fahrverbot (in beiden Richtungen) Zusatztafel:

Ausgenommen Anrainer und ihre Lieferanten" nicht beachtet, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen und es werde über ihn daher eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) verhängt.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer - wie schon in seinem Einspruch im Verfahren erster Instanz - im wesentlichen aus, er sei der Auffassung, die Zusatztafel "Ausgenommen Anrainer und ihre Lieferanten" für sich in Anspruch nehmen zu können, weil er als Besucher eines in der in der Bendagasse gelegenen Schule stattfindenden Gymnastikkurses als Anrainer zu qualifizieren sei.

Die belangte Behörde bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung, daß die Tatumschreibung folgendermaßen zu lauten habe: "Der Beschuldigte Dr. E hat am 7.11.1990 um 20.10 Uhr als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W nnn.nnn das in Wien 23, Bendagasse - Maurer Hauptplatz deutlich sichtbar aufgestellte Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z. 1 StVO 1960 'Fahrverbot in beiden Richtungen' mit dem Zusatz: 'ausgenommen Anrainer und ihre Lieferanten' nicht beachtet, sondern ist vom Maurer Hauptplatz kommend in die Bendagasse eingefahren und Richtung Schule Bendagasse weitergefahren, ohne daß er ein Anrainer oder ein Lieferant eines Anrainers gewesen ist."

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei als Schulbesucher weder Besitzer der Liegenschaft (Schule) noch ein allfälliger (Rechts-)besitzer (Mieter oder Pächter), sondern ein Besucher (Schulbesucher bzw. Schüler) gewesen, weshalb er nicht berechtigt gewesen sei, von der Ausnahme des Fahrverbotes Gebrauch zu machen; vielmehr hätte er das Fahrverbot beachten und von einem Einfahren in die Bendagasse Abstand nehmen müssen. Da die Tat in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Beachtung von Fahrverboten geschädigt habe, sei der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers könne nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen sei, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer weist vor allem darauf hin, daß die von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht deshalb verfehlt sei, weil sie ihm als Teilnehmer an einer Gymnastikstunde in der Schule, welche sich in der dem Fahrverbot samt Zusatztafel unterliegenden Straße befinde, die Qualifikation eines Anrainers im Sinne des § 52 Z. 1 StVO unrichtigerweise nicht zubillige. Insbesondere widerspreche die Rechtsauffassung der belangten Behörde der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1980, Zl. 807/80, dargelegten Definition des Begriffes "Anrainer". Der Verwaltungsgerichtshof habe darin den Begriff des Anrainers hinsichtlich der Gestattung der Zufahrt nicht nur auf die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges beschränkt, sondern auch allfällige Rechtsbesitzer einbezogen, sodaß außer dem Eigentümer einer neben der Straße gelegenen Liegenschaft auch jenen Personen die Anrainereigenschaft zuzuerkennen sei, welche an dieser Liegenschaft ein Bestandrecht (Mieter oder Pächter) besäßen oder zur Ausübung des Jagdrechtes auf dieser Liegenschaft berechtigt seien. Die Beschwerde führt in diesem Zusammenhang weiter aus, als Besucher der Gymnastikstunde benütze der Beschwerdeführer den Turnsaal gleichsam als Untermieter, weil der Veranstalter der Turnstunde diesen Schulteil gemietet habe. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1984, Zl. 84/03/0079, bringt der Beschwerdeführer weiters vor, die Zusatztafel "Ausgenommen Anrainerverkehr" bedeute, daß auch der Fahrzeugverkehr für die Anrainer und zu den Anrainern für Besucher und Angestellte des Anrainers zulässig sei. Der Veranstalter des Gymnastikkurses habe die Schule zu diesem Zweck vom Eigentümer der Schule (der öffentlichen Hand) gemietet. Dem Beschwerdeführer komme daher als Besucher des Mieters Anrainereigenschaft zu, weshalb von einem Verstoß gegen § 52 Z. 1 StVO nicht gesprochen werden könne. Darüber hinaus - so die Beschwerdeausführungen - übersehe die Behörde völlig, daß den Schülern der betreffenden Schule die Zufahrt täglich gestattet werde, worauf nicht nur der vor der Schule befindliche Parkplatz hindeute, sondern auch ein an das Schulgebäude angebauter Fahrradstall. Wenn somit die Schüler der Schule, welche die Bendagasse mit dem Fahrrad befahren, als Anrainer angesehen und daher nicht beanstandet würden, so komme dem Beschwerdeführer diese Anrainereigenschaft in gleicher Weise zu.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser vom Beschwerdeführer vertretenen weiten Auslegung des Begriffes "Anrainer" nicht zu folgen. Dies schon deshalb nicht, weil derartige Ausnahmebestimmungen, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach (vgl. unter anderen das Erkenntnis vom 4. Mai 1965, Zl. 245/65) ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht ausdehnend auszulegen sind.

Wenn der Beschwerdeführer sich in dem Recht verletzt erachtet, wegen einer Übertretung des § 52 Z. 1 StVO nicht bestraft zu werden, zumal die Ausnahmebestimmung von diesem Verbot auf ihn zutreffe, so ist ihm zu erwidern, daß aus dem hg. Erkenntnis vom 12. September 1980, Zl. 807/80, für seinen Rechtsstandpunkt deshalb nichts zu gewinnen ist, weil der bloße Besuch eines Kurses nicht Rechtsbesitz an der mit der Schule verbundenen Liegenschaft vermittelt (vgl. zum Begriff "Rechtsbesitz" als Ausübung eines besitzfähigen Rechtes mit dem Willen, es als das eigene zu haben, sowie zum Umstand, daß - da unter Besitz ein Zustand der Innehabung verstanden wird - Rechtsbesitz daher nur bei Rechten in Betracht kommt, die eine DAUERNDE Ausübung gestatten wie Miete, Pacht, Dienstbarkeiten, Pfandrecht, näher KOZIOL-WELSER, Grundriß des bürgerlichen Rechts II8, S. 18 ff). Der Besucher eines Kurses an einer (öffentlichen) Schule ist auch nicht Inhaber eines Bestandrechtes an dieser Schule oder einem Teil derselben. Mit dem Belegen eines (Gymnastik-)Kurses wird nicht die entgeltliche Überlassung einer bestimmten beweglichen oder unbeweglichen Sache (hier des Turnsaales) zum Gebrauch (§ 1090 ABGB), sondern die Herstellung eines bestimmten Erfolges (§ 1165 ABGB) bezweckt. Eine Zuordnung zum Begriff "Anrainer" kommt somit bei diesem Sachverhalt nicht in Frage.

Auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1984, Zl. 84/03/0079, kann der Beschwerde bei der gegebenen Sachlage nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Zusatztafel zum Fahrverbot im damaligen Beschwerdefall den Wortlaut "Ausgenommen AnrainerVERKEHR" hatte, welcher mit dem Wortlaut der hier in Rede stehenden Zusatztafel "Ausgenommen Anrainer und ihre Lieferanten" nicht ident ist. Wie nämlich die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt, sind nach der hier gegebenen Textierung vom Fahrverbot ausdrücklich nur Anrainer und Lieferanten ausgenommen. Daher darf diese Verkehrsfläche von Besuchern der Anrainer nicht befahren werden.

Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, daß die Bendagasse tagtäglich von den Schülern der dort befindlichen Schule mit ihren Fahrrädern befahren werde und die Behörde diesen Umstand nicht beanstande, ist er darauf hinzuweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes niemand einen Anspruch darauf besitzt, daß sich eine Behörde, die sich in anderen Fällen rechtswidrig verhält, auch ihm gegenüber rechtswidrig verhalte (vgl. z.B. VfSlg. 5372).

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verfahrensrecht VStG Anzeiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180231.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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