TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/16 90/15/0004

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Veröffentlicht am 16.12.1991
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Index

33 Bewertungsrecht;

Norm

BewG 1955 §64 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der B-GmbH, des A, des M und des B, alle in S, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. Juli 1989, Zl. 13/5/1-8/BK/Go-1988, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und ihre drei unechten stillen Gesellschafter betreiben im Gebiet der Stadt S die Versorgung von Anschlußwerbern (Anschlußteilnehmern) mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen über eine Gemeinschaftsantenne. Die von den Anschlußwerbern bezahlten sogenannten "Anschlußgebühren" wurden in den Bilanzen der Erstbeschwerdeführerin zu Lasten der Erfolgsrechnung einer Passivpost "Benützungsrechte Fernsehteilnehmer" zugeführt und über die angenommene Nutzungsdauer der Anlagen von 15 Jahren gleichmäßig gewinnerhöhend aufgelöst. Auf Grund einer entsprechenden Abgabenerklärung wurde der Einheitswert des Betriebsvermögens der aus den Beschwerdeführern gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum 1. Jänner 1986 unter Berücksichtigung einer Schuldpost "Benützungsentgelt Fernsehteilnehmer" in Höhe von S 4,664.374,-- mit S 1,177.000,-- festgestellt und dieser Einheitswert anteilig den Beschwerdeführern zugerechnet.

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung im Jahre 1987 vertrat der Prüfer die Auffassung, daß die in Rede stehende Passivpost wegen Vorliegens einer aufschiebenden Bedingung keine abzugsfähige Schuld im Sinne des Bewertungsrechtes darstelle. Er bezog sich hiebei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1963, Zl. 206/62, Slg. Nr. 2940/F, aus welchem hervorgehe, daß für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Grundsätze der statischen Bilanztheorie Geltung hätten, die es einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht gestatteten, eine Rückstellung deshalb als Schuldpost zu behandeln, weil eine Verpflichtung bestehe, Stromabnehmern zu nicht kostendeckenden Preisen Energie zu liefern.

Das Finanzamt verfügte hierauf unter anderem die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1986 und schloß sich in dem damit verbundenen Sachbescheid der Rechtsansicht des Prüfers an.

Die gegen den zuletzt genannten Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dies nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgebenden Rechtsvorschriften im wesentlichen mit folgender Begründung: Im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführer könne grundsätzlich jeder Versorgungswerber um den Anschluß an die Gemeinschaftsantennenanlage ansuchen, die aus einer Empfangs- und einer Kabelanlage bestehe, über die den angeschlossenen Teilnehmern die Möglichkeit geboten werde, bestimmte inländische und ausländische Hörfunk- und Fernsehprogramme zu empfangen. Die Anschlußverträge würden nicht schriftlich, sondern nur mündlich abgeschlossen. Die Beschwerdeführer hätten darin jeweils die Verpflichtung übernommen, den Anschluß an die Antennenanlage herzustellen und während der betriebsgewöhnlichen, mit 15 Jahren angenommenen Nutzungsdauer die Übertragungsleistung der Anlage zu erbringen. Die Anschlußwerber (Anschlußteilnehmer) hätten sich jeweils verpflichtet, für den Anschluß an die Antennenanlage eine einmalige "Anschlußgebühr" und danach zur Abgeltung der Betriebskosten "laufende Wartungsgebühren" (in Wahrheit: privatrechtliche Entgelte) zu entrichten. Bei diesen Verträgen handle es sich um "Beförderungsverträge" (Werkverträge). Eine (transitorische) Passivpost liege nicht vor, weil kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß diese Passivpost wegen am Bewertungsstichtag noch ausstehender konkreter Anschlußarbeiten gebildet worden sei. Zwar treffe zu, daß mit der Vereinnahmung der "Anschlußgebühren" die Verpflichtung der Beschwerdeführer entstanden sei, die Antennenanlage für die Anschlußteilnehmer während der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Anlage zu betreiben. Auch stelle die darin zu erblickende Betriebsverpflichtung eine Last dar, weil diese eine Bindung für eine längere Zeit bedeute und damit auch finanzielle und wirtschaftliche Risiken berge. Dies rechtfertige aber deswegen keinen Abzug bei Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens, weil den Beschwerdeführern durch die Anschlußvereinbarungen jeweils KEINE IN GELD MESZBAREN KONKRETEN LASTEN auferlegt worden seien; es sei nämlich in Betracht zu ziehen, daß sich die Leistungen der Vertragspartner - die Entrichtung einer einmaligen Anschlußgebühr und der laufenden Wartungsgebühren auf Seiten jedes Anschlußwerbers (Anschlußteilnehmers) und die Herstellung der Anschlüsse und die Erbringung der Übertragungsleistungen durch die Beschwerdeführer - innerhalb der Vertragsdauer regelmäßig ausglichen. Infolgedessen könne nicht von Schulden im Sinne des § 64 Abs. 1 BewG gesprochen werden. Es sei eben kein bewertungsfähiges negatives Wirtschaftsgut vorhanden, welches sich vermögensmindernd auswirken würde. Die Beschwerdeführer hätten auch nicht behauptet, "daß die Anschlußwerber den aliquoten Teil der Anschlußgebühr zurückerhielten, sollte der Betrieb vor Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eingestellt werden". Auch könne eine künftige Belastung aus einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung gegenüber den Anschlußwerbern im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Verhältnisse am Stichtag ohnedies nicht anerkannt werden. Daß im Ertragsteuerrecht nach dynamischen Bilanzgrundsätzen der Ansatz einer (transitorischen) Passivpost für vereinnahmte Anschlußgebühren der Fernsehteilnehmer branchenüblich und zulässig sei, habe darin seine Begründung, daß es dort auf die periodenmäßig richtige Abgrenzung und Zurechnung der Erträge ankomme, um den Gewinn des einzelnen Jahres zutreffend ermitteln zu können. Diese Betrachtung finde aber bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens keinesfalls Anwendung.

Mit Beschluß vom 28. November 1989, B 1072/89-3, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Nach ihrem gesamten Vorbringen erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß der den vereinnahmten "Anschlußgebühren" (soweit diese ihres Erachtens echten Vorleistungscharakter aufweisen) gegenüberstehende Teil der nach dem Bewertungsstichtag auszuführenden Leistungsverpflichtungen als gemäß § 64 Abs. 1 BewG abzugsfähige Schuld behandelt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 BewG sind für den Bestand und die Bewertung die Verhältnisse im Feststellungszeitpunkt maßgebend (Stichtagsprinzip).

Nach § 64 Abs. 1 BewG sind zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebes im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Unter Schulden im Sinne dieser Vorschriften sind nicht nur Geldschulden (Kapitalschulden) zu verstehen, sondern alle in Geld meßbaren Verpflichtungen, die einen Betrieb wirtschaftlich belasten (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zl. 89/15/0054, und die dort zitierten Vorerkenntnisse und Lehrmeinungen).

Gemäß § 64 Abs. 1 BewG bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens als Schulden abzugsfähig sind erst nach dem Bewertungsstichtag auszuführende Leistungen, für die dem Unternehmer schon zuvor Vorleistungen erbracht wurden, wenn die in Geld meßbaren Leistungsverpflichtungen schon am Bewertungsstichtag - zeitlich und inhaltlich konkretisiert - entstanden waren (vgl. hiezu beispielsweise Gürsching-Stenger, Kommentar zum deutschen Bewertungs- und Vermögensteuergesetz8, Rz 84 zu § 103).

Ob derartige Verpflichtungen im Beschwerdefall vorliegen - dies setzt u.a. auch voraus, daß die vor dem Bewertungsstichtag vereinnahmten "Anschlußgebühren" nach dem Vertragsinhalt wenigstens teilweise den Charakter echter Vorleistungen auf die nach dem Stichtag noch zu erbringenden Leistungen haben -, kann nach dem von den Abgabenbehörden erhobenen Sachverhalt derzeit deswegen noch nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere der Inhalt der mündlich mit den Anschlußwerbern abgeschlossenen Verträge der Aktenlage nicht zu entnehmen ist. Allein deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid als mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Er mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990150004.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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