TE Vwgh Beschluss 1991/12/17 91/08/0162

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Veröffentlicht am 17.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §56 Abs1;
AlVG 1977 §59;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art20 Abs1;
B-VG Art69 Abs1;
VwGG §27;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/08/0171

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, in der Beschwerdesache des A in W, gegen das Landesarbeitsamt Wien und das Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste (Wien) vom 15. Juli 1991 wurde die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit den §§ 38, 24 Abs. 1 und 9 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitswilligkeit eingestellt. Dem Vorbringen seiner am 27. November 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten, gemäß Art. 132 B-VG erhobenen Beschwerde zufolge brachte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid am 18. Juli 1991 die Berufung ein. Die Berufungsbehörde habe "das Rechtsmittel mißachtet, die Berufung wahrscheinlich nicht bearbeitet und keinen neuerlichen Bescheid erstellt". Ein "Neuantrag" des Beschwerdeführers vom 8. August 1991 sei ebenfalls nicht behandelt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 VwGG kann eine Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die

sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ... über. Ein solcher

Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde ... einzubringen.

Die vorliegende Beschwerde ist mangels Ablaufes der Entscheidungsfrist und Ausschöpfung des Devolutionsrechtszuges unzulässig.

Die im § 27 VwGG und § 73 Abs. 1 AVG normierte Entscheidungsfrist von sechs Monaten ist weder hinsichtlich der am 18. Juli 1991 eingebrachten Berufung noch des (offenbar die Gewährung von Notstandshilfe betreffenden, beim Arbeitsamt eingebrachten) Antrages vom 8. August 1991 abgelaufen. Die Beschwerde ist daher schon mangels Ablaufes der Entscheidungsfrist unzulässig.

Dazu kommt, daß die Säumnisbeschwerde nicht wegen Säumigkeit irgendeiner zu einer Sachentscheidung berufenen Behörde jeder beliebigen Organisationsstufe ergriffen werden kann, sondern nur wegen der Säumnis der obersten Instanz, die der Beschwerdeführer anzurufen rechtlich in der Lage war. Es muß also die Behörde, die nach dem organisatorischen Aufbau der Verwaltung an höchster Stufe steht und von der Partei noch angerufen werden kann, durch mehr als sechs Monate untätig gewesen sein. "Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" ist in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Ob eine Behörde "Oberbehörde" ist, richtet sich nur nach der Rechtslage, die in bezug auf das konkret gestellte und unerledigt gebliebene Sachbegehren gegeben ist. Eine Beschränkung des Instanzenzuges hindert nicht den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionsweg. Sie hindert nur die Anfechtung von Bescheiden im Rechtsmittelverfahren (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/08/0204, und die dort zitierte Vorjudikatur). Wenn auch in Angelegenheiten der Nostandshilfe der Instanzenzug gemäß §§ 56 Abs. 1, 59 AlVG beim Landesarbeitsamt endet, so steht der Partei dennoch das Recht zu, den Übergang der Entscheidungspflicht an den Bundesminister für Arbeit und Soziales zu verlangen (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Februar 1987, Zl. 87/08/0012). Entsprechendes gilt auch für den Antrag vom 8. August 1991.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde Zuständigkeit Instanzenzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991080162.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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