TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/18 91/02/0143

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litc;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des K in R, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. Juni 1991, Zl. Ib-182-191/90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 17. Februar 1990 um 4.00 Uhr auf einer näher bezeichneten Straße einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt; um

4.30 Uhr habe er sich an jenem Ort, an dem er bei seiner Fahrt in einem Verkehrsunfall mit Personenschaden verwickelt worden war, "trotz vermuteter Alkoholbeeinträchtigung und trotz verbindlicher Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan geweigert, eine Blutprobe zur Blutalkoholbestimmung abnehmen zu lassen". Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet, er habe die Vornahme der Blutabnahme nicht verweigert. Er sei nur gefragt worden, "ob er die Blutabnahme machen lasse oder nicht". "Wäre das Begehren in eindeutiger Weise gestellt worden", hätte er sich

"selbstverständlich ..... zur Blutabnahme bereit erklärt". Er

habe sich auch "nicht grundsätzlich ablehnend verhalten". Er habe sich dazu zunächst sogar bereit erklärt. Erst in weiterer Folge habe er sich dahingehend geäußert, daß "es ihm egal sei".

Nach dem Inhalt der Verwaltungsstrafakten wurde der Beschwerdeführer mehrmals aufgefordert, sich Blut abnehmen zu lassen. Er erhielt zunächst am Unfallort (wie im zitierten Spruch umschrieben) und später im Krankenhaus entsprechende Aufforderungen. Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Bestrafung erfolgte wegen der Nichtentsprechung der erstgenannten Aufforderung. Es kann daher dahinstehen, was sich diesbezüglich im Krankenhaus abgespielt hat. Entscheidend ist lediglich, ob der Beschwerdeführer am Unfallort zur Tatzeit trotz einer vorher ergangenen Aufforderung die Duldung einer Blutabnahme verweigert hat.

Was die Formulierung der Aufforderung betrifft, ist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs. 2 StVO zu verweisen, wonach das Gesetz nicht vorschreibt, in welcher Form die Aufforderung zur Vornahme einer Atemluftprobe zu ergehen hat. Diese Aufforderung kann auch in die Form einer Frage gekleidet sein. Im Zweifel ist anzunehmen, daß dann, wenn ein Straßenaufsichtsorgan einem Alkoholisierungssymptome aufweisenden Kraftfahrzeuglenker gegenüber von der Vornahme eine Atemluftprobe spricht, eine Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO 1960 vorliegt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Straßenaufsichtsorgan in dieser Situation lediglich eine unverbindliche Einladung aussprechen oder nur die Möglichkeit einer Atemluftprobe theoretisch erörtern wollte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1991, Zl. 91/02/0003). Diese Ausführungen haben auch für die Aufforderung zur Duldung einer Blutabnahme im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960 sinngemäß zu gelten.

Was die Verweigerung der Blutabnahme anlangt, wäre der Beschwerdeführer im Recht, sollte er tatsächlich lediglich geäußert haben, es sei ihm egal, ob eine Blutabnahme durchgeführt wird oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0183). Die belangte Behörde nahm aber als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe der Blutabnahme "nicht zugestimmt"; damit meinte sie, wie sich aus den weiteren Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, er habe die Blutabnahme verweigert. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf die Zeugenaussagen von zwei Gendarmeriebeamten. Sie übersieht aber dabei, daß es angesichts der Umschreibung der als erwiesenen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG in Ansehung von Tatort und Tatzeit darum geht, ob der Beschwerdeführer sein die Blutabnahme ablehnendes Verhalten bereits um 4.30 Uhr am Unfallort gesetzt hat. Diesbezüglich weichen die beiden Zeugenaussagen entscheidend voneinander ab: Aus der Zeugenaussage des RI. R. vom 27. April 1990 ergibt sich, daß sich die Verweigerung bereits am Unfallort ereignet haben soll und später im Krankenhaus einem neuerlichen, von einem Untersuchungsrichter fernmündlich angeordneten Verlangen nach einer Blutabnahme keine Folge gegeben worden sei. Der Zeuge RI. St. sagte hingegen am 3. Mai 1990 aus, daß der Beschwerdeführer auf die am Unfallort ausgesprochene Aufforderung hin mit einer Blutabnahme einverstanden gewesen sei, zu diesem Zweck ins Krankenhaus gebracht worden sei und erst dort seine Weigerung ausgesprochen habe. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Widerspruch nicht auseinandergesetzt. Sie hat vielmehr ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe die Blutabnahme bereits am Unfallort verweigert, auf beide Zeugenaussagen gegründet. Dies ist nicht schlüssig. Die belangte Behörde hätte begründen müssen, warum sie in diesem Punkt der einen und nicht der anderen Zeugenaussage folgt, oder sie hätte zur Auflösung dieses Widerspruchs ergänzende Sachverhaltsermittlungen anzustellen gehabt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, weil der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Im Hinblick auf das weitere Beschwerdevorbringen sei für das fortzusetzende Verfahren angemerkt, daß das Kennzeichen des vor der Verweigerung der Blutabnahme gelenkten Kraftfahrzeuges kein wesentliches Tatbestandselement einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO 1960 ist. Es hätte seiner Aufnahme in den Spruch gar nicht bedurft. Die Auswechslung des Kennzeichens im Spruch durch die belangte Berufungsbehörde kann schon aus diesem Grund keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers zur Folge haben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren lediglich S 360,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen, S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und S 30,-- für die der Beschwerde angeschlossene Kopie einer Vollmachtsurkunde) ersetzt werden konnten.

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenAlkotest VerweigerungAlkotest StraßenaufsichtsorganBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991020143.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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