TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/13 91/19/0039

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Veröffentlicht am 13.01.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
FrPolG 1954 §11 Abs2;
FrPolG 1954 §11 Abs4;
FrPolG 1954 §3;
FrPolG 1954 §6 Abs1;
FrPolG 1954 §6 Abs2;
FrPolG 1954 §8;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §52 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des G in der Türkei, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 5. September 1990, Zl. III 370-17915/90, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes und auf Bewilligung eines Vollstreckungsaufschubes, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde (Spruchpunkt I), wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

2. Im übrigen, d.h. soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes (Spruchpunkt II) richtet, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 2. Dezember 1987 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

2. Mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn gerichteten Schriftsatz vom 11. Mai 1990 beantragte der Beschwerdeführer, das Aufenthaltsverbot aufzuheben, "in eventu,

das Aufenthaltsverbot auf zwei Jahre herabzusetzen, in eventu,

das Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre herabzusetzen und dem Antragsteller vorerst einen Vollstreckungsaufschub und die Bewilligung für das Betreten des Bundesgebietes zu erteilen".

3. Mit Bescheid vom 5. September 1990 wies die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (die belangte Behörde) im Spruchpunkt I gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und im Spruchpunkt II gemäß § 6 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz den Antrag auf Erteilung eines Vollstreckungsaufschubes ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die endgültige Strafnachsicht bedeute nicht, daß die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen seien. Der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei daher nicht berechtigt. Der Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes sei abzuweisen gewesen, weil der Beschwerdeführer ohnedies Anfang 1988 durch die Ausreise in die Türkei den dem Aufenthaltsverbot entsprechenden Zustand hergestellt habe.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die der Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. Februar 1991, B 1209/90, zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.

1.1. Gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Zuständig für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist somit jene Behörde, die es erlassen hat. Wird - wie im Falle des Beschwerdeführers - der das Aufenthaltsverbot aussprechende erstinstanzliche Bescheid mit Berufung angefochten und entscheidet die Berufungsbehörde in der Sache selbst, so tritt der Berufungsbescheid an die Stelle der Entscheidung der Vorinstanz, die dadurch jede Wirkung verliert (siehe die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, unter Rz 543 und bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, unter E. Nr. 199 und 200 zu § 66 Abs. 4 AVG zitierte Rechtsprechung).

1.2. Das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer wurde somit nicht von der belangten Behörde, sondern von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassen. Diese Behörde ist daher für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zuständig. Dadurch daß die belangte Behörde über diesen Antrag meritorisch entschieden hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. das einen gleichgelagerten Fall betreffende Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/19/0440).

Diese Entscheidung bedeutet kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG, weshalb es nicht der Befassung eines verstärkten Senates bedurfte. Ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes läge nur dann vor, wenn die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen Anlaß bestünde, explizit in der Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ihren Niederschlag gefunden hätte (siehe Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 163). Zu der Frage, welche Behörde für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz zuständig ist, wenn das Aufenthaltsverbot von der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassen wurde, findet sich in der bisherigen Rechtsprechung keine ausdrückliche Aussage.

2.1. Gemäß § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz hat der Fremde, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, das Gebiet, in dem ihm der Aufenthalt verboten ist, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Er darf dieses Gebiet während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder betreten.

Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde die im Abs. 1 festgesetzte Frist bei Gefahr im Verzuge verkürzen oder aus Billigkeitsgründen verlängern. Ebenso kann sie die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes aus triftigen Gründen aufschieben. Der Aufschub kann an Bedingungen geknüpft oder mit Auflagen erteilt werden.

2.2. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß es sich bei der Erteilung einer Bewilligung zum Betreten des Bundesgebietes während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes und einem Vollstreckungsaufschub um zwei verschiedene Rechtsinstitute handelt. Dies zeigen auch die Vorschriften des § 11 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz, die in Ansehung der Abweisung diesbezüglicher Anträge einen unterschiedlichen Rechtszug vorsehen.

2.3. Nach dem unmißverständlichen Inhalt des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides wurde damit nur über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes abgesprochen. Damit im Einklang steht auch die Begründung, in der auf die im Jahre 1988 erfolgte Ausreise in die Türkei hingewiesen wird.

Ein darüber hinausgehender normativer Inhalt, insbesondere eine Entscheidung über die vom Beschwerdeführer beantragte Bewilligung für das Betreten des Bundesgebietes, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Diesbezüglich steht nach dem Akteninhalt die Entscheidung noch aus.

2.4. Die Beschwerde enthält zu der von der belangten Behörde gegebenen Begründung für die Abweisung des Antrages auf Bewilligung eines Vollstreckungsaufschubes keine Ausführungen. Der Beschwerdeführer meint vielmehr, er habe einen derartigen Antrag gar nicht gestellt. Dem steht jedoch der oben wiedergegebene Wortlaut seines Antrages entgegen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz erörtert, ist er auf die Ausführungen unter Pkt. II 2.3 zu verweisen.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Bewilligung eines Vollstreckungsaufschubes richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung eines weiteren Pauschalbetrages für Schriftsatzaufwand war - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in Ansehung des Spruchpunktes II nicht obsiegende Partei ist - schon deshalb nicht berechtigt, weil mit der Beschwerde nur ein Bescheid angefochten wurde, auch wenn dieser zwei trennbare Spruchteile enthielt. Ein Fall des § 52 Abs. 1 VwGG lag demnach nicht vor.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3 Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991190039.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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