TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/21 90/05/0076

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Veröffentlicht am 21.01.1992
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO Wr §129 Abs6;
B-VG Art131a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Z in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Magistrat der Stadt Wien betreffend die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

Spruch

Die vom Magistrat der Stadt Wien am 20. Juli 1989 auf der Liegenschaft Wien 17., X-Gasse 41, gegen den Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen (zwangsweise Räumung eines von ihm gemieteten Raumes und Verhinderung der Möglichkeit des Zutrittes zu demselben) waren rechtswidrig.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er sei Untermieter eines im Hause Wien 17., X-Gasse 41, gelegenen Raumes und habe diesen widmungsgemäß verwendet. Am 20. Juli 1989 seien Organe des Magistrates der Stadt Wien erschienen und hätten u.a. auch den von ihm gemieteten Raum zwangsweise geräumt sowie "eine Kette vor den Eingang des Hauses gehängt, sodaß ich nicht mehr zu meinem Mietobjekt gelangen konnte".

Die Behandlung dieser Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 7. März 1990, Zl. B 1057/89-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 34 Abs. 2 VwGG aufgetragenen Ergänzung seiner Beschwerde macht er sinngemäß im wesentlichen geltend, daß es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, den tatsächlichen Benützer des angeblich bewilligungswidrig verwendeten Raumes auszuforschen und an diesen Aufträge zu erteilen. Die belangte Behörde hätte ihn daher als Partei des Verfahrens behandeln, ihm eine Ladung zustellen und ein ordnungsgemäßes Verfahren durchführen müssen. Die titellose zwangsweise Räumung ohne Vorliegen eines Bescheides und ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens sei daher rechtswidrig gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde und die dazu erstattete Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über diese Beschwerde im Hinblick auf die bereits am 20. Juli 1989 gesetzten Maßnahmen und die rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zuständig ist (vgl. Art. III Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 330/1990 und Art. IX Abs. 2 der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, sowie das dieselben Maßnahmen betreffende hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/05/0008).

Bereits in diesem hg. Erkenntnis wurde unter Hinweis auf

die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 19. Februar 1991, Zl. 90/05/0165, auch ausgeführt, daß die u.a. ebenfalls am 20. Juli 1989 auf der erwähnten Liegenschaft gesetzten und teilweise auch den Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildenden Maßnahmen nicht als notstandspolizeiliche im Sinne des § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien zu qualifizieren sind, weshalb angesichts des gleichgelagerten Sachverhaltes auch im Beschwerdefall von deren Rechtswidrigkeit auszugehen ist. Daran vermag auch der von der belangten Behörde geltend gemachte Umstand nichts zu ändern, daß sich die auf die erwähnte Bestimmung der Bauordnung gestützten Sicherungsmaßnahmen nicht gegen den Beschwerdeführer, sondern gegen den Eigentümer des Gebäudes gerichtet haben, weil sie de facto auch einen Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers dargestellt haben, welcher als Folge dieser Maßnahmen an der weiteren Benützung des von ihm gemieteten Raumes gehindert war. Daß der Beschwerdeführer damit in bezug auf die Ausübung seines Bestandrechtes, also keines subjektiv-öffentlichen Rechtes, betroffen war, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, weil es sich bei der Verletzung subjektiver Rechte im Sinne des Art. 131a B-VG nicht nur um die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte, sondern auch um solche privatrechtlichen Charakters handeln kann, zumal das B-VG keine diesbezügliche Einschränkung vornimmt (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1979, Slg. N. F. Nr. 9745/A).

Die den Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildenden Maßnahmen haben sich daher in tatsächlicher Hinsicht jedenfalls auch gegen den Beschwerdeführer gerichtet und waren auch ihm gegenüber nicht durch die Rechtsordnung gedeckt, wobei die belangte Behörde mit ihrem Hinweis darauf, daß sich Maßnahmen gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien nur gegen den Eigentümer (Miteigentümer) eines Gebäudes richten können, für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen vermag, weil davon auszugehen ist, daß die im Beschwerdefall durchgeführten Maßnahmen, wie schon erwähnt, nicht als notstandspolizeiliche im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind. Bereits in dem schon erwähnten hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/05/0008, ist ausgeführt worden, daß das Einschreiten von Organen des Wiener Magistrats zwecks Behebung baupolizeilicher und sanitärer Übelstände nicht in der beschriebenen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hätte bestehen dürfen, sondern der Rechtslage entsprechende Aufträge zu erlassen gewesen wären, deren Vollstreckung sodann den vom Gesetz geforderten Zustand herbeigeführt hätte. Die in der Gegenschrift von der belangten Behörde hervorgehobenen sanitären Übelstände rechtfertigten nicht die Annahme einer "Gefahr im Verzuge" im Sinne des § 129 Abs. 6 leg. cit., weshalb die in Rede stehenden Maßnahmen auch gegenüber dem Beschwerdeführer nicht als rechtmäßig qualifiziert werden können.

Der Gerichtshof hatte daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 330/1990 auszusprechen, daß diese gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen rechtswidrig waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990050076.X00

Im RIS seit

21.01.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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