TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/23 91/06/0184

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Veröffentlicht am 23.01.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauO Tir 1989 §7 Abs1;
BauO Tir 1989 §7 Abs3;
BauO Tir 1989 §7 Abs4;
BauO Tir 1989 §7 Abs5 litb;
BauO Tir 1989 §7 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des HN in A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. August 1991, Zl. Ve-550-1755/5, betreffend die Abweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem (nach zweimaliger Aufhebung früherer Berufungsbescheide durch Vorstellungsbescheide der belangten Behörde) im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Juni 1991 wurde das Bauansuchen des Beschwerdeführers vom 16. Februar 1990 betreffend die Errichtung einer traufenseitigen Mantelschalung oberhalb des zweiten Obergeschoßes des in seinem Eigentum stehenden "Wohnhauses mit Fremdenzimmern" auf Gp. 51/13 der KG A, abgewiesen. Dieser Bescheid stützte sich im wesentlichen auf ein im Berufungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach die im Tekturplan dargestellte Mantelschalung an den Traufenseiten (d.i. an der Ost- und an der Westwand des Gebäudes) beginnend mit der Unterkante des Balkons des Dachgeschoßes 1,40 m vor die eigentliche Außenwand vorspringend bis unter das Vordach ausgeführt worden sei (nach dem Inhalt der Verwaltungsakten richtig: geplant worden sei). Diese Mantelschalung sei eine geschlossene Holzwand auf einer Unterkonstruktion mit stehenden Brettern. Der optische Eindruck sei der, als ob die Außenwand im Bereich des Dachgeschoßes "1,40 m über die darunter liegende Außenwand" (gemeint offenbar: 1,40 m vorspringend vor der eigentlichen Außenwand) ausgeführt worden sei (richtig: ausgeführt werden solle), um gleichsam dem Balkon des ersten Obergeschoßes "eine Decke" zu geben. Bei dem gegenständlichen Bauvorhaben (gemeint: für den Fall der Durchführung dieses Bauvorhabens) existierten nunmehr zwei Außenwände, nämlich jene, die im Untergeschoß an das natürliche Gelände anschließe und bis zur Unterkante Dachgeschoß reiche und jene Außenwand, die (gemeint: als Mantelschalung 1,40 m vorspringend) von der Unterkante Dachgeschoß bis zum Schnitt mit der Dachfläche reiche. Gemäß § 7 Abs. 2 TBO sei die Wandhöhe von der Schnittlinie zwischen der lotrecht verlängerten äußeren Wandflucht dieser Wand (d.i. der durch Mantelschalung entstehenden neuen Außenwand auf Höhe des Dachgeschoßes) und dem Gelände zu messen. Diese neue Außenwand verlaufe (fiktiv) bis zum Gelände 1,40 m vor der unteren (eigentlichen) Hauswand, wodurch beidseitig der Mindestabstand des Gebäudes (ergänze: zu den jeweiligen Grundgrenzen) unterschritten werde (die Abstandsberechnung wird näher ausgeführt).

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. August 1991 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 lit. b der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, beträgt der Mindestabstand von Gebäuden von den Grenzen gegenüber anderen Grundstücken als Verkehrsflächen (bezogen auf den Beschwerdesachverhalt) das 0,7-fache der Höhe der dieser Grundstücksgrenze zugekehrten Wand, jedenfalls aber 4 m.

Gemäß § 7 Abs. 5 lit. b TBO bleiben bei der Berechnung des Mindestabstandes von Gebäuden nach den Abs. 1 und 3 offene Balkone, Erker und ähnliche Bauteile, die nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsfläche hineinragen, außer Betracht.

Der Beschwerdeführer hat in seiner im Berufungsverfahren zum Gutachten des Bausachverständigen erstatteten Stellungnahme nicht bestritten, daß die gegenüber der "eigentlichen Hauswand" auf der West- und auf der Ostseite des Hauses vorspringende "Mantelschalung" in die jeweilige, vom Sachverständigen ermittelte Mindestabstandsfläche im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. b TBO hineinragt und daß diese Mantelschalung als eine geschlossene (über die gesamte jeweilige Fassadenlänge laufende) Holzwand bestehend aus senkrecht angeordneten Brettern auf einer Unterkonstruktion ruhend ausgeführt werden sollte. Von diesem Sachverhalt ging der Beschwerdeführer auch in seiner Vorstellung und in der vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde aus. Die in der Beschwerde (wie schon im Verwaltungsverfahren) gegen das Sachverständigengutachten erhobenen Einwände (der Sachverständige habe in Überschreitung seiner Kompetenzen auch die Rechtsfrage gelöst, ob die Mantelschalung ein privilegierter Bauteil nach § 7 Abs. 5 lit. b TBO sei und den optischen Eindruck teilweise unrichtig wiedergegeben) können demzufolge unerörtert bleiben, weil der Beschwerde schon auf dem Boden des unstreitigen Sachverhalts aus rechtlichen Gründen kein Erfolg beschieden sein kann:

Wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend erkennt, haben ALLE TEILE eines Bauwerkes die in § 7 Abs. 1 und 3 TBO normierten Mindestabstände von den Grundgrenzen einzuhalten, es sei denn, es handelt sich um "privilegierte Bauteile" im Sinne des § 7 Abs. 5 TBO, wobei - fallbezogen - nur der (oben wiedergegebene) Tatbestand der lit. b in Betracht kommt.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die geplante Holzverschalung des (das ganze Gebäude umlaufenden) Balkons an der West- und der Ostseite sei ein einem offenen Balkon bzw. einem Erker "ähnlicher Gebäudeteil" im Sinne der zitierten Rechtsvorschrift, weil er - im Hinblick auf die seitlich bestehende Durchgangsmöglichkeit zu den weiterhin offenen Teilen des Balkons (d.h. an der nord- und an der südseitigen Fassade des Hauses) - nicht raumbildend sei.

Bei der Frage, ob ein Gebäudeteil einem offenen Balkon bzw. einem Erker ähnlich ist, handelt es sich nicht um eine vom Sachverständigen zu beantwortende Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage, die von der Behörde zu lösen ist und der vollen Kognition des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265). Es ist daher ohne rechtliche Bedeutung, ob der Sachverständige diese Rechtsfrage in seinem Gutachten "gelöst" hat, wie der Beschwerdeführer meint.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. Mai 1980, Zl. 3174/78 (zur gleichlautenden Bestimmung des § 7 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 74/1974) ausgeführt hat, handelt es sich bei den durch diese Bestimmung privilegierten Bauteilen durchwegs um vorspringende - sei es horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes, denen der Charakter eines Raumes fehlt. Aus der Gegenüberstellung offener Balkone und Erker ergebe sich, daß der Gesetzgeber geschlossene Balkone ab einer bestimmten Größe nicht mehr der Ausnahmebestimmung habe unterstellen wollen. Im damaligen Beschwerdefall habe der (als Wintergarten vollständig verglaste) Balkon in einer Länge von 6 m und der Höhe eines Stockwerkes eine so kompakte Anlage gebildet, die nicht mehr als ein einem Erker ähnlicher Bauteil angesehen werden könne. Den nicht raumbildenden Charakter solcher (privilegierter) Gliederungen eines Bauwerkes hat der Verwaltungsgerichtshof seither mehrfach betont (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265, vom 22. September 1988, Zl. 86/06/0005, BauSlg. 1178, u.a.). Die Mantelschalung über die jeweilige ganze Länge der Fassade, die (und zwar schon nach der planlichen Darstellung) zum Eindruck einer geschlossenen Holzwand (wenn auch nur in der Höhe des Dachgeschosses bis zur Dachfläche reichend) führt, verschließt den Balkon optisch zur Gänze in einer Art und Weise, die es ausschließt, von einem "offenen Balkon" im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. b TBO zu sprechen. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, wenn - den Beschwerdebehauptungen zufolge - der freie Zugang zu den an den nord- und südseitigen Fassaden des Hauses verlaufenden, weiterhin offenen Teilen des Balkons weiterhin erhalten bliebe. Der durch die Verschalung entstehende Bauteil entspricht aber auch nicht einem Erker, da er sich - anders als dieser - jeweils über die gesamte Fassade erstreckt. Im Hinblick darauf, daß somit durch die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Bauführung ein Gebäudeteil entstünde, der sich sowohl von einem offenen Balkon als auch von einem Erker in grundlegender Weise unterscheidet, kann auch von einem ähnlichen Bauteil im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. b TBO nicht die Rede sein.

Das Bauansuchen des Beschwerdeführers wurde daher mangels Vereinbarkeit mit den Abstandsbestimmungen des § 7 Abs. 1 TBO zu Recht abgewiesen, weshalb sich auch der angefochtene Vorstellungsbescheid als frei von Rechtsirrtum erweist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060184.X00

Im RIS seit

23.01.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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