TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/23 91/06/0130

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Veröffentlicht am 23.01.1992
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4 litd;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs7;
GdO Stmk 1967 §101;
GdO Stmk 1967 §97 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des NN in H, BRD, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Februar 1991, Zl. 03-10 B 49-91/2, betreffend Nichtigeklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Februar 1991 hat die belangte Behörde den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. September 1989, mit welchem dem Beschwerdeführer auf Grundstück Nr. n1, KG P, eine Baubewilligung für die Errichtung eines Ferienhauses erteilt worden war, gemäß § 101 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 und 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG), LGBl. Nr. 127 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 15/1989, aus dem Grunde des § 68 Abs. 4 lit. d AVG behoben und als nichtig erklärt.

In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, daß ihr aufgrund einer Erhebung zur Kenntnis gelangt sei, daß die Erlassung des erwähnten Bescheides gegen die Ausweisung des genannten Grundstückes als Freiland im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde und somit gegen § 32 Abs. 1 ROG verstoße. Nach Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften wird in der Begründung dieses Bescheides weiter ausgeführt, aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß sich das gegenständliche Grundstück nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde im Freiland ohne Festlegung einer Sondernutzung befinde. Der gegenständliche Bescheid, dem eine Baubewilligung für ein Ferienhaus zugrunde liege, widerspreche daher eindeutig den gesetzlichen Bestimmungen, da eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung bei einem Ferienhaus offensichtlich nicht gegeben sei. Überdies habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde bereits mit Bescheid vom 2. Mai 1988 über dasselbe Bauansuchen unter Hinweis auf die Freilandwidmung negativ entschieden. Die nunmehr für nichtig erklärte Entscheidung des Bürgermeisters vom 19. September 1989 widerspreche daher (überdies) dem Grundsatz, daß in der derselben Angelegenheit nicht zweimal entschieden werden dürfe.

Zu der im Zuge des Parteiengehörs vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendung, die Gemeinde habe mit Gemeinderatsbeschluß vom 23. September 1988 das gegenständliche Grundstück in Aufschließungsgebiet für Ferienwohngebiet umgewidmet, führt die belangte Behörde aus, daß unabhängig davon, ob ein Gemeinderatsbeschluß in diesem Sinne gefaßt worden sei, gemäß § 29 Abs. 7 bzw. § 31 Abs. 3 ROG ein Flächenwidmungsplan und eine Änderung desselben ihr zur Genehmigung vorzulegen seien. Eine solche Vorlage sei nicht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 11. Juni 1991, B 365/91, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In einem vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Ergänzungsschriftsatz beantragt der Beschwerdeführer - der Sache nach - den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 32 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 idF der Novelle LGBl. Nr. 15/1989 (ROG) dürfen Verordnungen und Bescheide der Gemeinde aufgrund von Landesgesetze einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht widersprechen. Gemäß Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle sind (u.a.) entgegen der Vorschrift des Abs. 1 erlassene Bescheide innerhalb von drei Jahren nach Eintreten der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 1983 (genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Februar 1987) das verfahrensgegenständliche Grundstück im Freiland im Sinne des § 25 ROG liegt und die Errichtung eines Ferienhauses nach der genannten Gesetzesbestimmung nicht zulässig ist.

Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen im Ergänzungsschriftsatz vom 17. September 1991 gehen vielmehr dahin, daß die Behebung eines rechtskräftigen Bescheides im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG nur aufgrund von öffentlichen Interessen möglich sei, für welche die belangte Behörde jedoch einen Grund nicht genannt habe. Dem Beschwerdeführer sei aus dem rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid das Recht erwachsen, den Bau ausführen zu dürfen. Die Behebung dieses Bescheides sei nur mehr wegen Gefährdung der Gesundheit von Personen oder sonstigen öffentlichen Interessen möglich gewesen. Weiters hält der Beschwerdeführer daran fest, daß erst nach einer Änderung des Flächenwidmungsplanes (womit offensichtlich die Beschlußfassung des Gemeinderates vom 23. August 1988, auf welche der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren hingewiesen hat, gemeint ist) die Baubewilligung erteilt worden sei.

Beide Argumente verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg:

Was zunächst die behauptete Umwidmung durch Beschluß des Gemeinderates vom 23. August 1988 betrifft, so hat die belangte Behörde bereits in der Begründung ihres Bescheides (in Übereinstimmung mit dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten) darauf hingewiesen, daß es sich dabei allenfalls um eine Absichtserklärung des Gemeinderates, nicht aber um eine in der Folge rechtsgültig gewordene Änderung des Flächenwidmungsplanes gehandelt habe (vgl. in diesem Zusammenhang auch das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 26. September 1991,

Zlen. 91/06/0159, 0160).

Was den Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers durch Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides anlangt, so trifft zu, daß die Aufhebung eines Bescheides in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes im Sinne der §§ 96 ff der Steiermärkischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 115/1967 in der derzeit geltenden Fassung gemäß § 97 Abs. 2 dieses Gesetzes unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu erfolgen hat. Diese (inhaltlich § 119a Abs. 7 letzter Satz B-VG entsprechende) Rechtsvorschrift ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage zur Zl. 91/06/0166, 0175, zur gleichlautenden Bestimmung der Tiroler Gemeindeordnung ausgesprochen hat - auch im Verfahren zur Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß § 101 der Gemeindeordnung zu beachten. Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tage aber weiter ausgeführt hat, wird damit lediglich die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck angeordnet, nicht aber ein Vorrang der wirtschaftlichen Interessen Privater vor den öffentlichen Interessen, insbesondere jenen an der Einhaltung der Raumordnungsvorschriften.

Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers bedarf es keiner weiteren Erörterung, daß die Einhaltung der Raumordnungsvorschriften, insbesondere der Freilandwidmung zur Hintanhaltung der Zersiedelung der Landschaft einem gewichtigen öffentlichen Interesse entspricht. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde mit der Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides als (zwar) schärfstem Mittel der Gemeindeaufsicht, gleichwohl aber als im Beschwerdefall einzigen, zum Ziel führenden Mittel zur Hintansetzung der oben bezeichneten nachteiligen Auswirkungen vorgegangen ist (vgl. das bei ähnlicher Sach- und Rechtslage zum Tiroler Raumordnungsgesetz ergangene Erkenntnis vom 4. September 1980, Zl. 2996/79).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060130.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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