TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/31 91/10/0175

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Veröffentlicht am 31.01.1992
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 13. Juni 1991, Zl. Ia 909-58/90, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. September 1990 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, 1. sie habe am 10. Mai 1990 um 21.15 Uhr in Bregenz auf der R-Straße auf Höhe des Cafe "W" sich zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten, indem sie mit einem Mann einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt von S 500,-- vereinbart habe. Daraufhin sei sie gemeinsam mit dem Freier zum Parkplatz der Abbruchfirma K nach F gefahren, wo ihr der Freier das Entgelt in der Höhe von S 500,-- übergeben habe; 2. sie habe sich unter der Adresse R meldeamtlich angemeldet, obwohl sie dort keine Unterkunft bezogen habe. Sie habe dadurch Verwaltungsübertretungen 1. nach den §§ 18 Abs. 1 lit. c und 4 Abs. 1 Sittenpolizeigesetz, Vorarlberger LGBl. Nr. 6/1976, und

2. nach § 16 Z. 2 Meldegesetz begangen. Es wurden Geldstrafen von 1. S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) und

2. S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt.

Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gab die belangte Behörde, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung des Sittenpolizeigesetzes richtete, mit Bescheid vom 13. Juni 1991 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis der Erstbehörde mit der Maßgabe, daß der Satz "Daraufhin fuhren Sie gemeinsam mit dem Freier zum Parkplatz der Abbruchfirma K nach F, wo Ihnen der Freier das Entgelt in der Höhe von S 500,-- übergab" zu entfallen hatte.

In der Begründung ihres Bescheides nahm die belangte Behörde folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 10. Mai 1990 um 21.15 Uhr habe sich die Beschwerdeführerin in Bregenz neben der R-Straße auf Höhe des Cafe W befunden und versucht, Kraftfahrzeuge anzuhalten. Diese Tätigkeit habe sie immer wieder unterbrochen und sei zu den Schaufenstern der dortigen Schuhhandlung zurückgekehrt. Um

21.15 Uhr habe A auf ihrer Höhe angehalten, worauf die Beschwerdeführerin nach einem kurzen Gespräch zu ihm ins Fahrzeug gestiegen sei. Im Fahrzeug habe sich die Beschwerdeführerin dem Lenker gegen ein Entgelt von S 500,-- zum Geschlechtsverkehr angeboten. Nachdem dieser einverstanden gewesen sei, seien sie gemeinsam nach F zur "Autoabbruchfirma" K gefahren. Dort habe A der Beschwerdeführerin S 500,-- übergeben, worauf sie ihm ein Präservativ übergeben und sich ausgezogen habe. Die Beschwerdeführerin habe überdies - unbestritten - eine größere Anzahl von Präservativen mit sich geführt. Sie habe sich in der Absicht zur Unzucht angeboten, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Diese Feststellung stütze sich auf ihr gesamtes, durchaus als professionell zu bezeichnendes Vorgehen. Insbesondere lasse auch die Tatsache, daß sie eine größere Anzahl von Präservativen mit sich geführt habe, darauf schließen, daß sie es nicht dabei bewenden lassen habe wollen, ein einziges Mal gegen Entgelt einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Sie habe der Behörde keinerlei Angaben über ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse gemacht. Auf Grund der Aktenlage stehe lediglich fest, daß sie verheiratet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt erachtet, unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht der Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c Sittenpolizeigesetz erwähnten § 16 Z. 2 Meldegesetz schuldig erkannt und bestraft zu werden. Gleichzeitig habe die Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei dessen Beachtung sie zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, § 66 Abs. 4 AVG biete nur die Grundlage dafür, daß die Berufungsbehörde den von der Behörde erster Rechtsstufe zugrunde gelegten Sachverhalt anders als diese beurteile. Die zweite Instanz könne also im Rahmen dieser Befugnis die Auswechslung rechtlicher Erwägungen aussprechen. Im vorliegenden Falle habe die Behörde zweiter Instanz aber wesentlich mehr tatsächliche Feststellungen getroffen als die Unterinstanz und habe hiebei die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten. Abweichend vom erstinstanzlichen Bescheid habe die belangte Behörde festgestellt, daß sich die Beschwerdeführerin in der Absicht zur Unzucht angeboten habe, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Diese Feststellung sei nicht statthaft und lediglich ein Schluß aus den zuvor getroffenen Feststellungen. Abgesehen davon, daß der gesamte Sachverhalt nicht festgestellt hätte werden dürfen, sondern von dem Sachverhalt auszugehen gewesen sei, der im Straferkenntnis festgestellt worden sei, sei aus den Feststellungen nicht ableitbar, daß sich die Beschwerdeführerin in der Absicht zur Unzucht angeboten habe, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Es gehe nicht an, allein aus der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin eine größere Anzahl von Präservativen mit sich geführt habe, zu schließen, sie gehe der Unzucht nach. Hätte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, wie vorgeschrieben, tatsächlich zum ganzen Vorfall einvernommen, so hätte sie sich einen persönlichen Eindruck verschaffen können und wäre zweifelsfrei zur Ansicht gelangt, daß die Beschwerdeführerin wirklich nicht der Prostitution nachgehe. Die belangte Behörde habe es auch verabsäumt, über die Berufung gegen jenen Teil des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abzusprechen, mit dem die Beschwerdeführerin eine Übertretung nach dem Meldegesetz schuldig erkannt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 66 Abs. 1 AVG - diese Bestimmung findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde berechtigt war, über das erstinstanzliche Verfahren hinausgehende Sachverhaltsfeststellungen in der selben Sache vorzunehmen. Sie hat der Beschwerdeführerin auch Gelegenheit geboten, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, die belangte Behörde hätte Feststellungen, die sich aus dem Akt ergaben, aber nicht im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthalten waren, nicht in ihren Bescheid aufnehmen dürfen ist sie auf § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG iVm § 24 VStG zu verweisen. Danach ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Zu Recht ging die belangte Behörde von der Gewerbsmäßigkeit der Prostitution der Beschwerdeführerin aus.

§ 4 Abs. 1 und 3 Vorarlberger Sittenpolizeigesetz lautet:

"(1) Die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu ist, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten.

...

(3) Gewerbsmäßig ist die Unzucht, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen."

Eine Wiederholung der Tat ist somit nicht erforderlich, es genügt die Verübung auch nur einer einzigen Tat, sofern die Absicht, daraus eine Quelle wiederkehrenden Einkommens zu haben, bei dieser Gelegenheit zutage tritt. Das Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit kann daher auch bei einer einmaligen Handlung dann als erfüllt angesehen werden, wenn sie in der Absicht ausgeübt wird, sich dadurch eine ständige oder doch für längere Zeit wirkende (zusätzliche) Einnahmsquelle zu verschaffen und dies in der einen Tathandlung zum Ausdruck kommt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1984, Zl. 84/10/0033, zum Tiroler Landes-Polizeigesetz). Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde im Rahmen der ihm zustehenden beschränkten Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht entgegentreten, wenn sie meint, das gesamte Verhalten der Beschwerdeführerin anläßlich der einer festgestellten Tathandlung entspreche dem einer professionellen Prostituierten und es sei daraus ihre Absicht anläßlich einer festgestellten Tathandlung zu erkennen, sich aus dieser Tätigkeit eine Quelle wiederkehrenden Einkommens zu verschaffen.

Aus dem Einwand, sie sei verheiratet; aus diesem Grunde sei ja für ihren Unterhalt gesorgt, da ihr Ehegatte für sie unterhaltspflichtig sei, ist für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sie bei ihrer Einvernahme durch die Gendarmerie nicht einmal in der Lage war, nähere Angaben hinsichtlich ihres Ehemannes (Geburtsdatum, Arbeitgeber, Wohnort etc.) zu machen.

Über die Berufung gegen jenen Teil des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, der die Übertretung nach dem Meldegesetz betraft, hatte nicht die belangte Behörde, sondern die Sicherheitsdirektion zu entscheiden.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100175.X00

Im RIS seit

25.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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