TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/11 92/11/0036

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Veröffentlicht am 11.02.1992
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §79 Abs5;
ÄrzteG 1984 §79 Abs6;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art18 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §43 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Dr. C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 18. Oktober 1990, Zl. Dr.M/Ke, betreffend Beitragsnachzahlung zum Wohlfahrtsfonds, die belangte Behörde vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter dem Datum 9. Juni 1989 erließ der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien einen Bescheid dahin, daß der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Mai 1989 auf Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung bzw. § 78 Abs. 2 und 3 des Ärztegesetzes abgewiesen werde. Über die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erließ der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (in der Folge als Beschwerdeausschuß bezeichnet) unter dem Datum des 1. August 1989 einen bestätigenden Bescheid. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zu Zl. 89/18/0146 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 19. März 1990 wurde der genannte Bescheid des Beschwerdeausschusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 2. Mai 1990, ausgefertigt unter dem Datum 25. Juni 1990, wurde der von der Beschwerdeführerin zu zahlende Nachzahlungsbetrag gemäß § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Zeit vom 1. Februar 1985 bis 30. September 1988 mit S 64.059,30 festgesetzt und die Zahlung der Beschwerdeführerin binnen vier Wochen vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin bekämpfte auch diesen Bescheid mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 90/18/0159. Nach Einleitung des Vorverfahrens kam der Beschwerdeausschuß am 18. Oktober 1990 zu folgender Beschlußfassung:

Der vorerwähnte Bescheid vom 2. Mai 1990, ausgefertigt unter dem Datum 25. Juni 1990, wird in Anwendung des § 62 Abs. 4 und des § 68 Abs. 2 AVG dergestalt berichtigt und abgeändert, daß der Spruch insgesamt wie folgt zu lauten habe:

"Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hat mit Bescheid vom 5. Juni 1989, ausgefertigt mit dem Schreiben der Ärztekammer für Wien vom 9. Juni 1989, Zl. Dr. M/Ke, den von Frau Dr. C gestellten Antrag vom 10. Mai 1989 um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung bzw. § 78 Abs. 2 und 3 des Ärztegesetzes abgewiesen.

Über die dagegen von Frau Dr. C, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. A, rechtzeitig eingebrachte Berufung entscheidet der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG wie folgt:

Der angefochtene Bescheid wird behoben.

Gleichzeitig wird in der Sache selbst erkannt:

Der Nachzahlungsbetrag gemäß § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Zeit vom 1. Februar 1985 bis 30. September 1988 wird mit S 64.059,30 festgesetzt und ist binnen vier Wochen zu bezahlen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde hatte der Gerichtshof auch die Frage der gesetzmäßigen Beschlußfassung des Beschwerdeausschusses am 18. Oktober 1990 zu prüfen.

Die hiebei maßgebenden Absätze 5 und 6 des § 79 Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373, lauten:

"(5) Der Beschwerdeausschuß besteht aus einem Vorsitzenden und vier weiteren Mitgliedern. Für den Vorsitzenden und die Mitglieder sind Stellvertreter zu bestellen. Von der Vollversammlung sind für die Dauer ihrer Funktionsperiode der Vorsitzende und sein Stellvertreter mit einfacher Stimmenmehrheit, die weiteren Mitglieder und deren Stellvertreter in je einem Wahlgang nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts, jeweils aus dem Kreis der Kammerangehörigen, zu wählen. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses dürfen dem Kammervorstand, dem Verwaltungsausschuß und dem Überprüfungsausschuß nicht angehören.

(6) Der Beschwerdeausschuß entscheidet mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig, der Vorsitzende stimmt zuletzt ab. Die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses sind endgültig und können durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht angefochten werden."

Der unter der Überschrift "Der Beschwerdeausschuß."

stehende § 43 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (beschlossen in der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien am 15. Dezember 1970 und kundgemacht in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, Sondernummer April 1971) bestimmt in seinem Abs. 1:

"(1) Der Beschwerdeausschuß besteht aus einem Vorsitzenden und vier weiteren Mitgliedern. Der Beschwerdeausschuß hat eine rechtskundige Person zu den Sitzungen beizuziehen. Für den Vorsitzenden und die Mitglieder sind Stellvertreter zu bestellen. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses werden auf Vorschlag des Kammervorstandes von der Vollversammlung für die Dauer ihrer Funktionsperiode nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes gewählt. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses dürfen dem Kammervorstand, dem Verwaltungsausschuß und dem Überprüfungsausschuß nicht angehören. Zur Beschlußfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern erforderlich."

Auf Grund des vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß dieses Beschwerdefalles gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG gestellten Verordnungsprüfungsantrages (A 51/91) hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, V 92/91, den letzten Satz des § 43 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mangels gesetzlicher Ermächtigung das Anwesenheitsquorum in der Satzung abweichend vom Gesetz zu regeln, als gesetzwidrig auf.

Zur gesetzlichen Regelung führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"§ 79 Abs. 5 ÄrzteG regelt die Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses; in § 79 Abs. 6 ÄrzteG findet sich die Bestimmung, daß der Beschwerdeausschuß mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen (eine Stimmenthaltung ist unzulässig) entscheidet. Eine explizite Regelung über das Anwesenheitsquorum enthält das Gesetz nicht. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 7837/1976 und 10595/1985 ausgesagt hat, kann eine Kollegialbehörde ihren Willen nur durch Beschluß bilden, der durch Abgabe der Stimmen der Mitglieder zustande kommt. Sagt der Gesetzgeber - wie im vorliegenden Fall - über das Anwesenheitsquorum nichts aus, so ist eine Kollegialbehörde nur bei Anwesenheit aller ihr zugehörigen Mitglieder fähig, einen Beschluß zu fassen (vgl. VfSlg. 3086/1956, 7837/1976)."

Gemäß Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz B-VG ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verordnung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Die Aufhebung des letzten Satzes des § 43 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wirkt auf den vorliegenden Beschwerdefall dergestalt zurück, daß dieser so zu entscheiden ist, als ob die aufgehobene Bestimmung bereits im Zeitpunkt der Konkretisierung des maßgebenden Sachverhaltes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte. Das bedeutet, daß die Beschlußfähigkeit des Beschwerdeausschusses entsprechend dem § 79 Abs. 5 Ärztegesetz 1984 nur bei Anwesenheit aller fünf Mitglieder gegeben gewesen wäre.

Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, welches mit dem Inhalt der Verwaltungsakten, insbesondere mit der Niederschrift über die Sitzung des Beschwerdeausschusses vom 18. Oktober 1990 übereinstimmt, erfolgte die einstimmige Beschlußfassung des angefochtenen Bescheides durch die Mitglieder des Beschwerdeausschusses Dr. X als stellvertretendem Vorsitzenden, Dr. B, Dr. D und Dr. Y. Anwesend war ferner der - nicht dem Beschwerdeausschuß angehörende - stellvertretende Kammeramtsdirektor Dr. Z (siehe Schriftsatz der belangten Behörde vom 18. Februar 1991).

Da bei der Sitzung vom 18. Oktober 1990 nur vier der fünf Mitglieder des Beschwerdeausschusses anwesend waren, hat diese Kollegialbehörde in unvollständiger Besetzung entschieden. Der angefochtene Bescheid ist als von einer unzuständigen Behörde erlassen anzusehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1975, Slg. 8782/A).

Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110036.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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