TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/19 92/14/0014

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Veröffentlicht am 19.02.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/01 Handelsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §188 Abs1 litb;
BAO §188;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §81 Abs1;
HGB §109;
HGB §125;
HGB §161;
HGB §163;
HGB §170;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der F-GmbH & Co KG in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 20. November 1991, Zl. 4/42/1-BK/R-1991, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung von Einkünften für 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft und deren Gesellschafter beantragten am 16. September 1991 die Wiederaufnahme des im Instanzenzug durch Bescheid der belangten Behörde im Jahre 1990 auf Grund einer Betriebsprüfung des Jahres 1989 erledigten Feststellungsverfahrens gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO, in dem die Ergebnisverteilung zwischen den Gesellschaftern nicht strittig war, aus dem Grund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO mit der Begründung, die Urkunde über den Gesellschaftsvertrag vom 27. Dezember 1983, die dem Finanzamt zwei Tage später angezeigt wurde, sei im Zuge einer Übersiedlung zur Zeit der Betriebsprüfung in Verstoß geraten. Unter Berücksichtigung des Inhaltes des Gesellschaftsvertrages hätte sich eine andere Gewinnverteilung - nämlich keine Gewinnzuteilung an die Kommanditistin - ergeben.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag ab. Die Geltendmachung der nach Behauptung des Wiederaufnahmswerbers neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel sei im seinerzeitigen Verfahren nicht ohne Verschulden der Partei unterblieben, weil der Personengesellschaft sowohl bei Einreichung der Abgabenerklärungen als auch vor Ergehen der Berufungsentscheidung die Gewinnverteilung laut Gesellschaftsvertrag bekannt gewesen sei. Der Verlust der Urkunde hätte die Partei nicht daran gehindert, den Vertragsinhalt im Verfahren darzulegen und eine Ablichtung der seinerzeit dem Finanzamt angezeigten Vertragsurkunde herzustellen und vorzulegen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Partei der Inhalt des Vertrages bekannt sein müssen. Der Wiederaufnahmswerber habe außerdem Angaben über die Rechtzeitigkeit seines Antrages unterlassen, weshalb dem Antrag schon aus diesem Grund kein Erfolg hätte beschieden sein können.

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens und in ihrem Recht auf gesellschaftsvertragskonforme Zuteilung des Gewinnes auf die einzelnen Gesellschafter verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In ihrem Recht auf gesellschaftsvertragskonforme Zuteilung des Gewinnes auf die einzelnen Gesellschafter kann die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft schon deshalb nicht verletzt sein, weil es sich beim angefochtenen Bescheid um einen rein verfahrensrechtlichen Bescheid handelt, der über die Gewinnzuteilung überhaupt nicht abspricht. Es ist daher nur noch auf den zweiten Beschwerdepunkt einzugehen.

§ 303 Abs. 1 lit. b BAO bindet das Recht auf Wiederaufnahme auch an das Fehlen eines Verschuldens des Wiederaufnahmswerbers am Unterbleiben der Geltendmachung der Tatsachen oder Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren. Wie alle anderen Wiederaufnahmsvoraussetzungen ist auch diese vom Wiederaufnahmswerber aus eigenem Antrieb in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen. Als Beschwerdeführer treten vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die Kommanditgesellschaft auf und nicht die einzelnen Gesellschafter. Für den Beschwerdeerfolg ist daher im Hinblick auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur entscheidend, ob der Wiederaufnahmsantrag der Kommanditgesellschaft von der belangten Behörde ohne Verletzung der Rechte der Kommanditgesellschaft abgewiesen wurde, und nicht, ob die Wiederaufnahmsanträge der Gesellschafter zu Unrecht abgelehnt wurden. Es hätte daher eines konkreten und schlüssigen Vorbringens im Antrag des Wiederaufnahmswerbers (Kommanditgesellschaft) bedurft, daß alle zur Vertretung der Kommanditgesellschaft berufenen Personen unverschuldet auf den für die Gewinnzuteilung 1985 und 1986 maßgeblichen Inhalt des Gesellschaftsvertrages bis zur Entscheidung der belangten Behörde über die Feststellung gemäß § 188 BAO vergessen hätten. Ein solches Vorbringen der Beschwerdeführerin vor den Verwaltungsbehörden im Wiederaufnahmsantrag wird in der Beschwerde nicht behauptet und ist auch der ihr beiliegenden Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmbar.

Die zur Vertretung einer Personengesellschaft berufenen physischen Personen trifft die Pflicht, den Inhalt des Gesellschaftsvertrages zu kennen, und zwar auch dann, wenn vorübergehend die Originalurkunde des Vertrages in Verstoß geraten sein sollte. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anhaltspunkt dafür geboten, daß nicht jederzeit eine Rekonstruktion des Vertragsinhaltes anhand von Zweitschriften der Vertragsurkunde oder durch Befragen der bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages anwesenden Personen möglich gewesen wäre. Darüberhinaus lieferte das Vorbringen der beschwerdeführenden Wiederaufnahmswerberin nach deren Darstellung in der Beschwerde und der Darstellung im angefochtenen Bescheid auch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß Umstände vorgelegen seien, die das Vergessen des Vertragsinhaltes durch die vertretungsbefugten Personen der Gesellschaft als nicht vorwerfbar erscheinen lassen könnte.

Die Ausführungen in der Beschwerde über die Fähigkeiten ("Wissen und Bemühung") der Kommanditistin gehen an der Sache vorbei, weil für die Rechte der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft aus § 303 Abs. 1 lit. b BAO ein Vergessen der Kommanditistin allein unwesentlich ist.

In Ermangelung eines die Schuldlosigkeit der Vertreter der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft nachweisenden Sachvortrages durch die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft vor den Verwaltungsbehörden erweist sich auch der Beschwerdevorwurf unberechtigt, die belangte Behörde habe einen "all zu strengen Maßstab angelegt".

Die belangte Behörde hat auch richtig erkannt, daß der Umstand, die Originalurkunde des Gesellschaftsvertrages sei vorübergehend in Verstoß geraten, schon deshalb keinen Wiederaufnahmsgrund darstellt, weil die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft schon allein durch den Hinweis auf die Anzeige des Vertrages beim Finanzamt den Nachweis des behaupteten Vertragsinhaltes hätte anbieten und damit erbringen können. Daß der Beweis der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Vereinbarung über die Gewinnverteilung nur durch die Originalurkunde hätte erbracht werden können, wird selbst in der Beschwerde nicht behauptet, sondern hier im Gegenteil darauf hingewiesen, es sei "kaum glaublich, daß die Finanzbehörde eine derartige, zwischen Ehegatten bestehende Kommanditgesellschaft geprüft haben könnte, ohne Einsicht in den beim Finanzamt aufliegenden Gesellschaftsvertrag zu nehmen".

Versäumnisse des Finanzamtes im Zuge des rechtskräftig abgeschlossenen Feststellungsverfahrens bilden aber für sich allein keinen Wiederaufnahmsgrund, der dem Abgabepflichtigen einen Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens verschaffte.

Eine Verletzung von Rechten der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft durch den angefochtenen Bescheid liegt daher im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht vor.

Es erübrigte sich deshalb ein Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde mit ihrer Eventualbegründung im Recht ist, im Wiederaufnahmsantrag sei dessen Rechtzeitigkeit nicht dargetan worden.

Es ließ daher bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die von der beschwerdeführenden Gesellschaft behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992140014.X00

Im RIS seit

17.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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