TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/25 88/07/0029

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Veröffentlicht am 25.02.1992
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 10. Dezember 1987, Zl. LAS-109/4, betreffend Einspruch gegen einen Beschluß einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: AGRARGEMEINSCHAFT G, vertreten durch den Obmann F in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Juli 1987 wies das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) gemäß § 37 Abs. 1 und 2 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG), den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Beschluß des Ausschusses der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Agrargemeinschaft vom 2. Dezember 1986, Tagesordnungspunkt 5, betreffend den Verkauf von Christbäumen durch den Waldaufseher, als unbegründet ab.

Die Berufung des Beschwerdeführers wurde vom Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) in Verbindung mit § 37 TFLG abgewiesen. Begründend führte die Rechtsmittelbehörde unter Bezugnahme auf die zuletzt angeführte Gesetzesbestimmung aus:

Der Landesagrarsenat habe zu prüfen gehabt, ob der Ausschußbeschluß vom 2. Dezember 1986 über den Verkauf von Christbäumen die Interessen der Mitbeteiligten gröblich verletze und damit dem Gebot der Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung zuwiderlaufe. Dabei sei davon auszugehen, daß eine Agrargemeinschaft ein Selbstverwaltungskörper sei, der seine Angelegenheiten grundsätzlich selbst lenken und leiten könne. Ein Eingriff in diese Selbstverwaltung durch die Aufsichtsbehörde wäre daher nur möglich, wenn die Agrargemeinschaft wirtschaftliche Dispositionen zum groben Nachteil der Anteilsberechtigten träfe. Dies sei jedoch nach Ansicht des Landesagrarsenates hier nicht der Fall. Wie das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren (insbesondere das Gutachten des im Berufungsverfahren beigezogenen forstlichen Amtssachverständigen vom 17. November 1987) ergeben habe, verkaufe der Waldaufseher der Gemeinde G Herr J als Privatperson jährlich auf eigene Rechnung zwischen 250 und 300 Stück Christbäume, die nicht ausschließlich aus den Waldungen der Mitbeteiligten stammten. Der Verkaufserlös betrage durchschnittlich S 65,-- pro Baum. Für die Abfuhr eines Christbaumes, der als Durchforstungsholz anfalle, aus dem Wald wäre eine Zeit von 20 Minuten pro Baum erforderlich. Wenn man den Stundenlohn eines Waldaufsehers mit S 70,-- brutto, was innerbetrieblich Lohnkosten von ca. S 115,-- entspreche, annehme, resultierten daraus pro Baum Lohnkosten in der Höhe von S 38,--. Dazu kämen noch die Gerätekosten (Motorsäge und Traktor), welche mit S 5,-- pro Baum anzusetzen seien. Ebenfalls zu berücksichtigen seien die Kosten für den Manipulationsplatz und den Verkauf, welche man mit S 2,-- pro Baum zu veranschlagen habe, sodaß sich pro Baum durchschnittlich Gesamtkosten von S 45,-- pro Stück ergäben. Wenn man von einem Verkauf von jährlich 300 Bäumen ausgehe und pro Baum S 65,-- erzielt würden, ergebe sich nach Abzug der Spesen ein Verkaufserlös von S 20,-- pro Baum und bei 300 Bäumen ein Verkaufserlös von S 6.000,-- für den Waldaufseher. Dabei sei aber zu berücksichtigen, daß die Mitbeteiligte, wenn sie den Christbaumverkauf selbst durchführte, dieselben Lohnkosten für die Ausbringung aus dem Wald, aber noch zusätzlich die Kosten für die Vermarktung am Marktplatz zu tragen hätte. Dazu komme, daß der Waldaufseher jedem Mitglied der Mitbeteiligten, das seien 104 Personen, einen Christbaum gratis zur Verfügung zu stellen habe. Im Jahre 1982 sei die Christbaumvermarktung unter Aufsicht und im Beisein des Obmannes durchgeführt worden. Auch der Waldaufseher habe ständig mitgearbeitet. Mit Arbeitsschichten hätten auch verschiedene Mitglieder der Mitbeteiligten geholfen. Es seien sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf der Christbäume notiert worden. Nach Abzug der Leistungen für diverse Arbeitsschichten (durch die Mitglieder), wobei man den innerbetrieblichen Preis von lediglich S 60,-- pro Arbeitsstunde angesetzt habe, sei ein Erlös von S 6.000,-- verblieben (der dem Gutachten zufolge dem Waldaufseher für dessen Arbeitsleistung zuerkannt wurde). Dabei sei zu bedenken, daß bei extremen Verhältnissen vor Weihnachten (hoher Schnee) die Kosten für die Gewinnung eines Christbaumes wesentlich höher sein könnten, die dann von der Mitbeteiligten zu tragen wären. Der Landesagrarsenat sei daher der Ansicht, daß diese bei einem Selbstverkauf der Christbäume auch das Risiko der höheren Kosten zu tragen hätte und ihr schließlich nur ein Arbeits- und Organisationsaufwand bliebe, der ihr aber letztlich nichts einbrächte. Die Berufungsbehörde sei daher in Übereinstimmung mit der AB der Ansicht, daß durch den Ausschußbeschluß vom 2. Dezember 1986, dem Waldaufseher zu gestatten, aus dem Besitz der Mitbeteiligten jährlich 300 Christbäume verkaufen zu dürfen, der Grundsatz der pfleglichen Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens nicht verletzt worden sei.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich der Beschwerdeführer nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Stattgebung seines Einspruches und aufsichtsbehördliche Aufhebung des bekämpften Ausschußbeschlusses verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der vom Beschwerdeführer bekämpfte Beschluß des Ausschusses der Mitbeteiligten vom 2. Dezember 1986 (Tagesordnungspunkt 5. "Neuerliche Beschlußfassung über den Verkauf von Christäumen durch den Waldaufseher") lautete:

"Der Ausschuß beschließt einstimmig, daß die Mitglieder den Christbaum gratis erhalten.

Von 300 Christbäumen kann der Waldaufseher den Erlös behalten, von den restlichen Christbäumen muß der Waldaufseher 15 S pro Stück der Agrargemeinschaft abliefern. Ausdrücklich wird festgehalten, daß der Waldaufseher nur das Durchforsten als Arbeitsleistung verbuchen kann, die Lieferung und der Verkauf gehen zu Lasten des Waldaufsehers."

Gemäß § 11 Abs. 2 der Satzung der Mitbeteiligten können deren Mitglieder während der Dauer des nach Abs. 1 dieses Paragraphen vorgesehenen öffentlichen Anschlages der Ausschußbeschlüsse gegen solche schriftlich Einspruch an die Agrarbehörde erheben. Diese Satzungsbestimmung ist in Verbindung mit dem Gesetz in dem Sinn zu verstehen, daß es sich dabei um eine - durch den Einspruch zur "Streitigkeit" werdenden - Frage handeln muß, die das "Mitgliedschaftsverhältnis" betrifft; denn nur insofern ist gemäß § 37 Abs. 2 TFLG die Agrarbehörde zur Entscheidung (Streitschlichtung) berufen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt im vorliegenden Fall den von der belangten Behörde im Einklang mit dem Beschwerdeführer in Form der einschlußweisen - da nicht weiter erörterten - Bejahung dieser Voraussetzung vertretenen Standpunkt, weil der Beschwerdeführer als Gemeinschaftsmitglied durch die von ihm behauptete Verletzung der Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung seitens der (insofern durch den Ausschuß repräsentierten) Mitbeteiligten in der Erfüllung der seinem Anteil entsprechenden Ansprüche an das Gemeinschaftsvermögen verkürzt sein könnte.

Der Beschwerdeführer bringt im einzelnen zunächst vor, die Agrarbehörden hätten bei der Prüfung der fraglichen Regelung des Christbaumverkaufes einen entscheidenden Punkt unberücksichtigt gelassen (und dessen Vernachlässigung auch nicht begründet), nämlich jenen, daß der bei der Mitbeteiligten ganzjährig halbtägig als Waldarbeiter beschäftigte Waldaufseher vereinbarungsgemäß die Zeit der aus Arbeitsmangel im Winter nicht geleisteten Arbeit ("versäumte Stunden") im Sommerhalbjahr einzubringen habe, dazu aber gar nicht in der Lage sei, so daß die danach offenbleibenden Stunden auf den Christbaumverkauf angerechnet werden müßten, die damit zusammenhängenden Arbeiten die Mitbeteiligte also nicht zusätzlich finanziell belasten dürften, sondern als im Dienst der Mitbeteiligten geleistet zu werten seien. Dazu ist zu bemerken, daß bereits in der Begründung des Bescheides der AB darauf hingewiesen wurde, die mit der Gewinnung von Christbäumen zusammenhängenden Arbeiten könnten in Anbetracht des beabsichtigten Verkaufes erst im Dezember vorgenommen werden (während sonst Jungbäume im Rahmen der Durchforstung schon früher umgeschnitten und liegen gelassen würden); dabei wurde auf die in diesem Zusammenhang von der Mitbeteiligten vertretene Ansicht Bezug genommen, man könne (im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses vom Waldaufseher) nicht verlangen, daß mit dem Durchforsten bis Dezember zugewartet werde. Dieses Argument ist in dem im Berufungsverfahren erstatteten Sachverständigengutachten insofern näher ausgeführt worden, als einerseits an die (für die Waldarbeiten im ungünstigen Sinn) veränderte Wetterlage kurz vor Weihnachten (die zu einer Verteuerung durch "Wetterschichten" führe) erinnert ("Bei Schneelage wird sowohl das Fortkommen innerhalb des Bestandes als auch das Aussortieren der am Boden liegenden Bäumchen behindert") und andererseits auf den Anfall von Über- oder Feiertagsstunden bei derartigen Terminarbeiten aufmerksam gemacht wurde, während bei der getroffenen Regelung das (damit zusammenhängende finanzielle) Risiko bei der Christbaumgewinnung nicht die Mitbeteiligte, sondern den Waldaufseher treffe, der unter Umständen am Wochenende arbeiten müsse. Es wurde ferner im Gutachten unter Hinweis auf die bestehenden Arbeitskontrollen betont, daß der Waldaufseher keineswegs die Halbtagstätigkeit für die Mitbeteiligte als Forstarbeiter nicht zur Gänze erfülle. Dabei wurde im Gutachten auch betont, daß das Verkaufen von Christbäumen nicht zu den Tätigkeiten eines Forstarbeiters gehöre. Bereits in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde auch aufgezeigt, daß trotz steigender Bevölkerungszahl nicht mehr Christbäume an Nichtmitglieder verkauft werden könnten und daher nicht dadurch ein größerer Erlös erzielbar wäre, da in steigendem Maß von der Bevölkerung Tannenbäume gewünscht würden, im Gemeinschaftswald aber nur Fichtenbäume zur Verfügung stünden, was auch im Gutachten bestätigt wurde. In diesem letzteren wieder ist hervorgehoben worden, daß nur ein Teil der umgeschnittenen Bäumchen als Christbäume verwendet werden könne, weil Fehler oft erst nach dem Aufnehmen vom Boden erkannt würden, und daß auch die Möglichkeit eines Verkaufes an gewerbliche Christbaumhändler in Anbetracht von deren sehr hohen Qualitätsansprüchen begrenzt sei und in diesem Zusammenhang weiterer Manipulationsaufwand anfalle. Die Agrarbehörden haben sich daher durchaus mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern es zweckmäßiger oder sogar geboten sei, die mit dem Christbaumverkauf zusammenhängenden Arbeiten gesondert zu behandeln und zu verrechnen, und warum sich unter den gegebenen Umständen ein höherer Gewinn auch auf andere Weise voraussichtlich nicht erzielen lasse. Den ins einzelne gehenden Untersuchungen des im Berufungsverfahren erstatteten Gutachtens ist der Beschwerdeführer auf gleicher fachlicher Ebene überhaupt nicht und im übrigen nur mit einigen wenigen, eher allgemein gehaltenen Bemerkungen entgegengetreten. Darunter befindet sich auch der in der Beschwerde vorgetragene Einwand, die Annahme im Gutachten, für die Bringung eines Christbaumes seien durchschnittlich zwanzig Minuten zu veranschlagen, wäre unrichtig. Abgesehen davon, daß, wie erwähnt, insoweit keine durch Sachkunde ausgewiesene Erwiderung erfolgte, hat das Gutachten die für den Zeitaufwand maßgebenden Einflußgrößen im einzelnen dargestellt und den Arbeitsablauf der Christbaumvermarktung genau beschrieben, so daß der Behörde keineswegs vorgeworfen werden könnte, sie habe sich auf eine Untersuchung gestützt, die nicht gründlich genug gewesen wäre.

Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie hätte zu den im Gutachten errechneten Kosten nicht noch Kosten für die Vermarktung einbeziehen dürfen, beruht dies offensichtlich auf einem Mißverständnis; denn das Argument im angefochtenen Bescheid bezog sich nur auf die von der Mitbeteiligten zu tragenden Kosten im Fall der (vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen) selbständigen Durchführung, die aus Lohnkosten "für die Ausbringung aus dem Wald" und "Kosten für die Vermarktung am Marktplatz" bestehen müßten, was keine Doppelverrechnung erkennen läßt.

Daß, wie der Beschwerdeführer meint, bei einem Verkauf aller jährlich verfügbaren Christbäume für die Mitbeteiligte, diese einen höheren Gewinn erzielen könnte, ist im Laufe des Verfahrens, wie zum Teil bereits oben in anderem Zusammenhang gezeigt, in verschiedener Hinsicht, auch durch den Hinweis auf einen derartigen, nicht im Sinn der Vorstellungen des Beschwerdeführers erfolgreichen Vorgang im Jahr 1982, auf sachkundiger Grundlage entkräftet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof kann somit insgesamt nicht finden, daß die belangte Behörde zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt wäre, durch den vom Beschwerdeführer bekämpften Ausschußbeschluß seien gesetzliche Bestimmungen gemäß § 37 TFLG nicht verletzt worden.

Die demnach unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988070029.X00

Im RIS seit

25.02.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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