TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/26 92/01/0032

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Veröffentlicht am 26.02.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
RAO 1868 §45 Abs5;
StPO 1975 §41 Abs3;
StPO 1975 §42 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Dr. F in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 8. Jänner 1991, Zl. Vs 1968/90, betreffend Enthebung eines Amtsverteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Rechtsanwaltskammer Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. November 1990 erhobenen Vorstellung keine Folge. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid war der Antrag des Beschwerdeführers auf Enthebung seines Amtsverteidigers abgewiesen worden. Zur Vorgeschichte der seinerzeitigen Bestellung dieses Amtsverteidigers wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1991, Zl. 90/18/0230 verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer überhaupt ein Recht hatte, beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer die Enthebung seines Amtsverteidigers zu beantragen, und zwar im konkreten Fall mit der Begründung, dieser hätte die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen den Beschluß des LG für Strafsachen Wien vom 5. November 1990, Zl. 6b Vr 10471/85, Hv 609/87, als nicht zielführend dargestellt und vom ausdrücklichen Auftrag des Beschwerdeführers abhängig gemacht.

Gemäß § 41 Abs. 3 StPO ist dem Angeklagten, wenn er für die Hauptverhandlung vor dem Geschwornen- oder dem Schöffengericht weder selbst einen Verteidiger wählt und ihm auch kein Verteidiger nach Abs. 2 beigegeben wird, von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten der Angeklagte zu tragen hat, es sei denn, daß die Voraussetzungen für die Beigebung eines Verteidigers nach Abs. 2 vorliegen.

§ 42 Abs. 1 leg. cit. bestimmt dazu folgendes: "Hat das Gericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuß der nach dem Sitz des Gerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuß einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle."

Korrenspondierend dazu bestimmt § 45 Abs. 1 RAO: "Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer."

Die Absätze 4 und 5 der letztzitierten Bestimmung der RAO haben folgenden Wortlaut:

"(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwaltes oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen.

(5) Von jeder Bestellung hat der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer in den Fällen des Abs. 2 das benachrichtigende Gericht, in den Fällen des Abs. 3 das Gericht, bei dem das Verfahren in erster Instanz geführt wird, oder, falls der bestellte Rechtsanwalt bei einem anderen Gericht einzuschreiten hat, dieses zu verständigen. Gleiches gilt in den Fällen des Abs. 4."

§ 10 Abs. 1 RAO lautet:

"Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen."

Das Nebeneinander der Regelungen der §§ 41, 42 StPO und des § 45 RAO ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes so zu verstehen, daß die Entscheidung, OB ein Verteidiger (hier ein Amtsverteidiger) beigegeben wird, ausschließlich dem Gericht obliegt, die Frage, WER bestellt wird, hingegen vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zu entscheiden ist (vgl. VfGH 21. Februar 1985, Slg. 10.326).

Was die Frage der Enthebung eines beigegebenen Rechtsanwaltes anlangt, so regelt entgegen der früheren Rechtslage (zu der der OGH in seiner E vom 29. Jänner 1971, 10 Os 230/70 SSt 42/4 ausgesprochen hat, daß nur das Gericht berufen ist, anstelle eines zunächst bestellten Armenverteidigers aus begründetem Anlaß einen anderen Armenverteidiger zu bestellen, was in gleicher Weise wie für den seinerzeitigen Armenverteidiger für den Amtsverteidiger zu gelten hat, weil auch dieser als bestellter Anwalt iSd § 45 RAO anzusehen ist) seit der Novelle BGBl. Nr. 570/1973 der Abs. 4 des § 45 RAO ganz bestimmte Fälle.

Eine Enthebung des Amtsverteidigers des Beschwerdeführers über dessen Antrag durch den Ausschuß der belangten Behörde ist nach der zitierten Gesetzesstelle nur für den Fall des Vorliegens einer der im § 10 Abs. 1 erster Satz, zweiter Halbsatz RAO angeführten Gründe oder wegen Befangenheit vorgesehen. Keiner dieser Gründe wird aber vom Beschwerdeführer nach der Aktenlage geltend gemacht.

Im Sinne der oben schon zitierten Entscheidung des OGH SSt 42/4 wäre demnach der Beschwerdeführer gehalten gewesen, sich mit seinem Anliegen an das Gericht zu wenden, weil dieses auch nach der Bestellung eines Amtsverteidigers weiterhin verhalten ist, in einer den Gesetzen entsprechenden Weise sicherzustellen, daß dem Angeklagten alle gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten einer ordnungsgemäßen Verteidigung zustehen (ähnlich auch Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts2, Rz 300). Das Gericht hat einzuschreiten, wenn ihm Umstände zur Kenntnis kommen, welche die Gefahr einer Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten mit sich bringen können (OGH a.a.O. SSt 42/4 unter Berufung auf EvBl. 1970/105). Abgesehen von den Fällen des § 45 Abs. 4 RAO kommt die Enthebung eines einer Partei beigegebenen Rechtsanwaltes somit dem Gericht zu.

Dazu kommt, daß das Fehlen eines Antragsrechts der Partei im § 45 Abs. 4 RAO für solche Fälle, wie ihn der Beschwerdeführer jetzt geltend macht, keine durch Analogie zu schließende Lücke darstellt. Diesbezüglich ist das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht geeignet, beim Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken zu erwecken, weil ein Angeklagter im Strafprozeß, dem gemäß § 41 Abs. 3 StPO ein Verteidiger von Amts wegen beigegeben wurde, wenn er mit der Person des Verteidigers unzufrieden ist, jederzeit die Möglichkeit hat, privatautonom einen sogenannten Wahlverteidiger zu bestellen, wodurch die von Amts wegen erfolgte Bestellung eines Verteidigers erlischt (vgl. z.B. Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht4, 192; Röder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechts2, 92 Abs. 1).

Aus all dem folgt, daß einerseits bereits im Verwaltungsverfahren der Antrag des Beschwerdeführers hätte zurückgewiesen werden müssen und andererseits der Beschwerdeführer durch die meritorisch negative Behandlung seines Antrages in keinem subjektiven Recht verletzt wurde. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens hatte zu erfolgen, weil der Schriftsatzaufwand für die belangte Behörde mit S 2.530,-- pauschaliert ist, die belangte Behörde im vorliegenden Fall aber den Schriftsatzaufwand für einen obsiegenden Beschwerdeführer angesprochen hat.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010032.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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