TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 92/02/0056

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §2 Abs1 Z26;
StVO 1960 §2 Abs1 Z27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. November 1990, Zl. MA 70-10/1314/90/Str, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 23 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich des damit im Zusammenhang stehenden Kostenausspruches, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 26. Februar 1990 um 09.14 Uhr in W, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug 1. nicht am Rande der Fahrbahn, sondern in zweiter Spur abgestellt zu haben, und 2. in weiterer Folge der Anordung eines Straßenaufsichtsorganes, mit dem Fahrzeug wegzufahren bzw. das Fahrzeug zu entfernen, keine Folge geleistet zu haben, da er nicht unverzüglich weggefahren sei, obwohl die Befolgung der Anordnung ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 23 Abs. 2 StVO 1960 und zu 2. nach § 97 Abs. 4 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. i leg. cit beganngen, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt wurden. Gleichzeitig wurde das gegen den Beschwerdeführer wegen einer weiteren Verwaltungsübertretung geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt.

Nur gegen den verurteilenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Zur Übertretung nach § 23 Abs. 2 StVO 1960:

Zufolge § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO 1960 ist unter "Anhalten" das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges zu verstehen, während "Halten" eine nicht durch die Verkehrlage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu 10 Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62) bedeutet.

Entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß am Tatort wegen eines infolge eines Verkehrunfalles zum Stillstand gekommmenen LKWs das Einbiegen von der Y-Gasse in die Z-Gasse nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe die Absicht gehabt, aus der Y-Gasse kommend in die Z-Gasse einzubiegen, um dort in seine Garage zu gelangen. Da das Abbiegen nicht möglich gewesen sei, habe der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in der Z-Gasse hinter dem erwähnten LKW zum Stillstand gebracht. Die

belangte Behörde verkannte die Rechtslage, wenn sie unter den gegebenen Umständen meinte, das Verhalten des Beschwerdeführers sei nicht als Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO 1960, sondern als Halten im Sinne der Z. 27 dieser Gesetzesstelle zu werten. Denn der Beschwerdeführer war bei Verfolgung der von ihm grundsätzlich zulässigerweise gewählten Fahrtroute durch die Verkehrslage, nämlich durch den infolge eines Verkehrsunfalles zum Stillstand gekommenen LKW, gezwungen, ebenfalls sein Fahrzeug (kurzfristig) zum Stillstand zu bringen. Daß es ihm möglich gewesen wäre, in Verfolgung einer anderen Fahrtroute weiter zu fahren steht der Beurteilung dieses Verkehrsverhaltens als "Anhalten" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO 1960 nicht entgegen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid in diesem Punkt mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.) Zur Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs. 4 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. i StVO 1960:

Zunächst kann auf das vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, sein PKW habe in der Position, in welcher er sich zur Tatzeit befunden habe, die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs in keiner Weise behindert, nicht weiter eingegangen werden, weil es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt. Da der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens die Berechtigung der in Rede stehenden Anordnung nicht in Zweifel zog, hatte die belangte Behörde im Hinblick auf die Angaben in der Anzeige, wonach infolge des Verhaltens des Beschwerdeführers ein Autobus nicht habe weiterfahren können, auch keine Veranlassung, im angefochtenen Bescheid auf diese Frage näher einzugehen. Im übrigen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde und meint, sie beschränke sich darauf, bloß kritiklos die Aussage des Meldungslegers für wahr zu halten und überschreite damit den Rahmen einer freien Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG, indem sie den inneren Wahrheitsgehalt der Darstellung des Beschwerdeführers vollkommen mißachte.

Im Hinblick auf dieses Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Beweiswürdigung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also mit den Denkgesetzen und dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen. Ob der Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, unterliegt dagegen nicht der verwaltungsgerichtliches Prüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im Rahmen der solcherart eingeschränkten Prüfungsbefugnis vermag der Verwaltungsgerichtshof die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde legte in ausreichender Weise die Erwägungen dar, aus denen sie der Darstellung des Meldungslegers und nicht jener des Beschwerdeführers folgte. Als aktenwidrig erweist sich der Vorwurf des Beschwerdeführers, er habe keine Möglichkeit gehabt, zur Zeugenaussage des Meldungslegers Stellung zu nehmen. Denn aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens geht hervor, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Kopie der Niederschrift über die Vernehmung dieses Zeugen mit Schreiben vom 25. Juni 1990 mit der Aufforderung übersendete, sich entweder anläßlich einer Einvernahme am 30. Juli 1990 oder schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt hiezu zu äußern. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer auch mit Schreiben vom 23. Juli 1990 im Sinne einer schriftlichen Äußerung Gebrauch.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher, soweit er den Schuldspruch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs. 4 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. i StVO 1960 und den damit im Zusammenhang stehenden Straf- und Kostenausspruch betrifft, als frei von Rechtsirrtum. In diesem Umfang war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020056.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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