TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 92/02/0033

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §21 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr. O in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 13. Dezember 1989, Zl. MA 70-11/1706/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insofern wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt und die Entrichtung eines Verfahrenskostenbeitrages vorgeschrieben wird; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher bezeichneten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet weder, in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt gewesen zu sein, noch eine Verständigung einer Polizeidienststelle unterlassen zu haben, noch daß es zu keinem dem Gesetz entsprechenden Identitätsnachweis mit Lichtbildausweisen unter den Unfallbeteiligten gekommen ist.

1. Er macht aber geltend, daß der Umstand, daß es zwischen den Unfallbeteiligten zu keinem Identitätsnachweis gekommen ist - der seiner Meinung nach ein wesentliches Sachverhaltselement darstellt -, nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides aufscheint.

Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach das Unterbleiben des Identitätsnachweises zwar eine objektive Bedingung der Strafbarkeit der Verletzung der in § 4 Abs. 5 StVO 1960 statuierten Meldepflicht, aber kein Tatbestandselement einer Übertretung nach dieser Bestimmung ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Jänner 1983, Zl. 81/02/0130).

2. Der Beschwerdeführer führt weiter aus, daß ihn an dem Verkehrsunfall kein Verschulden getroffen habe, weil ein anderer Pkw auf seinen Pkw und sodann ein dritter Pkw auf diesen aufgefahren sei. Dies sei auch unter den Unfallbeteiligten unbestritten gewesen. Durch die Unterlassung der Meldung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 habe er die Interessen an der Aufklärung von Verkehrsunfällen, welchem Zweck die genannte Bestimmung diene, nicht geschädigt. Da er selbst "der Geschädigte" des Unfalles gewesen sei, hatte er auch kein Interesse, sich "den Folgen des gegenständlichen Verkehrsunfalles zu entziehen". Sein Schaden sei auch "rasch und unbürokratisch vom Haftpflichtversicherer des Unfallbeteiligten ersetzt" worden.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens nicht in Frage zu stellen. Es kommt in Ansehung der Meldepflicht auf das Verschulden an dem Unfall nicht an. Das Gesetz verpflichtet vielmehr jeden ursächlich an dem Unfall Beteiligten zu der in Rede stehenden Meldung. Es ist daher auch unerheblich, ob gegen den Beschwerdeführer keine Schadenersatzforderungen erhoben werden konnten bzw. daß keine solche Forderungen erhoben wurden, sondern daß im Gegenteil seine Forderungen gegen andere Unfallbeteiligte anerkannt und beglichen worden sind.

3. Die unter Punkt 2. behandelten Umstände rechtfertigen zwar das Verhalten des Beschwerdeführers nicht. Sie lassen aber sein Verschulden als derart geringfügig erscheinen, daß die belangte Behörde nicht nur die von der Erstbehörde verhängte Strafe auf S 500,-- hätte herabsetzen müssen; es wäre im vorliegenden Fall in Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung auszusprechen gewesen.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer unbescholten. Er wurde ohne sein Verschulden in einen Verkehrsunfall verwickelt und hat - was die belangte Behörde ebenfalls feststellt - den anderen Unfallbeteiligten seine Daten bekanntgegeben, wenn auch nicht auf die gesetzlich gebotene Weise mit Hilfe eines Lichtbildausweises, sondern mit dem Zulassungsschein des von ihm gelenkten Pkws; überdies hat er seine Telefonnummer genannt. Auf die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1988, Zl. 87/18/0081).

Bemerkt sei, daß sich die den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1987, Zl. 86/03/0200, und vom 24. Mai 1989, Zl. 89/03/0012, zugrundeliegenden Beschwerdefälle, in denen der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 VStG auf Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 verneint hat, vom vorliegenden Beschwerdefall in sachverhaltsmäßiger Hinsicht in wesentlichen Punkten unterscheiden.

Der angefochtene Bescheid war in Ansehung der Bemessung einer Verwaltungsstrafe und der Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. In Ansehung des Schuldspruches war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren war abzuweisen, weil diesbezüglich lediglich S 420,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen, S 120,-- für die vorgelegte Vollmachtsurkunde und S 60,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnten.

Schlagworte

MeldepflichtMängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenIdentitätsnachweis"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020033.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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