TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/28 90/10/0052

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.1992
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52 Abs1;
AVG §52;
ForstG 1975 §13 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z6;
VStG §22 Abs1;

Beachte

Besprechung in: ZfV 1999/3, S 345 - S 366;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in E, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. Dezember 1989, Zl. VI/4-St-128, betreffend Übertretung des Forstgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 2. im Umfang des Straf- und Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.0. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. November 1986 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin auf Erteilung der Rodungsbewilligung für die Waldparzelle nn1, KG E, im Ausmaß von 6.043 m2 mangels Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der Rodung keine Folge gegeben.

Mit Schreiben vom 11. März 1987 brachte die Bezirkshauptmannschaft Baden (im folgenden: Bezirkshauptmannschaft) dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin zur Kenntnis, daß die gegenständliche Waldparzelle aufgrund der Bestimmungen des § 13 des Forstgesetzes 1975 (FG) zur Erreichung eines gesetzmäßigen forstlichen Bewuchses bis 30. April 1987 mit näher bezeichneten Baumarten in Bestand zu bringen sei.

Nach einem weiteren Schreiben vom 9. Dezember 1987 teile die Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin mit Schreiben vom 3. Jänner 1989 mit, es sei aufgrund von Erhebungen durch den Forstaufsichtsdienst vom 5. Jänner 1988, 31. Mai 1988 und 22. Dezember 1988 festgestellt worden, daß sie den Bestimmungen des Forstgesetzes nur teilweise nachgekommen seien. Die gegenständliche Parzelle werde teilweise zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur verwendet, da auf einem Teil der Fläche Einzäunungen durchgeführt worden seien und auf dieser Fläche ein Reitplatz angelegt worden sei. Weiters werde ein Teil der Fläche gärtnerisch genutzt. Die Behörde verweise daher letztmalig auf die Bestimmungen der §§ 13 und 17 in Verbindung mit § 174 FG, wonach die Verpflichtung bestehe, die beanstandeten Nutzungen zu unterlassen und eine Wiederbewaldung durchzuführen. Die Adressaten dieses Schreibens würden daher aufgefordert, die Zäune zu entfernen und bis längstens 31. Mai 1989 die entsprechende Aufforstung durchzuführen. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt der gesetzmäßige Zustand nicht hergestellt worden sein, werde ein Strafverfahren eingeleitet.

Nach einem Aktenvermerk habe die örtliche Überprüfung am 14. Juni 1989 ergeben, daß weder Aufforstungs- noch Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Die gegenständliche Waldparzelle werde weiterhin für die Pferdehaltung verwendet und größtenteils gärtnerisch bewirtschaftet.

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 8. August 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit vom 3. Jänner bis 14. Juni 1989 auf der Waldparzelle nn1, KG. E 1. Waldboden für andere Zwecke als für solche der Waldkultur verwendet, daher das Rodungsverbot nicht befolgt und dadurch eine Übertretung gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 FG begangen.

2. entgegen dem behördlichen Auftrag vom 3. Jänner 1989 die restlichen Aufforstungen nicht durchgeführt und den errichteten Reitplatz nicht aufgelassen, und dadurch eine Übertretung gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 5 in Verbindung mit § 16 Abs. 4 FG begangen.

Über den Beschwerdeführer wurde deshalb jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.

Nach der Begründung seien die strafbaren Tatbestände durch Feststellungen der Bezirksforstinspektion B erwiesen. Da der Beschwerdeführer zu den ihm angelasteten Taten nicht Stellung genommen habe, sei das Verfahren ohne seine weitere Anhörung durchgeführt worden. Das Strafausmaß sei mit Rücksicht auf den gesetzlichen Strafrahmen, den Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten sowie unter Bedachtnahme auf die Verhältnisse des Beschwerdeführers als angemessen anzusehen. Die bisherige Straflosigkeit des Beschwerdeführers sei als mildernd erachtet worden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben, der Spruch des Straferkenntnisses jedoch wie folgt abgeändert:

"1. Sie haben verbotenerweise das Waldgrundstück Nr. nn1 KG. E in der Zeit vom 3. Jänner - 14. Juni 1989 für andere Zwecke als für solche der Waldkultur, nämlich als Pferdekoppel und Reitplatz sowie teilweise als Obstgarten verwendet und

2. die bestehenden Kahlflächen auf diesem Waldgrundstück bis jetzt nicht vollständig wiederbewaldet."

Als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschriften wurden nunmehr § 17 Abs. 1 FG (Spruchpunkt 1.) und § 13 Abs. 1 FG (Spruchpunkt 2.) genannt. Der Strafausspruch wurde auf § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG bzw. § 174 Abs. 1 lit. a Z. 1 FG gestützt.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht, die Aufforstungen mit der erforderlichen Überschattung durchgeführt zu haben. Auf dem gegenständlichen Grundstück befinde sich kein Reitplatz, lediglich zum Schutz der Aufforstungen vor freilaufenden Pferden sei die bestehende Einzäunung einer Fläche von 300 m2 vorläufig aufrechterhalten worden. Der Gemüsegarten sowie die Hundehütte seien entfernt worden, woraus zu ersehen sei, daß alle Auflagen fast zur Gänze erfüllt worden seien.

In der weiteren Begründung verwies die belangte Behörde auf das von ihr eingeholte Gutachten eines forstfachlichen Amtssachverständigen. Danach würden auf dem gegenständlichen Waldgrundstück weiterhin Pferde gehalten. Ein Teil des Grundstückes werde gärtnerisch bewirtschaftet. Ein am 5. Oktober 1989 durchgeführter Ortsaugenschein habe ergeben, daß auf dem Grundstück ein 500 m2 großer Pferdeauslaufplatz mit Holzzaunumfriedung, frischen Trittspuren und Pferdemist bestehe. Aus Trittspuren ergebe sich auch, daß die Übung des Pferdelongierens stattgefunden habe. Durch die lückige Aufforstung des Waldgrundstückes neben der Einzäunung mit Fichte, Esche, Robinie, Bergulme, Bergahorn, Schwarzkiefer und an einer Stelle mit Exoten sowie durch die gepflanzten einzelnen Obstbäume habe das Waldgrundstück einen parkartigen Charakter bekommen. Dies werde durch den nach regelmäßigem Mähen entstandenen Rasen noch betont. Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Stellungnahme eines privaten Sachverständigen widerspreche keineswegs dem von der Behörde eingeholten Gutachten. Es werde darin im wesentlichen nur die Ansicht vertreten, die vorhandenen Obstbäume sollten belassen werden und eine gepflegte Rasendecke stelle für den Bewuchs der vorhandenen Holzgewächse kein Hindernis dar. Das private Gutachten lasse jedoch unbeachtet, daß Obstbäume im Anhang zum Forstgesetz nicht angeführt und demnach zur Wiederbewaldung rechtlich nicht geeignet seien. Die im Gutachten erwähnte gepflegte Rasenfläche stelle nur ein Merkmal des herbeigeführten Parkcharakters des Waldgrundstückes dar, sei jedoch kein biologisches Wiederbewaldungshindernis. Nach den unwidersprochen gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen im Amtssachverständigengutachten habe der Beschwerdeführer daher das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 FG und das Wiederbewaldungsgebot des § 13 Abs. 1 FG übertreten.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. Gemäß § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Wer das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 nicht befolgt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- oder mit Arrest bis zu 4 Wochen zu bestrafen (§ 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist durch diese Bestimmungen sowohl eine Rodung im technischen Sinn als auch die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur pönalisiert (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/10/0043).

2.2.1. Was die dem Tatbild "Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur" (§ 17 Abs. 1 FG) unterstellten Feststellungen der belangten Behörde anlangt, bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens wäre nicht nur die Beiziehung des Beschwerdeführers zum Ortsaugenschein am 5. Oktober 1989 erforderlich gewesen, sondern aufgrund des von ihm vorgelegten Privatgutachtens wäre auch ein neuerlicher Ortsaugenschein anzuberaumen gewesen. So gehe der Amtssachverständige etwa von einer weiterin betriebenen Pferdehaltung bzw. einer teilweisen gärtnerischen Bewirtschaftung aus. In welcher Weise und in welchem Umfang diese Tätigkeiten betrieben würden, lasse sich seinem Gutachten nicht entnehmen. Der Beschwerdeführer habe diesen Ausführungen mit dem von ihm vorgelegten Privatgutachten widersprochen.

2.2.2. Der Entschuß der Behörde, einem Gutachten zu folgen, bildet einen Akt der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG. Diese unterliegt jedenfalls insoweit der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als es sich um die Feststellung handelt, ob der in der Beweiswürdigung gelegene Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen entsprechenden Ergebnis geführt hat bzw. ob der Sachverhalt, der in einem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. das Erkenntnis vom 2. Februar 1990, Zl. 89/05/0155).

Da auch der vom Beschwerdeführer beauftragte Gutachter unter anderem davon ausgeht, daß sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück eine unbestockte und "ausgezäunte" Fläche befinde, die Pferden als Auslauf diene, ferner eine gepflegte Rasendecke und einige Obstbäume vorhanden seien (vgl. Seite 2 des Gutachtens), kann die Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erachtet werden, daß der Beschwerdeführer Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur verwendet. Ob das Aufstellen von Zäunen, das periodische Mähen und die Einbringung von Obstbäumen dem parkähnlichen Charakter der Liegenschaft entspricht und sich angesichts der Umgebungsflächen für die forstwirtschaftliche Widmung des Grundstückes als notwendig und vorteilhaft erweist, wie der private Gutachter meint, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Was die Nichtbeiziehung des Beschwerdeführers zum Ortsaugenschein anlangt, so besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine gesetzliche Verpflichtung, zu einem Augenschein eines Amtssachverständigen die Parteien beizuziehen (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/02/0123).

2.3.1. Gemäß § 13 Abs. 1 FG hat der Waldeigentümer unter anderem Kahlflächen mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse rechtzeitig wiederzubewalden. Die Wiederbewaldung gilt als rechtzeitig, wenn die hiezu erforderlichen Maßnahmen (Saat oder Pflanzung) bis längstens Ende des dritten, dem Entstehen der Kahlfläche nachfolgenden Kalenderjahres ordnungsgemäß durchgeführt wurde (Abs. 2). Wer entgegen § 13 eine Wiederbewaldung nicht durchführt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- oder mit Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen (§ 174 Abs. 1 lit. a Z. 1 FG).

2.3.2. Der angefochtene Bescheid erweist sich insoweit - abgesehen vom Fehlen jeglicher die Tatzeit umschreibender Angaben - schon deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer gleichzeitig (vgl. Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides) wegen Verwendung des selben Waldbodens für andere Zwecke als für solche der Waldkultur schuldig erkannt und bestraft hat. Der Unrechts- und Schuldgehalt dieses Deliktes schließt jedoch nach Auffassung des Gerichtshofes den Unrechts- und Schuldgehalt des gleichzeitigen Verstoßes gegen § 174 Abs. 1 lit. a Z. 1 FG (unterlassene Wiederbewaldung) mit ein. Damit ist ein Fall von Konsumtion gegeben. Dafür spricht nicht nur der Umstand, daß beide Verstöße gegen ein und dasselbe Rechtsgut der Walderhaltung gerichtet sind, sondern auch, daß die Verwendung von Waldboden für andere Zwecke als für solche der Waldkultur (im Beschwerdefall: Verwendung als Pferdekoppel und Reitplatz sowie teilweise als Obstgarten) zwangsläufig mit einem Unterlassen der Wiederbewaldung der beteffenden Fläche verbunden ist. Konsumtion liegt vor, wenn zwei Deliktstatbestände in einem typischen Zusammenhang in dem Sinne stehen, daß das eine Delikt notwendig oder doch in der Regel mit dem anderen verbunden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1983, Zl. 81/10/0002; ferner die bei MANNLICHER-QUELL, Das Verwaltungsverfahren, Zweiter Halbband, 8. Auflage, auf S 660 ff. wiedergegebene Rechtsprechung).

2.4. Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 2. mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im übrigen (Spruchpunkt 1.) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Neben dem Schriftsatzaufwand konnte ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden. Stempelgebühren konnten nur in der angesprochenen Höhe von S 240,-- zuerkannt werden.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Parteiengehör Teilnahme an Beweisaufnahme Fragerecht Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990100052.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten