TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/11 92/13/0021

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Veröffentlicht am 11.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §22;
EStG 1972 §23;
EStG 1972 §24 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §9 Abs2;
GewStG §6 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 6. Dezember 1991, Zl. 6/1-1074/91-01, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob die gewinnerhöhende Auflösung einer Investitionsrücklage, die durch die Veräußerung des Betriebes ausgelöst wird, dem letzten laufenden Gewinn oder dem tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn gemäß § 24 EStG 1972 zuzurechnen ist.

Diese Rechtsfrage hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt entschieden; er ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die gewinnerhöhende Auflösung einer Investitionsrücklage auch in jenen Fällen dem letzten laufenden Gewinn und nicht dem Veräußerungsgewinn gemäß § 24 EStG 1972 zuzurechnen ist, in denen die Nachversteuerung durch eine Betriebsveräußerung ausgelöst wird (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1985, 84/14/0089). Auf diese Rechtsprechung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG hingewiesen.

Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was den Gerichtshof veranlassen könnte, eine Änderung seiner Rechtsprechung in Erwägung zu ziehen. Insbesondere trifft es nicht zu, daß sich "die Gewinnzuordnung aus Investitionsrücklagen zum Veräußerungsgewinn aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut" ergibt. Dieser spricht vielmehr dafür, daß Auflösung und Nachversteuerung einer nicht bestimmungsgemäß verwendeten Investitionsrücklage ausnahmslos durch Erhöhung des laufenden Gewinnes zu erfolgen hat. Die maßgebende Bestimmung des § 9 Abs. 2 EStG 1972 lautet nämlich:

"Rücklagen (Rücklagenteile), die nicht bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres bestimmungsgemäß verwendet wurden, sind im vierten Jahr nach der Bildung der Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Bei der gewinnerhöhenden Auflösung erhöht sich der aufzulösende Betrag um 20 v.H. Dieser Prozentsatz vermindert sich um je 5 v.H. für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklagen (der Rücklagenteil) früher aufgelöst wird. Die Erhöhung des aufgelösten Betrages hat im Falle der Betriebsaufgabe, der entgeltlichen Übertragung eines Betriebes sowie im Fall der Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft zu entfallen."

Der Begriff "gewinnerhöhend" steht hier nach der Stellung der Vorschrift im Aufbau des EStG 1972 eindeutig im Zusammenhang mit den Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 bis 14 EStG 1972 und bezieht sich daher auf die Ermittlung des Gewinnes im Sinne der zitierten Rechtsvorschriften. Eine Auslegung dahingehend, daß mit dem Begriff "gewinnerhöhend" in ein und derselben Gesetzesbestimmung zwei unterschiedliche Gewinnbegriffe angesprochen werden sollen, nämlich der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG und jener des § 24 leg.cit., wäre nur dann vertretbar, wenn der Auslegungsgrundsatz der Begriffsidentität zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigten Ergebnis führen würde. Gerade dies trifft aus folgenden Erwägungen nicht zu:

Dem Wesen einer Nachversteuerungsvorschrift, wie sie im § 9 Abs. 2 EStG 1972 vorgesehen ist, entspricht es, jene Steuern, die durch Inanspruchnahme einer Steuerbegünstigung ermäßigt wurden, bei (nachträglichem) Wegfall der hiefür normierten Voraussetzungen (ihrer Art nach) wiederum in entsprechendem Ausmaß zu erhöhen. Dieser Intention würde es an sich schon widersprechen, für die Nachversteuerung einen begünstigten Steuersatz vorzusehen; unvereinbar mit ihr wäre jedoch eine Auslegung, nach der die erkennbar beabsichtigte Nachversteuerung einer Steuerermäßigung überhaupt nicht zum Tragen kommen könnte. Dies wäre bezüglich einer durch die Inanspruchnahme einer Investitionsrücklage bewirkten Gewerbesteuerermäßigung der Fall, wollte man der Argumentation des Beschwerdeführers folgen. Denn eine nur im Rahmen der Veräußerungsgewinnbesteuerung vorzunehmende Nachversteuerung würde bei der Gewerbesteuer, bei der keine Veräußerungsgewinnbesteuerung vorgesehen ist, eine Nachversteuerungsmöglichkeit ausschließen. Daß der Gesetzgeber ein solches Ergebnis nicht beabsichtigt hat, scheint offensichtlich und läßt sich auch historisch aus den ursprünglich mit der Einkommensteuernovelle 1966, BGBl. Nr. 155, geschaffenen Regelung der Investitionsrücklage (Einfügung des § 6d in das Einkommensteuergesetz 1953) ableiten. Danach war vorgesehen, daß sich bei der Nachversteuerung die Einkommensteuer UND DIE GEWERBESTEUER, welche auf den nachzuversteuernden Betrag verhältnismäßig entfallen, um 30 v.H. erhöhen.

Mit dem Einkommensteuergesetz 1972 wurde die Nachversteuerungsvorschrift dergestalt geändert, daß an die Stelle eines Zuschlages zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer eine Gewinnerhöhung trat. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird hiezu wörtlich ausgeführt:

"Im Abs. 2 wurden die Bestimmungen, betreffend nicht gesetzmäßig verwendete Investitionsrücklagen, geändert; anstelle der Sanktion eines jährlichen, zehnprozentigen Steuerzuschlages ist nunmehr vorgesehen, daß sich der gewinnerhöhend aufzulösende Betrag selbst - gewinnvermehrend - erhöht, und zwar im Ergebnis um 5 % pro Jahr. Damit erweist sich die bisherige, als lex fugitiva zu wertende Anordnung des § 6d Abs. 2 EStG 1967 über eine zehnprozentige, jährliche Gewerbesteuererhöhung als entbehrlich, was auch zu einer Verwaltungsvereinfachung führen wird."

Die dargestellte Rechtsentwicklung läßt somit deutlich erkennen, daß die bei nichtbestimmungsgemäßer Verwendung einer Investitionsrücklage vorgesehene Nachversteuerung nach dem Willen des Gesetzgebers gleichermaßen im Bereich der Einkommensteuer wie im Bereich der Gewerbesteuer wirksam werden sollte.

An diesem Auslegungsergebnis ändert es auch nichts, daß der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, daß seine Einkünfte solche aus freiberuflicher Tätigkeit darstellen, nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992130021.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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