TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/12 91/06/0230

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Veröffentlicht am 12.03.1992
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Index

L82306 Abwasser Kanalisation Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KanalG Stmk 1988 §1 Abs2;
KanalG Stmk 1988 §1 Abs3;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde

1. des AN und 2. der LN in A, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Oktober 1991, Zl. 03-12 Go 56-89/27, betreffend Kanalanschlußpflicht (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. Februar 1989 wurden die Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 292/3, KG A, gemäß § 5 des Kanalgesetzes 1955 zum Anschluß (dieser Liegenschaft) an das öffentliche Kanalnetz der mitbeteiligten Gemeinde verpflichtet. Ihre gegen diesen Bescheid (als Einspruch bezeichnete) Berufung haben die Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Befreiung vom "Teilanschlußzwang" verbunden. Begründet wurde dies damit, daß die Beschwerdeführer die Toilette- und Niederschlagswässer für Düngezwecke benötigten. Diese Toiletteabwässer seien für die Stallgülleverdünnung unentbehrlich. Mit Bescheid vom 4. August 1989 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung keine Folge und begründete dies damit, daß gemäß § 4 des Kanalgesetzes 1988 die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet seien, die Schmutzwässer auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m betrage. Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung, der die Beschwerdeführer ein Gutachten des Prof. D. vom 26. Oktober 1988 beigelegt hatten, behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Oktober 1989 den Bescheid des Gemeinderates vom 4. August 1989 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Gemeinderat. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß der Gemeinderat die Entscheidung der Behörde erster Instanz, die auf dem Kanalgesetz 1955 beruhte, bestätigt und seine Begründung auf das Kanalgesetz 1988 gestützt habe, wodurch er einen unauflösbaren Widerspruch zwischen Spruch und Begründung herbeigeführt habe.

Mit Bescheid vom 2. Juli 1991 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde neuerlich die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 15. Februar 1989 als unbegründet abgewiesen, den Spruch aufgrund der Berufung jedoch neu gefaßt und gemäß den §§ 4 und 6 des Kanalgesetzes 1988, LGBl. Nr. 79, die Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 292/3, KG A, mit dem darauf errichteten Wohnhaus verpflichtet, die Schmutzwässer über die öffentliche Kanalanlage der mitbeteiligten Gemeinde abzuleiten. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer verpflichtet, binnen einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides einen Bauentwurf über die Errichtung der Hauskanalanlage und deren Anschluß an die öffentliche Kanalanlage einzubringen und binnen drei Monaten nach Rechtskraft der Genehmigung des Bauentwurfes die Hauskanalanlage zu errichten und an die öffentliche Kanalanlage der mitbeteiligten Gemeinde anzuschließen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Kanalgesetz 1955 sei mit Inkrafttreten des Kanalgesetzes 1988, LGBl. Nr. 79, am 1. November 1988 außer Kraft getreten. Die Behörde erster Instanz habe daher zu Unrecht ihren Bescheid über die Kanalanschlußverpflichtung auf das Kanalgesetz 1955 gestützt. Nach § 4 Abs. 1 des Kanalgesetzes 1988 seien die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, soferne die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m betrage. Unbestritten sei, daß das auf dem gegenständlichen Grundstück errichtete Wohnhaus innerhalb des Anschlußverpflichtungsbereiches von 100 m liege. Nach § 4 Abs. 5 des Kanalgesetzes 1988 seien u.a. Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 von der Baubehörde für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 gewährleistet sei und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entstehe. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliege dem Ausnahmewerber. Die Beschwerdeführer hätten diesen Nachweis nicht erbracht, sondern nur ganz allgemein ohne konkrete Bezugnahme auf die in ihrem Haushalt anfallenden Abwässer ausgeführt, daß sie die anfallenden Abwässer für Düngezwecke benötigten. Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, als Nachweis für eine gefahrlose Schmutzwasserentsorgung zu dienen. Nach § 6 des Kanalgesetzes 1988 sei mit der Anschlußverpflichtung bestehender Bauwerke der Auftrag zu verbinden, binnen angemessener Frist einen Bauentwurf über die Errichtung der Hauskanalanlage und deren Anschluß an die Kanalanlage zur Genehmigung einzubringen. Hiefür halte die Berufungsbehörde eine Frist von drei Monaten ebenso als angemessen, wie eine weitere Frist von drei Monaten nach Rechtskraft der Genehmigung des Bauentwurfes für die Errichtung und den Anschluß der Hauskanalanlage.

Die dagegen eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Oktober 1991 abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Zitierung der §§ 4 und 6 des Kanalgesetzes 1988 im wesentlichen ausgeführt, daß es im Anlaßfall nur darauf ankomme, ob die anfallenden Schmutzwässer in einer nach den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Weise von den Beschwerdeführern abgeleitet oder sonst entsorgt werden könnten. In der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Dezember 1988, mit der ein Entwicklungsprogramm für die Wasserwirtschaft erlassen wurde (LGBl. Nr. 85/1989) werde unter anderem die Reinigung der anfallenden Abwässer nach dem Stand der Technik zur Hintanhaltung von Verunreinigungen unter- und oberirdischer Gewässer gefordert. Als geltender Stand der Technik bei der Entsorgung häuslicher Abwässer werde grundsätzlich die biologische Abwasserreinigung und Einleitung in ein Vorflutgewässer angesehen. In Ausnahmefällen werde bei Vorliegen geeigneter Randbedingungen und nach kritischer Prüfung auch die Versickerung biologisch gereinigter Abwässer zulässig sein. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Siedlungswasserwirtschaft sei in dicht besiedelten Gebieten die gemeinsame Erfassung häuslicher Abwässer und deren Reinigung in zentralen biologischen Kläranlagen als technisch einwandfreie Lösung zu betrachten. Für schwer erschließbare Randgebiete, Streusiedlungen und ländliche Siedlungsgebiete gälten grundsätzlich die gleichen Anforderungen, was den Reinigungsgrad von Abwässern betreffe. Auch in diesen Fällen sei die biologische Abwasserreinigung ein Erfordernis, das dem Stand der Technik und einwandfreien hygienischen Verhältnissen entspreche. Was die häuslichen Abwässer landwirtschaftlicher Anwesen betreffe, wiesen diese qualitativ und quantitativ keinen grundsätzlichen Unterschied zu Siedlungsabwässern auf, sie unterlägen daher hinsichtlich Reinigung und Beseitigung denselben Kriterien wie diese. Die gemeinsame Entsorgung mit Stallabwässern (Jauche und Gülle) im Rahmen der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung entspreche heute nicht mehr den technischen Wissenschaften, zumal die Inhaltsstoffe häuslicher Abwässer (Tenside, Haushaltschemikalien, Abfälle) infolge der zivilisatorischen Entwicklung deren Düngewert in Frage stellten und eine Gefährdung von Grund und Boden bewirkten. Derartige Stoffe fänden sich in Reinigungs-, Lösungs- und Putzmitteln. Die häuslichen Abwässer enthielten Krankheitserreger und seien somit eine Infektionsquelle geworden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind die folgenden Bestimmungen des Gesetzes vom 17. Mai 1988 über die Ableitung von Wässern im bebauten Gebiet für das Land Steiermark (Kanalgesetz 1988), LGBl. Nr. 79, anzuwenden:

"§ 4

(1) In Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, sind die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf Bauwerke desselben Grundstückseigentümers, die mit dem anschlußpflichtigen Bauwerk in unmittelbarer baulicher Verbindung stehen oder ihm eng benachbart sind und wenn Schmutz- oder Regenwässer anfallen (Hof- und sonstige Nebengebäude). Befinden sich die Grundstücke im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, i. d.g.F.) und wird ein zusammenhängender Baulandbereich durch einen Kanalstrang erschlossen, so entsteht die Anschlußpflicht unabhängig vom Abstand zum Kanalstrang. In diesem Fall hat jedoch der Anschlußverpflichtete die Kosten für die Hauskanalanlage, Instandhaltung und Reinigung (§ 7 Abs. 1) nur für eine Anschlußlänge von höchstens 100 m zu tragen.

...

(5) Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 sind von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Gleiches gilt für Regenwässer, wenn ihre Versickerung auf dem eigenen Grundstück möglich ist oder sie als Betriebsmittel (zum Beispiel zur Bodenbewässerung) Verwendung finden. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen sind mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen.

§ 6

(1) Über die Verpflichtung zur Errichtung und zum Anschluß einer Hauskanalanlage, über die Inanspruchnahme fremden Grundes und fremder Hauskanalanlagen sowie über Art und Höhe der Entschädigung ist bei erst zu errichtenden Bauwerken von der Baubehörde zugleich mit der Erteilung der Widmungsbewilligung, wenn sie jedoch schon vorliegt zugleich mit der Baubewilligung bei bestehenden in einem amtswegigen Verfahren zu entscheiden. In diesem Fall hat die Entscheidung auch den Auftrag zu enthalten, binnen angemessener Frist einen Bauentwurf über die Errichtung der Hauskanalanlage und deren Anschluß an die Kanalanlage zur Genehmigung einzubringen. Bei Verzug ist die Baubehörde berechtigt, auf Kosten und Gefahr des Verpflichteten den Bauentwurf ausarbeiten und die Hauskanalanlage danach ausführen zu lassen."

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 des Kanalgesetzes über den grundsätzlichen Anschlußzwang hinsichtlich der Liegenschaft der Beschwerdeführer offenbar zutrifft. Die Gemeindebehörden und damit die Vorstellungsbehörde hatten daher lediglich zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand gegeben ist. Während § 5 des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 165/1968, nach seinem Abs. 4 noch Ausnahmen von der Anschlußverpflichtung bei Schmutzwässern vorsah, wenn diese nachweisbar zu Dungzwecken benötigt wurden, ist diese, ausdrücklich Dungzwecke betreffende Ausnahmebestimmung im § 4 des Kanalgesetzes 1988 nicht mehr vorgesehen. Vielmehr ist in Abs. 5 eine allgemeine Ausnahmebestimmung für den Fall der schadlosen Entsorgung der Abwässer normiert. Aus dem Fehlen einer Ausnahmebestimmung des Kanalgesetzes 1955 im nunmehr anzuwendenden Kanalgesetz 1988 ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, nicht grundsätzlich deshalb eine Ausnahme von der Einleitungsverpflichtung zuzulassen, weil Schmutzwässer nachweisbar zu Düngezwecken benötigt werden. Andererseits geht aber aus der allgemeinen Formulierung des § 4 Abs. 5 des geltenden Kanalgesetzes, wonach entscheidend ist, ob die anfallenden Schmutzwässer in einer den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Weise abgeleitet oder sonst entsorgt werden können, auch nicht hervor, daß im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Aufbringung häuslicher Abwässer nicht doch als schadlos angesehen werden kann. Die Ansicht der belangten Behörde, wonach häusliche Abwässer Tenside und Haushaltschemikalien enthalten und eine Gefährdung von Grund und Boden bewirken können, trifft im allgemeinen zu. Die Beschwerdeführer haben aber ihrer Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 4. August 1989 ein Gutachten des Prof. D. vom 26. Oktober 1988 angeschlossen, das auch noch im Vorlagebericht der mitbeteiligten Gemeinde an die belangte Behörde vom 29. August 1989 als Beilage erwähnt war. Auf dieses Gutachten ist weder der Gemeinderat in seinem Berufungsbescheid vom 2. Juli 1991, noch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eingegangen, das Gutachten ist auch im vorgelegten Verwaltungsakt nicht mehr enthalten. Im Beschwerdefall kann mangels Vorliegens dieses Gutachtens nicht ausgeschlossen werden, daß darin auf die konkrete Situation der Abwasserentsorgung der Beschwerdeführer eingegangen wurde und dieses Gutachten als der vom Gesetz geforderte Nachweis der schadlosen Entsorgung der Abwässer angesehen werden könnte. Die belangte Behörde beschränkte sich nur auf allgemeine Darlegungen zu grundsätzlichen Fragen der Verwendung von Schmutzwässer zu Düngungszwecken, ohne Bezugnahme auf die konkreten Verhältnisse und das von den Beschwerdeführern vorgelegte Gutachten.

Die Vorstellungsbehörde ist wohl nicht verpflichtet, den zu ihrer Entscheidung erforderlichen Sachverhalt selbst zu klären; vielmehr kann sie zu diesem Zweck mangelhafte Gemeindebescheide aufheben und die Sache an die Gemeinde zurückverweisen. Entschließt sie sich jedoch, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, dann hat sie alle Vorschriften der §§ 37 ff AVG zur mängelfreien Ermittlung des Sachverhaltes einzuhalten. Ob die Beschwerdeführer, die ein Gutachten vorlegten und darauf hinwiesen, daß sie ein Trennsystem betreiben, ihre häuslichen Abwässer schadlos entsorgen und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht, kann nicht aufgrund theoretischer Überlegungen, sondern nur aufgrund konkreter Gegebenheiten geklärt werden. Da die Gemeindebehörden eine Auseinandersetzung mit dem von den Beschwerdeführern beigebrachten Gutachten unterlassen haben und die belangte Behörde diesen Mangel nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht der Beschwerdeführer, es sei ihnen auch aufgetragen worden, Jauche und Gülle in den Kanal einzuleiten, nicht zu teilen. Ein derartiger Auftrag stünde im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 des Kanalgesetzes 1988; aus der Formulierung des Bescheides des Gemeinderates vom 2. Juli 1991 kann auch nicht geschlossen werden, daß eine Anschlußverpflichtung für Stallabwässer (Jauche und Gülle) ausgesprochen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Ansicht der Beschwerdeführer, die Bestimmung des § 4 Abs. 5 vorletzter Satz, wonach der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 dem Ausnahmewerber obliegt, sei verfassungsrechtlich bedenklich, weil dem Ausnahmewerber eine Beweislast auferlegt werde, die dem Prinzip der Amtswegigkeit der Beweisermittlung widerspreche. In Verfahren, die die Gewährung von Begünstigungen zum Gegenstand haben und in deren Verlauf auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (nämlich von Umständen aus dem unmittelbaren Lebensbereich der Partei) zu prüfen ist, erscheint eine Beweislast des Begünstigten nicht unsachlich (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, vierte Auflage, Seite 302, die unter E 14 und 15b zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht zu einer Antragstellung gemäß Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu dem Hinweis veranlaßt, daß das Kanalgesetz 1988 keine "Teilausnahmebewilligung" für bestimmte Schmutzwässer kennt. Je nach Ausstattung des Kanalsystems sind entweder Schmutz- UND Regenwässer (Mischwasserkanalisation, § 4 Abs. 2 des Kanalgesetzes 1988) oder NUR SCHMUTZWÄSSER abzuleiten. Eine weitere Unterteilung in eine Anschlußverpflichtung betreffend nur "Grauwässer" im Gegensatz zu "Toiletteabwässer" findet im Gesetz keine Deckung, das übrigens auch diese Begriffe, die in der Beschwerde verwendet wurden, nicht kennt, sondern nur von "Schmutzwässern" spricht und diesen Begriff in seinem § 1 Abs. 2 definiert. Ein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 4 Abs. 5 des Kanalgesetzes 1988 liegt demnach nur vor, wenn die gesamten Schmutzwässer schadlos entsorgt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des Kostenbegehrens. Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060230.X00

Im RIS seit

12.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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