TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/18 91/01/0189

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Veröffentlicht am 18.03.1992
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Index

25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;

Norm

StRegG §8 Abs1;
TilgG 1972 §4 Abs1;
TilgG 1972 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. September 1991, Zl. 12.204/33-II/13/91, betreffend Feststellung gemäß § 8 Strafregistergesetz 1968, die belangte Behörde vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17-19, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. September 1991 wurde in Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers vom 11. März 1991, 20 im einzelnen näher angeführte gerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers "im Strafregister zu löschen", gemäß § 8 Strafregistergesetz 1968, BGBl. Nr. 277 i.d.g.F., festgestellt, daß diese Verurteilungen noch nicht getilgt sind.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung im wesentlichen damit begründet, daß gemäß § 4 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68, dann, wenn jemand rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind, die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam eintritt, die Anwendung dieser Bestimmung durch § 4 Abs. 3 leg. cit. nicht beseitigt, sondern dadurch lediglich bei bestimmten Verurteilungen keine Verlängerung der Tilgungsfrist nach Abs. 2 dieses Paragraphen bewirkt werde und deshalb die Tilgung der gegenständlichen Verurteilungen - die erste aus dem Jahre 1970, die letzte aus dem Jahre 1984 mit dem Vollzugsdatum 23. Jänner 1986 - nur gemeinsam mit der Tilgung dreier weiterer, näher bezeichneter gerichtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 1986, 1989 und 1991 zu einem späteren Zeitpunkt eintreten werde.

Der Beschwerdeführer beruft sich hingegen auf § 1 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972, wonach die Tilgung gerichtlicher Verurteilungen, sofern sie nicht ausgeschlossen ist (§ 5), mit Ablauf der Tilgungsfrist kraft Gesetzes eintritt, und auf § 4 Abs. 3 leg. cit., wo es heißt, daß Verurteilungen, bei denen die verhängte Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder deren Summe einen Monat nicht übersteigt, keine Verlängerung der Tilgungsfrist nach Abs. 2 bewirken und ebensowenig ihre Tilgungsfristen durch andere Verurteilungen verlängert werden. Er erblickt einen Widerspruch zwischen § 1 Abs. 1, in dem ausschließlich vom Ablauf der TilgungsFRIST die Rede sei, und § 4 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972 wegen des "Hinzutretens einer Bedingung" dadurch, daß nur eine gemeinsame Tilgung aller Verurteilungen möglich sei. Auf Grund des § 4 Abs. 3 leg. cit. werde aber bei "bestimmten geringfügigen Verurteilungen" die Tilgungsfrist (nach Abs. 2) nicht verlängert, sodaß sämtliche Verurteilungen, die Gegenstand seines Antrages seien, nach Ablauf der Tilgungsfrist getilgt seien und daher gemäß § 1 Abs. 5 Tilgungsgesetz 1972 in Verbindung mit § 8 Strafregistergesetz 1968 in einer Strafregisterauskunft nicht (mehr) hätten aufscheinen dürfen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 29. April 1981, Slg. Nr. 10440/A, dem ein ähnlich gelagerter Beschwerdefall zugrundelag, mit der aufgezeigten, auch nunmehr zu lösenden rechtlichen Problematik befaßt. Er hat hiebei ausgeführt, daß § 1 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972 nichts anderes als die Anordnung enthalte, daß die Tilgung einer Verurteilung ex lege nach Ablauf der für sie geltenden Tilgungsfrist eintritt. Über die Dauer der für die einzelnen Verurteilungen geltenden Tilgungsfristen werde in dieser Gesetzesbestimmung nichts ausgesagt. Dies bleibe vielmehr den folgenden Paragraphen des Tilgungsgesetzes 1972 vorbehalten. Es könne also zwischen diesen beiden Gesetzesstellen (gemeint: § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes) schon deshalb kein Widerspruch bestehen, weil durch sie verschiedene Anordnungen getroffen würden. Nach dem Wortlaut des § 4 Tilgungsgesetz 1972 könne kein Zweifel daran aufkommen, welche Tilgungsfristen der Gesetzgeber bei Vorliegen mehrerer Verurteilungen angeordnet habe. § 4 Abs. 1 leg. cit. enthalte den für alle Verurteilungen ohne jede Ausnahme geltenden Grundsatz, daß dann, wenn jemand rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind, die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam eintritt. Inwiefern der Abs. 3 dieses Paragraphen mit diesem Grundsatz in Widerspruch stehen solle, sei deshalb nicht erklärlich, weil im Abs. 3 ausdrücklich nur angeordnet sei, daß bei sogenannten Bagatellverurteilungen die nach § 4 Abs. 2 leg. cit. angeordnete Verlängerung der Tilgungsfrist nicht eintreten soll. Wenn sogenannte Bagatellverurteilungen von dem im Abs. 1 angeordneten Grundsatz der nur gemeinsamen Tilgung aller Verurteilungen hätten ausgenommen werden sollen, hätte der Gesetzgeber dies im Abs. 3 durch die Anführung des Absatzes 1 klar zum Ausdruck bringen können. Der im § 4 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972 enthaltene Grundsatz bewirke lediglich, daß bei Zusammentreffen mehrerer noch nicht getilgter rechtskräftiger Verurteilungen die Tilgung aller Verurteilungen nur mehr gemeinsam und nicht mehr einzeln nach Ablauf der jeweiligen Tilgungsfrist eintritt. Eine tatsächliche Verlängerung der Tilgungsfrist ergebe sich lediglich aus § 4 Abs. 2 leg. cit., von welcher Regelung aber der Gesetzgeber im Abs. 3 sogenannte Bagatellverurteilungen ausgenommen habe. Schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 leg. cit. seien nur jene früheren Verurteilungen hinsichtlich der Tilgung gemeinsam mit einer neuen rechtskräftigen Verurteilung zu behandeln, die im Zeitpunkt der neuen rechtskräftigen Verurteilung noch nicht getilgt seien.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt, von dieser seiner Rechtsprechung abzugehen. Sie findet - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat - ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien (31 Blg. NR XIII. GP zu § 4 Tilgungsgesetz 1972, Seite 8), wird doch dort zum Ausdruck gebracht, daß der vorliegende Entwurf "dazu" eine die Tilgung sehr beträchtlich erleichternde Vereinfachung vorschlage, derzufolge Verurteilungen zu nicht mehr als einem Monat Freiheitsstrafe von der Verlängerung der Tilgungsfrist schlechthin ausgenommen sind (Abs. 3), jedoch in dem Falle, daß jemand, solange eine Verurteilung noch nicht getilgt ist, neuerlich rechtskräftig verurteilt wird, die Tilgung erst eintritt, wenn für alle Verurteilungen die Tilgungsfristen abgelaufen sind (Abs. 1). Bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Beschwerdeführers wäre - abgesehen von einer Verlängerung der Tilgungsfrist nach § 4 Abs. 2 Tilgungsgesetz 1972 hinsichtlich der Verurteilungen "Nr. 14" und "Nr. 20" auf Grund des Ausmaßes der jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafe - im Ergebnis nur auf § 3 Tilgungsgesetz 1972, nicht aber auch auf § 4 Abs. 1 leg. cit. Bedacht zu nehmen. Dies würde aber nicht der klaren gesetzlichen Regelung der zuletzt genannten Gesetzesstelle entsprechen. Eine Tilgung sämtlicher vorangegangener Verurteilungen, die bei der aus dem Jahre 1991 stammenden Verurteilung noch nicht getilgt waren, kommt demnach erst gemeinsam mit der Tilgung dieser Verurteilung in Betracht. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem Recht auf Feststellung der Tilgung seiner bis zum Jahre 1984 erfolgten Verurteilungen gemäß § 8 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 - die gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen zur Folge gehabt hätte, daß das Strafregister zu berichtigen gewesen wäre - verletzt.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991010189.X00

Im RIS seit

18.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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