TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/19 92/17/0078

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Veröffentlicht am 19.03.1992
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;

Norm

LAO Wr 1962 §191 Abs3;
LAO Wr 1962 §191 Abs4;
LAO Wr 1962 §198;
LAO Wr 1962 §57 Abs2;
LAO Wr 1962 §59 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der L-GesmbH in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 27. September 1991, Zl. MD-VfR-L 11 u. 13/91, betreffend Abweisung von Wiedereinsetzungsanträgen und Berufungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Bescheid vom 21. November 1990 schrieb der Magistrat der Stadt Wien der beschwerdeführenden Partei für einen Spielapparat Vergnügungssteuer für Juni bis August 1990 in der Höhe von S 42.000,-- sowie einen Verspätungszuschlag und einen Säumniszuschlag vor.

1.2.1. Mit Bescheid vom 31. Mai 1991 sprach der Magistrat der Stadt Wien aus: "Die Berufung der L-GesmbH vom 20. Dezember 1990 gegen den ha. Bescheid vom 21. November 1990, MA 4/7-L 28/90, gilt gemäß § 59 Abs. 2 WAO als zurückgenommen."

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und machte geltend, daß die von der Behörde als Berufung bezeichnete Eingabe vom 20. Dezember 1990 weder von der Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Partei unterfertigt sei noch vom bevollmächtigten Rechtsfreund stamme.

1.2.2. Mit Punkt I des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 27. September 1991 wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien diese Berufung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheidabschnittes sei bei der Behörde am 21. Dezember 1990 eine auf dem Firmenpapier der beschwerdeführenden Gesellschaft geschriebene und mit einer unleserlichen Unterschrift versehene Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingelangt. Die Berufungswerberin selbst habe ausgeführt, daß die Unterfertigung durch keine dazu ermächtigte Person erfolgt sei. Somit sei ein Mangel vorgelegen, dessen Behebung die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des § 59 Abs. 2 WAO von Amts wegen zu veranlassen gehabt hätte (§ 57 Abs. 2 WAO). Die Aufforderung der belangten Behörde vom 22. Mai 1991 an die beschwerdeführende Partei, die Berufung zu unterfertigen, sei erfolglos geblieben. Somit sei die Rechtsfolge der Zurücknahme der Berufung eingetreten, wobei nicht ersichtlich sei, weshalb die Beschwerdeführerin durch die verfügte Zurücknahme in ihren Rechten verletzt sein wolle, erkläre sie doch unmißverständlich, sich mit der Eingabe vom 21. Dezember 1990 nicht zu identifizieren.

1.3.1. Mit Eingabe vom 20. Dezember 1990 stellte die beschwerdeführende Partei Anträge auf Fristverlängerung zur Einbringung der Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 21. November 1990 gemäß § 191 WAO. Die Anträge betrafen die Steuervorschreibung, den Verspätungszuschlag und den Säumniszuschlag.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien diese Anträge ab. Nach der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides sei eine Berufung zulässig.

Mit Schriftsatz vom 26. Jänner 1991 erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

1.3.2. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 31. Mai 1991 wurde diese Berufung zurückgewiesen, da das Gesetz in diesem Falle eine Berufung nicht vorsehe.

Die beschwerdeführende Partei brachte daraufhin Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein.

1.3.3. Mit Bescheid vom 9. Juli 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 19. Juni 1991 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid vom 21. November 1990 gemäß § 240 Abs. 1 WAO ab. Die mit den Wiedereinsetzungsanträgen jeweils verbundenen Berufungen wurden gemäß § 208 Abs. 1 lit. b WAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung.

1.3.4. Mit Punkt II des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien diese Berufung ab. Nach der Begründung dieses Bescheides müsse der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund für die Versäumung der Frist, deren Wiedereinsetzung beantragt werde, kausal gewesen sein. Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der Berufungsfrist gegen den Abgabenbescheid vom 21. November 1990 sei mit Bescheid des Magistrates vom 9. Jänner 1991 gemäß § 191 Abs. 3 WAO abgewiesen worden, wobei eine unrichtigte Rechtsmittelbelehrung über die Zulässigkeit einer Berufung erteilt worden sei. In dieser unrichtigen Rechtsmittelbelehrung sehe die Beschwerdeführerin die Ursache für die Versäumung der Rechtsmittelfrist (gegen den Abgabenbescheid), wobei festzuhalten sei, daß der Bemessungsbescheid vom 21. November 1990 eine richtige Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Nach § 191 Abs. 4 WAO endet die mit dem Fristverlängerungsantrag verbundene Hemmung des Fristenlaufes mit dem Tag, an dem die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt werde. Somit habe der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin klar sein müssen, daß die Hemmung des Fristenlaufes beendet gewesen sei, sobald der Bescheid vom 9. Jänner 1991 erlassen gewesen sei. Dafür, daß sie trotzdem die Berufung innerhalb der verbliebenen Frist nicht eingebracht habe, könne die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des Bescheides über die Abweisung der Fristverlängerung nicht kausal sein. Die einmonatige Berufungsfrist sei unbestritten versäumt worden. Damit entspreche die Zurückweisung der Berufungen durch die Erstbehörde dem Gesetz, zumal auch der Wiedereinsetzungsantrag erfolglos geblieben sei. Die Berufungen seien abzuweisen gewesen.

1.4. Gegen beide Teile (I und II) des Bescheides der Abgabenberufungskommission vom 27. September 1991 wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften geltend gemacht wird.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1.1. Soweit sich die Beschwerde gegen PUNKT I des angefochtenen Bescheides wendet, macht die beschwerdeführende Partei geltend, das als Berufung bezeichnete Schreiben vom 20. Dezember 1990 sei der beschwerdeführenden Partei nicht zuzurechnen. Es stamme nicht von einem vertretungsbefugten Organ und auch nicht vom bevollmächtigten Rechtsfreund. Allenfalls hätte dieses Schreiben als zurückgenommen erklärt werden können. Rechtswidrig sei es jedoch, daß die Behörde ausgesprochen habe, daß die Berufung der Beschwerdeführerin vom 20. Dezember 1990 gemäß § 59 Abs. 2 WAO als zurückgenommen gelte.

2.1.2. § 57 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. Nr. 21/1962, lautet:

"(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 59 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen."

§ 59 Abs. 2 WAO bestimmt:

"(2) Formgebrechen und Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigten an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht."

2.1.3. Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH bestreitet nicht, daß sich die Eingabe vom 20. Dezember 1990 gegen die an sie gerichtete Abgabenvorschreibung vom 21. November 1990 richtete und inhaltlich eine Berufung zum Gegenstand hatte. Die Unterfertigung ist allerdings - so führte die Beschwerdeführerin schon in der Berufung aus - durch keine hiezu vertretungsberechtigte Person erfolgt. Die Nichtbefolgung des Mängelverbesserungsauftrages zog gemäß §§ 57 Abs. 2 und 59 Abs. 2 WAO die Rechtsfolge nach sich, daß die Eingabe als zurückgezogen galt. Der Verwaltungsgerichtshof deutet den diesbezüglichen Spruch im erstinstanzlichen Bescheid vom 31. Mai 1991, der den Inhalt des Punktes I des angefochtenen, abweislichen Bescheides konstituiert und im Zusammenhang mit der Begründung ausgelegt werden muß, dahin, daß damit die namens der Beschwerdeführerin erhobene "Berufung" - gemeint:

"Eingabe" - vom 20. Dezember 1990 als zurückgenommen gilt. Dabei läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig erkennen, daß die belangte Behörde diese Eingabe nicht der beschwerdeführenden Partei zugerechnet hat, wäre doch sonst der Satz unverständlich, es sei nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin durch die verfügte Zurücknahme in ihren Rechten verletzt sein wolle, erkläre sie doch unmißverständlich, sich mit der Eingabe vom 21. Dezember 1990 nicht zu identifizieren.

Daß die belangte Behörde im übrigen auch nicht von der "Sperrwirkung" des Bescheides vom 31. Mai 1991 gegen eine tatsächlich der Beschwerdeführerin zurechenbare - allfällige weitere - Berufung ausgegangen ist, zeigt das weitere Verwaltungsgeschehen, wonach die der beschwerdeführenden Partei zugerechnete spätere Berufung wegen Verfristung und nicht wegen der Fiktion der Berufungszurücknahme zurückgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sohin nicht zu erkennen, daß die beschwerdeführende Partei durch den Punkt I des angefochtenen Bescheides in ihren Rechten verletzt worden wäre.

2.2.1. Hinsichtlich des PUNKTES II des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde geltend gemacht, der die Fristverlängerungsanträge abweisende erstinstanzliche Bescheid vom 9. Jänner 1991 habe die Rechtsmittelbelehrung enthalten, daß gegen diesen Bescheid die Berufung innerhalb eines Monates zulässig sei. Deshalb habe die Beschwerdeführerin am 26. Jänner 1991 Berufung erhoben. Diese sei mit Bescheid vom 31. Mai 1991 mangels Zulässigkeit einer Berufung zurückgewiesen worden. Die unrichtige positive Rechtsmittelbelehrung trage die Schuld daran, daß die Beschwerdeführerin nicht die restliche Berufungsfrist zur Bekämpfung des Bescheides vom 21. November 1990 ausgenützt, sondern die Berufung gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1991 eingebracht habe. Es liege daher ein Grund für die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist gegen den Abgabenbescheid vom 21. November 1990 vor.

2.2.2. § 191 Abs. 3 und 4 WAO lauten:

"(3) Die Berufungsfrist kann aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird."

§ 198 WAO bestimmt:

"Durch die Einbringung einer Berufung wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten."

2.2.3. Der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Jänner 1991, mit dem die Fristverlängerungsanträge abgewiesen wurden, setzte mit dem Tag seiner Zustellung am 14. Jänner 1991 die durch den Verlängerungsantrag gehemmte Berufungsfrist wieder in Gang (§ 191 Abs. 3 WAO). Die wieder in Gang gesetzte Frist wurde unbestritten nicht genützt. Die beschwerdeführende Partei verkennt nun, daß selbst eine zulässige Berufung gegen den die Fristverlängerung abweisenden Bescheid den neuerlich in Gang gesetzten Lauf der Berufungfrist nicht gehemmt hätte, da den Berufungen nach der WAO eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 198 leg. cit.). Die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als unrichtig beurteilte positive Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Jänner 1991 ist daher jedenfalls kein Ereignis, dessentwegen die beschwerdeführende Partei die Ausnützung der restlichen Berufungsfrist gegen den Abgabenbescheid versäumt hat. Bei gehöriger Rechtskenntnis und Sorgfalt der schon im Abgabenverfahren anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin hätte nämlich die Berufungsfrist - ungeachtet der (durch die positive Rechtsmittelbelehrung veranlaßten) Berufung gegen die Abweisung der Fristverlängerung - wahrgenommen werden müssen.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage nicht verkannt, wenn sie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den Abgabenbescheid vom 21. November 1990 gemäß § 240 Abs. 1 WAO abgewiesen und die mit den Wiedereinsetzungsanträgen jeweils verbundenen Berufungen gemäß § 208 Abs. 1 lit. b WAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen hat.

Daß im übrigen die beschwerdeführende Partei den Bescheid vom 31. Mai 1991 (betreffend die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1991, der die Abweisung der Fristverlängerungsanträge zum Gegenstand hatte) bekämpft oder einen auf § 46 Abs. 2 VwGG gestützten Antrag vor dem Verwaltungsgerichtshof auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1991 eingebracht hätte, geht aus der vorliegenden Beschwerde (in Übereinstimmung mit den Aufzeichnungen des Verwaltungsgerichtshofes) nicht hervor, wäre aber selbst zutreffendenfalls für den Gegenstand des VORLIEGENDEN Beschwerdeverfahrens ohne Bedeutung.

2.3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992170078.X00

Im RIS seit

19.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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