TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/19 91/09/0007

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Veröffentlicht am 19.03.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
HVG §21 Abs1;
HVG §21 Abs2;
HVG §68 Abs2;
HVG §86;
KOVG 1957 §90 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Fritz, über die Beschwerde des GE in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 15. November 1990, Zl. OB. 113-480.592-008, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er ausspricht, daß ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr besteht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahre 1967 geborene Beschwerdeführer leistet ab dem 1. April 1986 als Zeitsoldat Dienst beim Österreichischen Bundesheer. Als voraussichtlicher Entlassungstag ist der 31. März 1996 vorgesehen. Am 16. Mai 1988 stürzte der Beschwerdeführer bei einer Kletterübung auf dem Peilstein ab, wobei er schwere Verletzungen erlitt (Gehirnerschütterung, Schädelfraktur, Bruch des linken Innenknöchels). Wegen dieses Unfalles stellte der Beschwerdeführer am 3. Juni 1988 beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) den formularmäßigen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG).

Das LIA führte daraufhin ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch, in dem es unter anderem die Krankengeschichte über den Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers im Landeskrankenhaus Mödling einholte, in dem dessen Innenknöchelbruch links operativ behandelt worden war. Auch forderte das LIA vom Militärkommando Niederösterreich die komplette Gesundheitskarte des Beschwerdeführers mit allen vorhandenen Unterlagen an. Das LIA holte weiters noch ärztliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. Z sowie des Facharztes für Chirurgie Dr. H ein.

Schließlich führte das LIA noch eine berufskundliche Beurteilung nach § 22 HVG durch.

Mit Bescheid des LIA vom 12. April 1989 wurde ausgesprochen:

"Auf Ihren Antrag, eingelangt am 1.6.1988 (richtig: 24. Juni 1988), werden gemäß §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, in der jeweils geltenden Fassung, nachstehend angeführte Gesundheitsschädigung(en) als Dienstbeschädigung(en) anerkannt:

Bezeichnung der Dienstbeschädigung:               Kausalanteil:

"...

...

...

IV AB 16.8.1988

    a) "Abgeheilte Commotio cerebri"                    1/1

    b) "Geheilter Bruch des linken Stirnbeines

       mit leichter Knochendelle"                       1/1

    c) "Blande Narbe linke Stirn"                       1/1

    d) "Zustand nach operativ versorgtem Bruch

       des linken inneren Knöchels und Cuboids"         1/1

Gemäß §§ 21 bis 24, 25, 55 und 70 HVG, in der jeweils geltenden Fassung, wird Ihnen ab 1.5.1988 eine Beschädigtenrente zuerkannt. Diese beträgt entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 bzw. 90 v.H. mtl. S 10.411,--, ab 1.7.1988 entsprechend einer MdE von 70 v.H. mtl. S 7.288,-- und ab 1.9.1988 entsprechend einer MdE von 30 v.H. mtl. S 2.603,--."

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage führte die Versorgungsbehörde erster Instanz zur Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. H vom 16. September 1988, das für schlüssig befunden und in freier Beweiswürdigung diesem Bescheid zugrundegelegt worden sei, ergebe sich folgende Einschätzung nach den Richtsätzen zu § 21 HVG:

"...

...

...

IV AB 16.8.1988

a) Abgeheilte Commotio cerebri  RS-Pos. IV/v/569   MdE  0 %

b) Geheilter Bruch des linken

   Stirnbeines mit leichter

   Knochendelle                 RS-Pos. I/a/2      MdE 10 %

c) Blande Narbe linke Stirn     RS-Pos. IX/c/702

                                Tab. 1, re+NS      MdE 10 %

d) Zustand nach operativ

   versorgtem Bruch des linken

   inneren Knöchels und Cuboids  RS-Pos. g.Z.

                                         I/d/136   MdE 30 %"

Für die Beurteilung innerhalb der Rahmensätze sei maßgebend gewesen: ...

ZU IVb): unterer Rahmensatzwert, der geringen Delle und der Beschwerdefreiheit entsprechend.

ZU IVc): unterer Rahmensatzwert, weil kosmetisch nicht störend zuzüglich 10 %, weil im Gesicht.

ZU IVd): eine Stufe unter dem obersten Rahmensatzwert, der Bewegungseinschränkung und den glaubhaften Schmerzen und der Gangbehinderung entsprechend.

Die durch das schädigende Ereignis bzw. durch die der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse verursachte gesamte MdE sei im Sinne des § 3 der Verordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 151, ab 1. Juni 1988 mit 90 v.H., ab 1. Juli 1988 mit 70 v.H. und ab 1. September 1988 mit 30 v.H. festgestellt worden. Maßgebend für die Einschätzung der Gesamt-MdE ab 1. September 1988 mit 30 % sei gewesen, daß die MdE der Dienstbeschädigung 4 durch die MdE der übrigen Leiden nicht weiter erhöht werde.

In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides setzt sich das LIA weiters noch mit der Prüfung nach § 22 HVG sowie mit der Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Festsetzung der Höhe der Beschädigtenrente auseinander.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen (als "Einspruch") bezeichneten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei am 9. November 1988 im Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler nochmals operiert worden und habe ab diesem Zeitpunkt ca. einen Monat mit Stützkrücken gehen müssen; für diesen Zeitraum habe daher sicherlich eine größere Invalidität als 30 % bestanden. Der Berufung war eine Behandlungsbestätigung des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler vom 18. November 1988 angeschlossen.

Die belangte Behörde führte daraufhin ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, in dem sie zunächst die Krankengeschichte des Beschwerdeführers vom Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler, in dem er sich vom 16. Juni 1988 bis 9. Jänner 1989 in stationärer und ambulanter Behandlung befunden hatte, anforderte. Die belangte Behörde holte weiters im Berufungsverfahren einen Röntgenbefund von Dr. N vom 21. September 1989 sowie ein ärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D vom 4. Dezember 1989 ein. Dr. D nahm nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers zunächst eine stufenweise Einschätzung der MdE ab 16. Mai 1988 vor, wobei er zu einer Einschätzung der Gesamt-MdE ab 9. Jänner 1989 mit insgesamt 20 v.H. gelangte. Weiters führte er in seinem Gutachten aus, dem "Einspruch" sei zu folgen gewesen, weil nach dem Eingriff am 9. November 1988 - Metallentfernung, arthroskopische Untersuchung des Sprunggelenkes und Bridendurchtrennung - eine Entlastung des linken Beines ärztlich vorgeschrieben gewesen sei. Eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich, weil nach all den getroffenen Maßnahmen und der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit eine Besserung des Bewegungsbefundes nicht zu erwarten und ein Dauerzustand eingetreten sei.

Die belangte Behörde führte auch eine neuerliche berufskundliche Beurteilung nach § 22 HVG durch.

Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis. Er brachte in seiner Stellungnahme vom 23. März 1990 hiezu im wesentlichen vor, die Untersuchung durch Dr. D habe nach seinen Aufzeichnungen am 11. September 1989 und nicht am 4. Dezember 1989, wie dies in dessen Gutachten vermerkt sei, stattgefunden. Bei seiner Untersuchung habe er Dr. D auf seine orthopädischen Schuhe aufmerksam gemacht, die er zu diesem Zeitpunkt ständig getragen habe; Dr. D schreibe in seinem Gutachten auf Seite 3 "... normales Schuhwerk". Augenfällig erscheine es ihm auch, daß die Angaben betreffend seine Kopfschmerzen nicht weiter untersucht worden seien. Dieser Stellungnahme legte der Beschwerdeführer unter anderem einen Befund des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. W vom 15. März 1990, einen Befundbericht des Militärarztes vom 5. September 1989 sowie ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. K vom 13. September 1989 bei. Nach Befunderhebung kam Dr. K dabei zu folgendem Ergebnis:

"Nach Gehirnerschütterung, Schädelbasisbruch und Zerrung der Halswirbelsäule sowie diversen Rißwunden bestehen keine Beschwerden mehr. Nach Bruch am linken Innenknöchel und Würfelbein, sowie sekundärer Arthrose im linken oberen und unteren Sprunggelenk, besteht eine beträchtliche Bewegungseinschränkung im linken oberen und unteren Sprunggelenk, eine Muskelverschmächtigung am linken Bein und geringe Schwellung am linken Unterschenkel, es besteht eine leichte Gangstörung und Belastungsschmerzen, orthopädische Schuhe müssen getragen werden. Die M.d.G. des linken Fußes kann mit 30 % angenommen werden. Eine wesentliche Besserung ist nicht mehr zu erwarten."

In diesem Gutachten wurde in der vorletzten Zeile das Wort "Fußes" gestrichen, wobei die dabei vorgenommene Berichtigung unleserlich ist.

Die belangte Behörde holte daraufhin zu den Berufungseinwendungen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. D vom 16. April 1990 ein, der darauf hinwies, der Beschwerdeführer übersehe, daß der Zeitpunkt einer Untersuchung nicht mit dem Zeitpunkt der Erstellung eines Gutachtens übereinstimmen müsse. Bezüglich der erwähnten Kopfschmerzen verweise er auf die Schmerzcharakterisierung durch den Beschwerdeführer in seinem Gutachten vom 4. Dezember 1989 sowie auf die neurologische Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren. Sollten nunmehr verstärkte Beschwerden bestehen, so wäre ein entsprechender Antrag zu stellen und gegebenenfalls eine neuerliche neurologische und psychologische Begutachtung erforderlich. Die vom Beschwerdeführer erwähnten orthopädischen Schuhe seien keine den langläufigen Vorstellungen entsprechenden. Es handle sich vielmehr um einen Adimed-Sportschuh, der wegen einer plötzlich aufgetretenen Achillessehnenreizung im August 1989 verordnet worden sei. In dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten vom 16. September 1988 sei eine MdE von 30 % zugesprochen, jedoch auch eine Nachuntersuchung für September 1989 vorgesehen worden. In der Zwischenzeit seien auch weitere therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Bewegungsumfanges getroffen worden.

Der Beschwerdeführer erhielt auch von dieser Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis. In seiner Stellungnahme vom 31. Mai 1990 brachte er hiezu im wesentlichen vor, der Schuh sei nicht nur wegen der Achillessehnenreizung verordnet worden und müsse von ihm ständig getragen werden, wobei diesbezüglich auch jederzeit bei seinem Hausarzt rückgefragt werden könne. Er stehe auch wegen ständiger Kopfschmerzen bei seinem Arzt Dr. Ni in Behandlung; er ersuche die belangte Behörde um Einholung der Behandlungsunterlagen. Bei zahllosen Röntgenaufnahmen im Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler habe an seinem linken Sprunggelenk keinerlei Veränderung festgestellt werden können. Erst als er auf einem Tisch stehend nochmals geröntgt worden sei, seien die Ärzte zu einer Diagnose gelangt. Bei der Röntgenuntersuchung beim LIA sei nur liegend eine Röntgenaufnahme gemacht worden, die daher ebenfalls zu keinem Ergebnis habe führen können. Er ersuche die belangte Behörde, bei der Entscheidung sämtliche Gutachten - auch die von ihm vorgelegten - zu berücksichtigen, weil er der Ansicht sei, daß die jeweiligen Untersuchungsergebnisse oft auch von der Tagesverfassung zum Zeitpunkt der Untersuchung abhängig seien.

Über Anfrage teilte der praktische Arzt Dr. Ni mit, daß Befunde nicht vorlägen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. November 1990 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 HVG mit der Maßgabe bestätigt, daß ab 1. Mai 1988 eine Beschädigtenrente nach einer MdE von 100 v.H. von monatlich S 10.411,--, ab 1. Juni 1988 nach einer MdE von 70 v.H. von monatlich S 7.288,-- und ab 1. August 1988 nach einer MdE von 40 v.H. von monatlich S 3.470,-- gewährt werde; unter einem wurde ausgesprochen, daß mit Wirkung ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr bestehe. Die Dienstbeschädigung (§ 2 HVG) werde wie folgt bezeichnet:

"...

...

...

AB 1.12.1989 (richtig wohl: 1988):

1)

Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenkes nach operativ versorgtem Innenknöchelbruch und Bruch des Würfelbeines, Metallentfernung und Bridendurchtrennung

2)

Narbe im Stirn-Scheitelbereich links."

Zur Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes auf das von ihr zur Prüfung der Berufungseinwendungen eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. D sowie dessen ergänzende Stellungnahme hin, woraus sich folgende medizinische Beurteilung ergebe:

"Den Berufungseinwendungen war zu folgen, weil nach dem Eingriff am 9. November 1988 nach Metallentfernung, arthroskopischer Untersuchung des Sprunggelenkes und Bridendurchtrennung eine Entlastung des linken Beines ärztlich verordnet war.

In den vorgelegten Befunden finden sich drei verschiedene Bewegungsbefunde des linken Sprunggelenkes. In die allgemein übliche Beschreibung eines Bewegungsumfanges übertragen lauten diese Befunde wie folgt:

S 0-15, S 0-0-10, S 15-0-35.

Der persönlich erhobene Befund betrug S 5-0-30 und entspricht damit dem im Lorenz-Böhler-Krankenhaus erhobenen Befund. Dieser Befund stellt eine Bewegungseinschränkung dar, die in der Dorsalflexion des oberen Sprunggelenkes besteht, während die Plantarflexion weitgehend frei durchführbar ist.

Nicht unterwähnt soll hierbei bleiben, daß im Befund des Lorenz-Böhler-Krankenhauses vom 9. Jänner 1989 festgehalten wurde, daß der Patient bereits Skifahren gewesen und der Gang nahezu unbehindert sei.

Auch bei der klinischen Untersuchung zum Zwecke der Gutachtenerstellung wurde ein flotter und sicherer Gang beobachtet, alle Gangqualitäten waren frei durchführbar. Für die Einschätzung ab 9. Jänner 1989 war die Position 136 heranzuziehen, die einen Rahmen von einer MdE von 10 v.H. bis 40 v.H. aufweist. Entsprechend dem Wortlaut der Position ist der obere Rahmensatz der Versteifung eines Sprunggelenkes vorbehalten und daher nicht heranzuziehen. Der mittlere obere Rahmensatz muß daher einer weitgehenden Einschränkung zugeordnet werden. Da beim BW die Bewegungseinschränkung vornehmlich in der Dorsalflexion zu finden ist, ist daher der untere mittlere Rahmensatz anzuwenden.

Zu den vom BW erwähnten orthopädischen Schuhen ist festzustellen, daß diese nicht den Vorstellungen eines echten orthopädischen Schuhwerks entsprechen.

Es handelt sich vielmehr um einen Adimed-Sportschuh, der wegen einer plötzlich aufgetretenen Achillessehnenreizung im August 1989 verordnet wurde."

Auf Grund dieser medizinischen Beurteilung ergebe sich nachfolgende (abgestufte) Richtsatzeinschätzung:

"...

...

...

AB 9.1.1989:

1)

Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenkes nach operativ versorgtem Innenknöchelbruch und Bruch des Würfelbeines, Metallentfernung und Bridendurchtrennung RS-Pos.

                                             I/d/136  MdE 20 %

2)  Narbe im Stirn-Scheitelbereich links     RS-Pos.

                                             IX/c/702

                                            T.1.Z.re. MdE 10 %"

    Die Einreihung der unter Punkt 1. angeführten

Dienstbeschädigung innerhalb des Rahmensatzes der Positon 136

erfolge in der Erwägung, daß die Bewegungseinschränkung im

wesentlichen nur in der Dorsalflexion des Sprunggelenkes

bestehe. Die Gesamt-MdE sei im Sinne des § 3 der Verordnung des

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. Juni 1965,

BGBl. Nr. 151/1965, (zuletzt) ab 9. Jänner 1989 mit 20 v.H.

festgestellt worden, wobei hiefür maßgebend gewesen sei, daß die führende MdE durch das weitere DB-Leiden keinerlei Erhöhung mehr erfahre. Die MdE betrage daher gemäß § 21 HVG ab 1. Mai 1988 100 v.H., ab 1. Juni 1988 70 v.H., ab 1. August 1988 40 v.H. und ab 1. Februar 1989 20 v.H. Das Gutachten des Sachverständigen sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrundegelegt worden.

Nach Wiedergabe der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 22 HVG, in der die Feststellung enthalten ist, daß keine beruflichen Sonderverhältnisse im Sinne des § 22 HVG vorlägen und somit eine Einschätzung der MdE nach dieser Gesetzesstelle nicht habe vorgenommen werden können, wird weiters ausgeführt, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden sei. Die vorgebrachten Einwendungen seien jedoch nicht geeignet gewesen, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten zu entkräften. Insbesondere sei festzuhalten, daß beim behandelnden Arzt des Beschwerdeführers keine weiteren Befunde aufgelegen seien. Zu den im Berufungsverfahren geltend gemachten Kopfschmerzen sei festzustellen, daß diese nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sein könnten, weil darüber noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliege. Ein entsprechender Antrag könne jedoch jederzeit beim LIA eingebracht werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich, soweit er ausspricht, daß dem Beschwerdeführer ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr zustehe, die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Seinem Vorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuspruch einer Beschädigtenrente nach dem HVG auch nach dem 1. Februar 1989 verletzt; seine MdE sei ab diesem Zeitpunkt höher einzuschätzen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde begnüge sich damit, bloß das Gutachten Dris. D bzw. sein Ergebnis darzustellen und ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung oder Befassung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie gelange solcherart zu einer MdE für den Zeitraum ab 1. Februar 1989 von bloß 20 %. Die Behörde habe damit aber die ihr obliegende Überprüfung und Beweiswürdigung der Verfahrensergebnisse nicht gehörig vorgenommen. Es sei lediglich ohne Begründung festgestellt worden, daß die vorgebrachten Einwendungen nicht geeignet wären, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten zu entkräften. Nicht einmal Erwähnung habe gefunden, daß ein dem Gutachten des Amtssachverständigen widersprechendes Gutachten vorgelegt worden sei, mit dem der Amtssachverständige sich nicht auseinandergesetzt habe. Tatsächlich stehe ihm auch ab dem 1. Februar 1989 eine Beschädigtenrente, zumindest ausgehend von einer MdE von 30 %, zu. Das Gutachten Dris. D vom 4. Dezember 1989 gebe nicht an, wann die zugrundeliegende Befundaufnahme stattgefunden habe; es sei somit nicht klar, zu welchem Stichtag die tatsächlichen Grundlagen für die Gutachtenserstellung erhoben worden seien. Schon dies allein begründe einen überprüfungsbedürftigen Mangel bzw. erschwere im höchstem Maße eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens. Die - wenigstens nachträgliche - Angabe des Untersuchungszeitpunktes wäre zwecks Auseinandersetzung mit dem von ihm vorgelegten Privatgutachten des - fachlich anerkannten und geschätzten - Sachverständigen Dr. K vom 13. September 1989 (welches mit dem Befundaufnahme- bzw. Untersuchungsdatum ausgefertigt worden sei) unbedingt notwendig gewesen.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Gemäß § 21 Abs. 1 HVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 v.H. vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 v.H. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 iVm § 67 AVG sind in der Begründung eines Berufungsbescheides u.a. auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Ein Bescheid, der diesen Erfordernissen nicht entspricht, bedarf hinsichtlich des Sachverhaltes der Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt sind, mit einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG behaftet.

Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (sogenannter Grundsatz der freien Beweiswürdigung), bedeutet nicht, daß dieser in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die in Rede stehende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes hat nur zur Folge, daß, sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt auch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend ermittelt ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1991, Zl. 90/09/0046).

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß allein dem Fehlen des Untersuchungszeitpunktes im Gutachten Dris. D (auch nachträglich hat das Datum der Befunderhebung von dem genannten Sachverständigen NICHT angegeben werden können) in der Frage der Schlüssigkeit dieses Gutachtens die von der Beschwerde angenommene entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zukommt, zumal der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23. März 1990 selbst darauf hinweist, daß nach seinen Aufzeichnungen die Untersuchung durch Dr. D am 11. September 1989 erfolgt sei. In ihrer Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, daß aus der Tatsache, daß am 21. September 1989 im LIA ein Röntgenbefund des linken Sprunggelenkes mit Seitenvergleich angefertigt worden sei, zu schließen sei, daß die persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers durch Dr. D an diesem Tage stattgefunden habe. Jedenfalls kann somit angenommen werden, daß die Untersuchung durch Dr. D ungefähr zur gleichen Zeit erfolgt ist, wie die Untersuchung durch Dr. K (13. September 1989), sodaß keines der beiden Gutachten in einer (für den Beschwerdefall möglicherweise wesentlichen) größeren zeitlichen Nahebeziehung zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde steht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt im übrigen die vom Sachverständigen Dr. D in seiner Stellungnahme vom 25. April 1990 vertretenen Auffassung, daß der Zeitpunkt der Untersuchung grundsätzlich nicht mit dem Zeitpunkt der Erstellung eines Gutachtens übereinstimmen muß.

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung (in der im Beschwerdefall maßgebenden Frage der Einschätzung der MdE ab 1. Februar 1989 und damit auch in der Frage des Bestehens eines Anspruches auf Beschädigtenrente ab diesem Zeitpunkt) auf das von ihr eingeholte und als schlüssig erkannte Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D sowie auf dessen (in Auseinandersetzung mit den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers und der von diesem vorgelegten Befunde ergangene) Stellungnahme vom 16. April 1990. Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Berufungsverfahrens ein von privater Seite (Dr. K) erstattetes Gutachten vorgelegt, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 30 % festgestellt worden ist. Für die Einschätzung der MdE des Beschwerdeführers, die im Beschwerdefall (ab 1. Februar 1989) gerade in den Randbereich der Zuerkennung bzw. der Ablehnung eines Rentenanspruches (25 % MdE) fällt, sind der belangten Behörde somit zwei einander widersprechende Gutachten vorgelegen.

In der Frage der Beurteilung der einander widersprechenden Gutachten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, daß nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen den Ausschlag geben darf. Der unterschiedliche Wert solcher Gutachten liegt vielmehr im Grad des erkennbaren inneren Wahrheitswertes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1952, Zl. 76/51, VwSlg. 2453/A). Bei einander widersprechenden Gutachten ist es der Behörde gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen. Sie hat aber in der Begründung ihres Bescheides die Gedankengänge darzulegen, die dafür maßgebend waren, daß sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat. Bei Widersprüchen zwischen dem Gutachten eines privaten und eines amtlichen Sachverständigen kann nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen, sondern nur der innere Wahrheitswert des Gutachtens den Ausschlag geben. Dies folgt schon aus dem auch für das Verwaltungsverfahren tragenden Grundsatz der materiellen Wahrheit (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0047, 0108, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid läßt jedenfalls nicht erkennen, welche sachlichen Erwägungen für die belangte Behörde maßgebend waren, dem Gutachten und der Stellungnahme Dris. D gegenüber dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, in der entscheidenden Frage (hinsichtlich der Einschätzung der MdE ab 1. Februar 1989) widersprechenden Privatgutachten den Vorzug zu geben.

Im angefochtenen Bescheid fehlt auch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 1990, wonach die jeweiligen Untersuchungsergebnisse oft auch von der Tagesverfassung zum Zeitpunkt der Untersuchung abhängig seien. Ungeklärt ist auch geblieben, ob die Lage des Fußes - wie dies vom Beschwerdeführer behauptet worden ist - bei der Röntgenaufnahme (für deren Ergebnis) von entscheidender Bedeutung sein kann. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs (in Verbindung mit dem von ihm vorgelegten Gutachten Dris. K) kann bei der gegebenen Sachlage nicht mit der formelhaften Feststellung abgetan werden, es sei nicht geeignet, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachen zu entkräften.

Wenn die belangte Behörde nunmehr den Versuch unternimmt, Begründungsteile in der Gegenschrift nachzubringen, so ist sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift fehlende Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1991, Zl. 91/18/0161).

Wenn der Beschwerdeführer abschließend in seinem Beschwerdeschriftsatz die berufskundliche Beurteilung nach § 22 HVG bekämpft, so verstößt er damit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Sinne des § 41 VwGG geltende Neuerungsverbot. Im Verwaltungsverfahren hat es der Beschwerdeführer nämlich verabsäumt (sachlich fundierte) Einwendungen gegen die berufskundliche Beurteilung vorzubringen, die die belangte Behörde allenfalls dazu veranlaßt hätten, das Ermittlungsverfahren in dieser Richtung zu ergänzen.

Aus den oben wiedergegebenen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Der angefochtene Bescheid mußte daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachten Stempelgebühren, die im Hinblick auf den auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden § 68 Abs. 2 HVG nicht zu entrichten war.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer Sachverständiger Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Vom Sachverständigen herangezogene Befunde und sonstige Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090007.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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