TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/24 91/08/0010

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs2;
HBG §1 Abs2 litb;
HBG §2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 11. Dezember 1990, Zl. 122.367/6-7/90, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. XY Aktiengesellschaft in I, 2. M in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von S 505,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. März 1988 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß der Zweitmitbeteiligte auf Grund seiner Beschäftigung "als Hausmeister" bei der erstmitbeteiligten Partei von März 1978 "bis laufend" der Sozialversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 des Arbeitlosenversicherungsgesetzes (AlVG) unterliege.

Dem gegen diesen Bescheid seitens der erstmitbeteiligten Partei erhobenen Einspruch wurde von der (im Devolutionsweg gemäß § 73 Abs. 2 AVG angerufenen) belangten Behörde mit Bescheid vom 11. Dezember 1990 Folge gegeben und in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt, daß der Zweitmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit für die erstmitbeteiligte Partei ab März 1978 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG unterliege.

Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

    "Mit einem zwischen ihm und der ... (erstmitbeteiligten

Partei) ... abgeschlossenen Werkvertrag verpflichtete sich der

(Zweitmitbeteiligte) ... zur Durchführung verschiedener

Wartungs-, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten im

Speditionsgebäude am Autobahnzollamt XY. Nach seinen eigenen

Angaben bei der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 31. 8. 1987

bzw. beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 25. 9. 1990, an

deren Richtigkeit zu zweifeln für das Bundesministerium für

Arbeit und Soziales kein Anlaß besteht, ist ... (der

Zweitmitbeteiligte) ... seit März 1978 ... in der oben

beschriebenen Weise tätig. Sein Aufgabenbereich entspricht etwa dem eines Hausbesorgers, wobei er allerdings keine Reinigungsarbeiten im Gebäude durchführen muß. Der rund um das Haus verlaufende Gehsteig wird in der Regel von der ... (erstmitbeteiligten Partei) ... selbst gereinigt und im Winter eisfrei gehalten. Ihm obliegt die Betreuung der Heizungsanlage, die Bestellung von Heizöl, die Besorgung von Reinigungsmaterial für die Putzfrau sowie die Vornahme kleinerer Reparaturen, von deren Notwendigkeit er von den Mietern in Kenntnis gesetzt wird. Er ist nicht an die Einhaltung einer fixen Arbeitszeit, die Befolgung von Weisungen oder an die Einhaltung betrieblicher Ordnungsvorschriften gebunden, seine Tätigkeit wird nicht überwacht. Grundsätzlich führt er die ihm obliegenden Arbeiten persönlich durch, für den Fall seiner Verhinderung kann er sich generell vertreten lassen, ohne

vorher das Einvernehmen mit der ... (erstmitbeteiligten Partei) ... herstellen zu müssen. In der Regel werden die

anfallenden Arbeiten dann von seinem Sohn erledigt. Für seine Tätigkeit erhält (der Zweitmitbeteiligte) monatlich einen Betrag von 2.400,-- S plus Mehrwertsteuer, die er ans Finanzamt abführt"

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß bei der Beschäftigung des Zweitmitbeteiligten zur erstmitbeteiligten Partei die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit gegenüber jenen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit wesentlich überwiegen würden. Abgesehen davon, daß der Zweitmitbeteiligte nicht an die Einhaltung einer bestimmten Arbeitszeit und betrieblicher Ordnungsvorschriften sowie an auf das arbeitsbezogene Verhalten gerichtete Weisungen gebunden sei, schließe allein schon die Möglichkeit, sich generell vertreten lassen zu können, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Dienstverhältnis aus (Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. 9. 1986, Zl. 82/08/0208).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen. Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. auf Grund eines Werkvertrages oder freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzliche) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Das Fehlen grundsätzlich persönlicher Arbeitspflicht, also die Berechtigung, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte verrichten zu lassen, schließt hingegen die persönliche Abhängigkeit wegen der dadurch fehlenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Verpflichteten aus (vgl. u.a. das grundliegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11361/A, mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung sowie hinsichtlich der Vertretungsbefugnis das Erkenntnis vom 10. April 1981, Slg. Nr. 10422/A, und - aus jüngerer Zeit - das Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0117).

Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf ständige Lehre und Rechtsprechung u.a. in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1988, Zl. 87/08/0092, ausgesprochen hat, ist zur Qualifizierung eines Dienstverhältnisses als Hausbesorgerdienstverhältnis (und daher als schon deshalb versicherungspflichtig) wesentlich, daß sich eine Person sowohl zur Reinhaltung als auch zur Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses gegen Entgelt verpflichtet hat; dabei ist dem Gesetz auch dann entsprochen, wenn keine dieser Dienstleistungspflichten in vollem Umfang zu erbringen ist; entscheidend ist nur, daß dem Dienstnehmer Dienstpflichten aus allen drei Bereichen - Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung - übertragen worden sind.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß der Aufgabenbereich des Zweitmitbeteiligen dem eines Hausbesorgers entspreche, weil ihm sowohl die Reinhaltung als auch die Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses im Auftrag des Hauseigentümers obliege. Die Qualifikation des Zweitmitbeteiligten als Hausbesorger ist jedoch - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - schon deshalb zu verneinen, weil - wie auf Grund der Aktenlage in Übereinstimmung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen unbestritten ist - das vom Zweitmitbeteiligten im beschriebenen Umfang betreute Haus lediglich mehrere an Speditionen vermietete Büros enthält und damit AUSSCHLIESSLICH den Zwecken einer der Gewerbeordnung unterliegenden Tätigkeit dient. Gemäß § 1 Abs. 2 lit. b des Hausbesorgergesetzes finden die Vorschriften dieses Bundesgesetzes auf solche Dienstverhältnisse keine Anwendung. Es kann daher auf sich beruhen, ob der Zweitmitbeteiligte Hausbesorger im Sinne des § 2 Z. 1 leg. cit. wäre.

Die Beschwerdeführerin wendet sich ferner gegen die Annahme der belangten Behörde, der Zweitmitbeteiligte könne sich bei Erbringung seiner Arbeitsleistung jederzeit vertreten lassen. Auch diese Frage kann letztlich auf sich beruhen, weil der Zweitmitbeteiligte vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage schon deshalb nicht der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG unterliegt, weil er nach den - insoweit in der Beschwerde nicht bekämpften - Feststellungen der belangten Behörde weder zur Einhaltung einer fixen Arbeitszeit, noch zur Befolgung von Weisungen verpflichtet und auch nicht an betriebliche Ordnungsvorschriften gebunden ist. Insbesondere die sich daraus ergebende Berechtigung des Zweitmitbeteiligten, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, ohne daß dem Empfänger der Arbeitsleistung diesbezügliche Weisungs- und Kontrollbefugnisse zukämen, in Verbindung mit der freien Gestaltung der Arbeitszeit spricht entschieden für ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Unabhängigkeit (vgl. die Erkenntnisse vom 25. 10. 1984, Zl. 82/08/0177 sowie vom 23. 5. 1985, Zl. 84/08/0070, 85/08/0011 sowie das bereits erwähnte Erkenntnis vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11361/A).

Daran ändern auch nichts die Beschwerdeausführungen, worin eingehend dargelegt wird, aus welchen Gründen nach Auffassung der Beschwerdeführerin die Annahme eines Werkvertrages im Beschwerdefall ausscheidet. Die Beschwerdeführerin übersieht in diesem Zusammenhang, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon dann vorliegt, wenn die Annahme eines Werkvertrages ausscheidet, weil auch andere Formen der Beschäftigung, so z.B. im Rahmen eines freien Dienstvertrages, nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG erfolgen müssen. Auch wenn man daher mit der Beschwerdeführerin vom Vorliegen eines "Dienstverhältnisses" im Beschwerdefall ausgeht, so liegt zwar ein freier Dienstvertrag, nicht aber ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.

Da die Beschwerdeführerin die für die Annahme einer Beschäftigung in persönlicher Unabhängigkeit maßgebenden Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde im übrigen nicht bekämpft und dagegen auch keine allenfalls von Amts wegen aufzugreifenden Bedenken bestehen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 105/1991. Der erstmitbeteiligten Partei konnte jedoch der Schriftsatzaufwand nur im verzeichneten Umfang zugesprochen werden; das Kostenmehrbegehren auf Erstattung von Stempelgebühren mußte im Hinblick auf die gemäß § 110 ASVG auch im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit abgewiesen werden.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Selbständige Erwerbstätigkeit Abgrenzung Dienstnehmer Begriff Hausbesorger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991080010.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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