TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/25 91/13/0155

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Index

14/03 Abgabenverwaltungsorganisation;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;
53 Wirtschaftsförderung;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVOG 1975 §2 Abs1;
BAO §114;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §119;
BAO §147;
BAO §201;
BAO §280;
BAO §289 Abs2;
BAO §74;
EStG 1972 §6 Z1;
InvestPrämG §5;
InvestPrämG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der F GmbH in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1991, Zl. 6/2-2036/90-11, betreffend Investitionsprämie für das zweite Kalendervierteljahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine EDV Software Entwicklungs- und VertriebsgesmbH, machte laut einem Verzeichnis gemäß Investitionsprämiengesetz für das zweite Kalendervierteljahr 1987 für den Erwerb eines Softwareprogrammes Investitionsprämie im Ausmaß von 8 % der Anschaffungskosten in Höhe von S 33,000.000,-- geltend. Laut dem über Vorhalt des Finanzamtes vorgelegten Kaufvertrag vom 10. April 1987 wird das entsprechende Softwarepaket zur alleinigen Verwertung samt allen bisher aus dem Verkauf dieser Software entstandenen Forderungen und Ansprüchen gegenüber Dritten um den genannten Preis verkauft und mit allen dafür notwendigen Unterlagen, wie Bedienungshandbuch, Funktionsbeschreibung etc und Source-Code übergeben. Als Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Vertrages wurde die Zustimmung der C-GesmbH vereinbart, daß sie mit der Übergabe aller Rechte und Pflichten, wie sie aus dem bisherigen Vertragsverhältnis zwischen der Verkäuferin und ihr entstanden sind, einverstanden sei. Die Zustimmung müsse schriftlich gegeben werden und nicht nur den Grundvertrag, sondern auch alle Zusatzvereinbarungen enthalten. Ferner sei der mit Wirkung vom 1. April 1987 abgeschlossene Vertrag mit der Firma HPÖ auf den Käufer zu überbinden.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde hinsichtlich dieser geltend gemachten Investitionsprämie festgestellt, daß sie auf Grund der Bestimmungen des § 2 Abs 2 Investitionsprämiengesetz (IPrämG) in der für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. März 1987 angeschafft wurden, geltenden Fassung nicht gewährt werden könne, weil die entgeltliche Überlassung überwiegend im Ausland erfolge. Das Finanzamt folgte dieser Feststellung und erließ einen Bescheid, in welchem ausgesprochen wurde, daß die Investitionsprämie nicht zusteht. Begründend wurde auf den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht über das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung verwiesen.

In einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß das Softwarepaket ausschließlich in Österreich in Verwendung gestanden sei. Im Ausland wären nur die Kopien bzw. die Vertriebsrechte dafür zur Verwendung überlassen worden.

Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt. Diese ersuchte mit Vorhalt vom 27. September 1990 um Beantwortung mehrerer Fragen, ua wurde angefragt, wie die Rechte und Pflichten der Verkäuferin aus dem Vertrag mit der C-GesmbH vom 17. September 1985 auf die Käuferin (Beschwerdeführerin) übertragen wurden. Darüber existierende Unterlagen seien vorzulegen. Insbesondere sei nachzuweisen, in welcher Form das Einverständnis im Sinne des

5. und 6. Absatzes des Kaufvertrages vom 10. April 1987 erteilt worden wäre. Der mit Wirkung 1. April 1987 zwischen der Verkäuferin und der Firma HPÖ abgeschlossene Vertrag sei vorzulegen und seine Überbindung von der Verkäuferin auf die Käuferin (Beschwerdeführerin) nachzuweisen.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom 4. Dezember 1990 wurde vorgebracht, daß die Liste der Fragen der Beschwerdeführerin unverständlich sei und nur einen enormen administrativen Aufwand verursache. Sämtliche angesprochenen Unterlagen seien der Betriebsprüfung zur Verfügung gestanden und wären auch eingesehen worden. Es werde "auf die Einsicht der Betriebsprüfung" verwiesen.

Mit der nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Entscheidung wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies zunächst mit der Begründung, daß die Voraussetzung der Anschaffung des streitgegenständlichen Wirtschaftsgutes trotz Aufforderung nicht nachgewiesen worden sei. Im übrigen bestätigte die belangte Behörde im wesentlichen die im Bericht über die Buch- und Betriebsprüfung dargelegte Ansicht des Finanzamtes.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Auszahlung einer Investitionsprämie verletzt, behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid zunächst damit, daß die belangte Behörde mit der Begründung, "gewisse Unterlagen" wären nicht vorgelegt worden, davon ausgegangen sei, daß das Softwarepaket nicht erworben worden wäre. Bei diesen Unterlagen handle es sich um eine äußerst umständliche und einen hohen Aufwand bedingende Dokumentation, deren Vorlage schon deshalb nicht notwendig erschienen sei, weil "auf Grund der Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens ohnehin der Erwerb des Softwarepaketes auch für die belangte Behörde zweifelsfrei festgestanden sei". Von der "Betriebsprüfung, die als sachliche Unterbehörde der belangten Behörde zuzurechnen sei", wäre das Eigentumsrecht und der Erwerb des Softwarepaketes niemals ernstlich bezweifelt, sondern wären die tatsächlichen Rechtsverhältnisse auch eindeutig überprüft und festgestellt worden. Der sachlichen Begründung der Berufungsentscheidung sei daher schon deshalb der Boden entzogen, weil sie sich von den Feststellungen der Betriebsprüfung entferne, ohne hiefür eine sachlich geeignete Argumentation vorzunehmen oder eigene Feststellungen in geeigneter Weise zu dokumentieren.

Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 289 Abs 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Daraus ergibt sich, daß die Berufungsbehörde in ihrer Entscheidung in keiner Weise eingeschränkt ist. Die Berufungsbehörde muß in ihrer Entscheidung über alle jene Punkte absprechen, die die Berufungswerberin bekämpft hat. Sie hat aber auch in Beachtung der Vorschriften der §§ 114 f und 280 BAO den angefochtenen Bescheid in allen anderen Belangen auf seine Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit einer Prüfung zu unterziehen und deren Ergebnis ihrer Berufungsentscheidung zugrunde zu legen (vgl Stoll, BAO-Handbuch, S 685, und die darin zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die belangte Behörde war daher sowohl berechtigt als auch verpflichtet, zu prüfen, ob die grundsätzliche Voraussetzung für die Zuerkennung einer Investitionsprämie - die Anschaffung oder Herstellung eines entsprechenden Wirtschaftsgutes - vorliegt, auch wenn der Erwerb des Softwarepaketes von der Abgabenbehörde erster Instanz niemals ernstlich bezweifelt worden war. Die Beschwerdeführerin verkennt die Rechtslage, wenn sie sinngemäß meint, die belangte Behörde sei an die Feststellungen der Betriebsprüfung gebunden gewesen, weil die "Betriebsprüfungsstelle als sachliche Unterbehörde der belangten Behörde zuzurechnen" sei. Die belangte Behörde tritt im Rechtsmittelverfahren nicht als sachlich zuständige Oberbehörde der örtlich in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Finanzämter auf, sondern in ihrer Funktion als Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Auch die Rüge, die belangte Behörde hätte die für die Beschwerdeführerin überraschende Feststellung (gemeint offenbar der Nichtanerkennung des Erwerbes des Softwarepaketes) im Wege eines Vorhaltsverfahrens zur Kenntnis bringen müssen, weil die Frage der Dokumentation des Programmes mit der Frage des wirtschaftlichen Eigentums am Programm für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar verquickt worden wäre, ist verfehlt. Der Gliederung des bezughabenden Vorhaltes der belangten Behörde vom 27. September 1990 ist in eindeutiger Weise zu entnehmen, welche Fragen sich auf die Überprüfung der Gültigkeit des Vertrages bezogen und welche Unterlagen hiefür vorzulegen bzw. welche Nachweise zu erbringen waren. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin damit Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte gegeben. Die Beschwerdeführerin hat, wenn auch nach dem Beschwerdevorbringen in der irrigen Auffassung, die belangte Behörde dürfe die Frage des tatsächlichen Erwerbes des Wirtschaftsgutes keiner Überprüfung mehr unterziehen, weil der Erwerb des Softwarepaketes im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung niemals ernstlich bezweifelt worden sei bzw. die tatsächlichen Rechtsverhältnisse eindeutig überprüft und festgestellt worden seien, diese Unterlagen tatsächlich nicht vorgelegt. Der belangten Behörde kann aber auch darin nicht entgegengetreten werden, wenn sie in der Nichtvorlage der ausdrücklich angeforderten Unterlagen einen Verstoß gegen die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Verfahren zur Erwirkung von Begünstigungsbescheiden erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin, die den Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlungen in den Hintergrund treten ließ (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 24. April 1990, 90/14/0064, ÖStZB 23, 24/1990, 437), erblickte und die Zuerkennung einer Investitionsprämie mangels erwiesenen Anschaffungsvorganges des diesbezüglichen Wirtschaftsgutes verneint hat.

Bereits damit steht jedoch fest, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem vom Beschwerdepunkt umfaßten Recht nicht verletzt wurde, ohne daß darauf einzugehen war, ob - unter der Annahme, daß das entsprechende Wirtschaftsgut angeschafft wurde - die weitere Begründung des Bescheides der Rechtslage entspricht.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, die Investitionsprämie wäre sofort auszuzahlen gewesen und ihre Auszahlung hätte nicht bescheidmäßig verweigert werden dürfen, ist noch entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde ihre Bedenken gegen die Zuerkennung der Investitionsprämie zum Anlaß genommen hat, einen Bescheid im Sinne des § 201 BAO zu erlassen, was nach § 9 Investitionsprämiengesetz eine Gutschrift der Investitionsprämie hinderte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der BerufungsentscheidungBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991130155.X00

Im RIS seit

25.03.1992

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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