TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/25 92/02/0039

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juni 1991, Zl. I/7-St-O-9028, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 8. Mai 1989 um

7.58 Uhr an einer näher bezeichneten Straßenstelle in K mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Ortsgebiet schneller als mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, nämlich mit 93 km/h, gefahren. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet, nicht der Lenker des Pkws gewesen zu sein, von dem auf Grund eines Radarfotos angenommen wurde, er sei zur Tatzeit am Tatort zu schnell gefahren. Er sei zwar Zulassungsbesitzer dieses Pkws, gelenkt habe ihn aber seine Ehefrau. Er selbst sei zur Tatzeit mit einem anderen Pkw auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in Wien - Aspern gewesen. Da er an seinem Arbeitsplatz laut Zeitkontrolle um 8.28 Uhr eingetroffen sei, könne er nicht zur Tatzeit an dem 70 km entfernten Tatort gewesen sein.

Die belangte Behörde erachtet die Verantwortung des Beschwerdeführers für unglaubwürdig, weil er erstmals in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt - also über ein Jahr nach der Tat - diese Verantwortung gebraucht habe. Die diesbezüglich vom Beschwerdeführer beantragten Beweise, insbesondere die Zeugeneinvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers, brauchten daher nicht aufgenommen zu werden.

Es ist unzutreffend, daß sich der Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis damit verantwortet habe, nicht der Lenker gewesen zu sein. Eine solche Behauptung stellte er der Sache nach bereits in seiner Stellungnahme gegenüber der Erstbehörde vom 10. Juli 1989 auf. Die konkrete Behauptung, seine Ehefrau habe den in Rede stehenden Pkw gelenkt, hat er zwar tatsächlich erst in seiner Berufung vom 28. Juni 1990 vorgebracht. Er begründet dies jedoch damit, daß er seine Ehefrau vor strafrechtlicher Verfolgung habe schützen und ihren Namen erst nach Ablauf der Verjährungsfrist habe preisgeben wollen.

Es stellt eine verpönte vorwegnehmende Beweiswürdigung dar, wenn die belangte Behörde der erwähnten Verantwortung des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt hat, ohne zumindest die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einzuvernehmen.

Dazu kommt, daß die belangte Behörde ohne nähere Begründung ausführte, daß auf die mögliche Fahrdauer von K nach Wien - Aspern nicht näher einzugehen war, obwohl der Beschwerdeführer sein Eintreffen an seinem Arbeitsplatz zeitlich belegt und darauf hingewiesen hat, daß die Fahrstrecke etwa 70 km betrage, daß an einem Montag in der Früh ein verhältnismäßig starkes Verkehrsaufkommen herrsche (insbesondere auf der von ihm benützten sog. "Südost-Tangente") und daß es ihm nicht möglich gewesen sein könne, etwa eine halbe Stunde nach der Tat an seinem Arbeitsplatz zu sein.

Bemerkt wird, daß es für den Verwaltungsgerichtshof unerfindlich ist, wieso nicht die Antwort des Beschwerdeführers auf die Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 nach dem Lenker des Pkws zur Tatzeit im Hinblick auf den im Verfassungsrang stehenden letzten Satz dieser Bestimmung zu weiteren behördlichen Schritten gegen den Beschwerdeführer geführt hat.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides den Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht ausreichend ermittelt und Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf den letzten Satz des § 59 Abs. 3, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den (zur hg. Zl. AW 92/02/0006 - früher AW 91/18/0014 - protokollierten) Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020039.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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