TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/30 90/10/0080

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Veröffentlicht am 30.03.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMKV §2 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie den Hofrat Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Februar 1990, Zl. MA 63-E 8, 9, 10, 17/89/Str., betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund von vier praktisch gleichlautenden Berufungen des Beschwerdeführers gegen vier Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien vom 27. Februar bzw. vom 22. März 1989 faßte der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) mit Bescheid vom 15. Februar 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die angefochtenen Straferkenntnisse mit folgendem Spruch zusammen:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der E-GesmbH nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom Oktober 1987 bis 18. Jänner 1988 in W, X-Gasse, verpackte Lebensmittel, und zwar 16 Packungen B-Kaugummi zu 233,4 g, 232,5 g, 232,7 g, 231,4 g, 240,6 g, 232,5 g, 235,7 g, 236,9 g, 237,9 g, 232,0 g, 233,1 g, 231,7 g, 245,6 g, 270,6 g, 242,0 g und 241,0 g, durch Verkauf an die Z-GesmbH in W, Y-Gasse, in Verkehr gesetzt hat, die insofern nicht entsprechend den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 - LMKV 1973, BGBl.

Nr. 627, gekennzeichnet waren, als die Kennzeichnung entgegen

§ 2 Abs. 1 LMKV 1973 nicht in deutscher Sprache erfolgt ist.

    Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt;

§ 74 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 des

Lebensmittelgesetzes 1975 -LMG1975, BGBl. Nr. 86, sowie § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Z. 18 lit. b LMKV 1973.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von S 1.500,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, gemäß § 74 Abs. 5 LMG 1975.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafverfahrens zu zahlen: S 150,-- als Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe, S 1.300,-- als Ersatz der Barauslagen für die Untersuchungen durch die Magistratsabteilung 60 - Lebensmitteluntersuchungsanstalt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 2.950,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 des Verwaltungsstrafgesetzes)."

Gemäß § 65 VStG wurde dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, mit den angefochtenen Straferkenntnissen sei dem Beschwerdeführer übereinstimmend zur Last gelegt worden, er habe es als zur Vertretung der E-GesmbH nach außen Berufener zu verantworten, daß diese Gesellschaft in W, X-Gasse, verpackte Lebensmittel, nämlich B-Kaugummi, durch Verkauf an die Z-GesmbH in Verkehr gesetzt habe, die entgegen § 2 Abs. 1 LMKV 1973 nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet gewesen seien. Als Tatzeit sei in den Straferkenntnissen 1.) und 2.) Oktober 1987 bis 18. Jänner 1988, im Straferkenntnis

3.)

Oktober 1987 bis 15. Jänner 1988 und im Straferkenntis

4.)

12. Jänner 1988 angegeben worden. Diese mehrfache Bestrafung rühre daher, daß jedem Straferkenntnis andere als Proben abgenommene Packungen mit B-Kaugummi zugrunde gelegen seien, ohne daß dies in der Tatumschreibung zum Ausdruck gebracht worden sei. Da die Verkäufe der einzelnen Packungen unzweifelhaft geschäftsmäßige Handlungen darstellten, hätten die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten eine einzige Übertretung, und zwar ein Sammeldelikt im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1980, "Slg. NF 10380/A", gebildet, für das nur eine einzige Strafe zu verhängen gewesen wäre; die vorliegenden Berufungen seien daher gemeinsam zu erledigen.

Der Einwand des Beschwerdeführers, das Vorliegen der angelasteten übertretungen sei in den angefochtenen Straferkenntnissen nicht begründet worden und auf Grund der Anzeigen auch nicht feststellbar, sei unzutreffend,weil nach den in den Begründungen der angefochtenen Straferkenntnisse zitierten Anzeigegutachten der Magistratsabteilung 60 - Lebensmitteluntersuchungsanstalt vom 1. und 16. Juni 1988 und den ihnen beigeschlossenen Ablichtungen der Verpackungen feststehe, daß die beanstandeten Waren nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet gewesen seien.

Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, die Übertretung sei verjährt, sei irrig. Gemäß § 74 Abs. 6 LMG 1975 sei die Verfolgung einer Person wegen einer Übertretung der LMKV 1973 dann unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde. Die erste Verfolgungshandlung, nämlich die Postaufgabe von an den Beschwerdeführer gerichteten Beschuldigten-Ladungsbescheiden sei nämlich laut Poststempel auf den Rückscheinen am 28. September 1988, also noch vor Ablauf der Verjährungsfrist (18. Jänner 1989) vorgenommen worden.

Daß der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der E-GesmbH nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 für die vorliegende Übertretung einzustehen habe, sei unbestritten. Er habe nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, sodaß ein zur Strafbarkeit genügendes fahrlässiges Verhalten anzunehmen sei.

Die Schuldsprüche der angefochtenen Straferkenntnisse hätten daher mit der Einschränkung zu Recht bestanden, daß nur eine einzige Übertretung vorliege. Dementsprechend sei über den Beschwerdeführer an Stelle von vier Strafen nur eine einzige Strafe zu verhängen. Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigten gewesen, daß § 74 Abs. 5 LMG 1975 eine Strafobergrenze von S 25.000,-- vorsehe, daß das Fehlen der Kennzeichnung in deutscher Sprache eine erhebliche Gefährdung des durch die Strafdrohung geschützten Interesses an der Information der Konsumenten über die Beschaffenheit verpackter Lebensmittel bewirkt habe, daß nichts auf ein nur geringes Verschulden an der Übertretung hindeute und die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers einen mildernden Umstand darstelle. Eine Strafe von S 1.500,--, bei Uneinbringlichkeit 36 Stunden Ersatzfreiheitsstafe, erscheine daher selbst dann angemessen, wenn die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers ungünstig sein sollten, worauf jedoch nichts hindeute. Der Ersatz der Bausauslagen von 4 x S 325,--, zusammen S 1.300,--, die im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens durch die von der Magistratsabteilung 60

- Lebensmitteluntersuchungsanstalt aufgewendeten Kosten der Untersuchung der einzelnen Proben erwachsen seien, seien dem Beschwerdeführer vorzuschreiben, weil diese Untersuchung zur Einordnung in den Warenkatalog des § 4 LMKV 1973 erforderlich war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1986, Zl. 86/10/0024).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde über die vier Straferkenntnisse, gegen die berufen worden war, mit vier Berufungsbescheiden entscheiden müssen. Durch die Fassung des Spruches habe die belangte Behörde selbst zu erkennen gegeben, daß für den Zeitraum Oktober 1987 bis (spätestens) 18. Jänner 1988 in drei Fällen der Berufung hätte stattgegeben und das Verfahren hätte einstellen müssen; allenfalls ein viertes Verwaltungsstrafverfahren hätte durch die belangte Behörde mit Aufhebung oder Bestätigung entschieden werden können.

Dem ist entgegenzuhalten, daß eine Zusammenfassung mehrerer Bescheide zu einem einzigen in den Verwaltungsverfahrensvorschriften zwar nicht ausdrücklich vorgesehen ist, daß die belangte Behörde aber im Hinblick darauf, daß sie die dem Beschwerdeführer in vier Straferkenntnissen angelasteten Tathandlungen - zutreffend - als Sammeldelikt im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.138/A (verstärkter Senat), beurteilt hat, dieser Rechtsansicht nur dadurch Rechnung tragen konnte, daß sie die dem Beschwerdeführer als Sammeldelikt angelasteten Verwaltungsübertretungen - wie durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid geschehen - zusammengefaßt hat, wozu sie im übrigen durch die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt ist. Daß sie dabei gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen hätte, wurde selbst in der Beschwerde nicht behauptet.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, der angefochtene Becheid sei deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die belangte Behörde die Tatzeit mit "Oktober 1987 bis 18. Jänner 1988" umschrieben habe und dieser Tatzeitbeginn nicht genügend bestimmt sei und den Beschwerdeführer der Gefahr neuerlicher Bestrafung für die Zeit ab 1. Oktober 1987, ab 2. Oktober 1987 usw. aussetze, ist darauf zu erwidern, daß eine Klärung, mit welche, Tag im Oktober 1987 die Tatzeit begonnen hat, entbehrlich war, weil die Umschreibung "von Oktober 1987 bis 18. Jänner 1988" sämtliche im Oktober 1987 begangenen Tathandlungen umfaßt, sodaß eine neuerliche Bestrafung hinsichtlich eindeutig bestimmter Tage im Oktober 1987 nicht mehr in Betracht kommen kann. Das Vorbringen, die belangte Behörde hätte mit der von ihr vorgenommenen Fassung des Spruches gegen den Grundsatz "ne bis in idem" bzw. gegen den Grundsatz "res iudicata" verstoßen, geht daher ins Leere.

Zutreffend ist das Beschwerdevorbringen, daß die belangte Behörde nicht über Straferkenntnisse des Jahres 1988, sondern über solche aus dem Jahr 1989 zu entscheiden hatte. Da es sich - wie die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführte - jedoch um Unrichtigkeiten handelt, die einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 zugänglich sind und nach dem unwidersprochenen Vorbringen in der Gegenschrift mit Bescheid vom 9. Juli 1990 berichtigt wurden, kann auch diesbezüglich von einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht die Rede sein.

Da sich die belangte Behörde auf die durch ein amtliches Untersuchungszeugnis der Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Magistrats der Stadt Wien und in zwei Fällen auf Fotokopien der inkriminierten Etikette stützen konnte und der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, daß deutschsprachige Etiketten vorhanden gewesen seien, bestand angesichts dieser Beweislage für die belangte Behörde keine Veranlassung zur Vernehmung des Anzeigers als Zeugen. Der Beschwerdeführer vermochte in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auch nicht anzugeben, welche Sachverhaltselemente durch eine Vernehmung des Anzeigers als Zeuge geklärt werden sollten bzw. zu welchem Beweisthema dieser hätte vernommen werden sollen. Im vorliegenden Fall liegen daher die vom Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. N.F. Nr. 9602/A, genannten Voraussetzungen, unter denen die Behörde verpflichtet ist, einen Anzeiger/Meldungsleger als Zeugen zu vernehmen, nicht vor.

Wenn der Beschwerdeführer als weitere Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, daß ihm nach Überreichung der Berufungsschriften der Akteninhalt vor Erlassung des Berufungsbescheides nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, damit er in Wahrung seiner rechtlichen Interessen zum Ermittlungssergebnis vor Erlassung des Berufungsbescheides hätte Stellung nehmen können, so sei darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer den Ladungsbescheiden der Strafbehörde erster Instanz - trotz nachweislicher Zustellung - nicht Folge geleistet hat. Der Beschwerdeführer hat von der ihm damit gebotenen Möglichkeit einer Akteneinsicht und Rechtfertigung nicht Gebrauch gemacht und an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt. Weitere, damals nicht bekannte Beweismittel hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es bestand für sie daher auch keine Verpflichtung, dem Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens den gesamten Akt nochmals vorzuhalten. Dem Beschwerdeführer stand es allerdings frei, Akteneinsicht zu nehmen. Daß ihm diese verweigert worden wäre, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen und wird vom Beschwerdeführer selbst auch nicht behauptet.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990100080.X00

Im RIS seit

30.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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