TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/30 92/10/0020

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Veröffentlicht am 30.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AMG 1983 §1 Abs1 Z5;
AMG 1983 §1 Abs1;
AMG 1983 §1 Abs3 Z3;
AMG 1983 §84 Z5 idF 1988/748;
AMG 1983 §84 Z5;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
LMG 1975 §5;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Oktober 1991, Zl. MA 14-31/90/Str., betreffend Übertretung des Arzneimittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von § 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

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1.1. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den z. Bezirk vom 31. August 1990 wurde der Beschwerdeführer zweier Übertretungen gemäß § 84 Z. 5 des Arzneimittelgesetzes,-BGB1. Nr. 185/1983 (in der Folge: AMG), schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegten Taten wurden im Sinne des § 44a lit. a VStG wie folgt umschrieben:

"Sie haben als Inhaber des Betriebes in W, M-Straße 10, am 14.3.1990 um 11.50 Uhr die Präparate 1) 'Penisex-Potenz-Arzneicreme' und 2) 'Clitorisex-Reiz-Salbe' zum Verkauf bereitgehalten und diese gemäß § 1 Abs. 5 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, einzustufenden Produkte ohne die hiefür erforderliche Zulassung durch den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz im Inland abgegeben."

Über den Beschwerdeführer wurden deshalb zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 10 Tagen) verhängt.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt.

Nach der Begründung seien die inkriminierten Produkte aufgrund der "Art und Form des Inverkehrbringens" ("subjektive Zweckbestimmung") als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes einzustufen:

"Wenn auf der Verpackung des Produktes "Penisex Potenz-Arznei-Creme' Arzneimittel XY-KG in Nürnberg, beispielsweise erklärt wird, die Potenz-ARZNEI-Creme könne durch eine Forcierung der Schwellkörperdurchblutung die Vergrößerung des männlichen Gliedes durch eine verstärkte Erektion günstig beeinflussen, so erscheint nach Meinung der Berufungsbehörde sehr wohl beabsichtigt, in dem Käufer den Eindruck zu erwecken, daß bei Anwendung dieser Creme (im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 5 des Arzneimittelgesetzes) die Beschaffenheit, der Zustand oder die Funktion des Körpers beeinflußt wird."

Ein Stoff (Zubereitung) sei - so heißt es in der Begründung weiter -schon dann ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, wenn dieser etwa unter der Bezeichnung "Arzneimittel" oder unter dem Hinweis auf eine unter § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AMG näher umschriebene arzneiliche Wirkung.in Verkehr gebracht werde. In einem solchen Fall sei es unerheblich, ob auch die objektive Zweckbestimmung gegeben sei, und ob das Mittel tatsächlich irgendeine arzneiliche Wirkung zu entfalten vermöge. Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß das "Zum-Verkauf-Bereithalten" keinen strafbaren Tatbestand darstelle, sei entgegenzuhalten, daß die AMG-Novelle 1988 ein derartiges Verhalten ausdrücklich unter Strafsanktion stelle. Die belangte Behörde könne auch der Auffassung des Beschwerdeführers nicht beipflichten, der Tatort "W, M-Straße 10" sei nicht hinreichend genau bezeichnet worden. Selbst wenn tatsächlich am Tatort noch ein anderer Betrieb untergebracht wäre, erscheine die Angabe des Tatortes hinreichend konkretisiert.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1.1. § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG in der Stammfassung BGBl. Nr.185/1983 lautet:

1. (1) 'Arzneimittel' sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper

5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen."

§ 1 Abs. 3 Z. 3 AMG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 748/1988 bestimmt:

"(3) Keine Arzneimittel sind

3. kosmetische Mittel im Sinne des § 5 des Lebensmittelgesetzes 1975, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind,..."

§ 84 Z. 5 AMG in der Fassung der Novelle BGBl- Nr. 748/1988 normiert:

"§ 84. Wer

5. Arzneimittel, die gemäß §§ 11 oder 11a der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung im Inland abgibt oder für die Abgabe im Inland bereithält,..

macht sich, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu S 100.000,--, im Wiederholungsfalle bis zu S 200.000,-- zu bestrafen."

2.1.2. Das Vorliegen des subjektiven Kriteriums ("nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt ist") bedingt unabhängig davon, ob auch die objektive Zweckbestimmung ("nach der allgemeine Verkehrsauffassung dazu dienen") bejaht werden kann, schon für sich allein die Einstufung eines Produktes als Arzneimittel (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1988, Zl. 85/10/0117).

Im Regelfall wird sich die subjektive Zweckbestimmung aus der Bezeichnung, der Aufmachung und ähnlichem ergeben. Daraus folgt, daß ein Stoff (eine Zubereitung) schon dann ein Arzneimittel ist und dem Arzneimittelgesetz unterliegt, wenn er etwa unter der Bezeichnung "Arzneimittel" oder unter Hinweis auf eine der in Abs. 1 Z. 1 bis 5 näher umschriebenen arzneilichen Wirkungen in Verkehr gebracht wird (vgl. MAYER-MICHTNER-SCHOBER, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, Anmerkung 6) zu § 1).

2.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann die Auffassung der belangten Behörde, daß es sich bei den beiden inkriminierten Produkten schon aufgrund ihrer Bezeichnung um "Arzneimittel" im Sinne des Arzneimittelgesetzes handelt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die vom Beschwerdeführer beantragte chemische Analyse der Produkte war daher entbehrlich.

2.3. Wenn der Beschwerdeführer einerseits vorbringt, ,die Präparate seien vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz zugelassen, das heißt, es handle sich im Beschwerdefall um zugelassene Arzneispezialitäten, andererseits jedoch behauptet, bei den Präparaten handle es sich um kosmetische Mittel, deren Zulassung gar nicht erforderlich sei, so ist er zunächst. darauf hinzuweisen, daß dieses Vorbringen widersprüchlich ist.

Was die Zulassung der Produkte anlangt, so hat die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren dazu die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 13. September 1991 eingeholt, aus der sich u.a. ergibt, daß es sich um nicht zugelassene. Arzneispezialitäten handelt. Dieser Feststellung ist der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegengetreten. Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie von einer fehlenden Zulassung durch den Bundesminister ausging.

Was die nicht näher konkretisierte und begründete Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, bei den genannten Produkten handle es sich um "kosmetische Präparate", so soll damit das Vorliegen der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 3 AMG geltend gemacht werden. Keine Arzneimittel sind nach dieser Bestimmung kosmetische Mittel im Sinne des § 5 des Lebensmittelgesetzes 1975, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind. Gemäß § 5 des Lebensmittelgesetzes 1975 sind kosmetische Mittel Stoffe, die zur Reinigung, Pflege oder Vermittlung bestimmter Geruchseindrücke des Menschen, zur Beeinflussung des menschlichen Äußeren, zum Schutz der Haut oder zur Reinigung, Pflege oder Verbesserung des Gebrauches von Prothesen bestimmt sind.

Danach scheidet eine Subsumtion der genannten Produkte unter den Begriff der kosmetischen Mittel von vornherein aus, soll doch nach der Beschreibung dieser Produkte deren Wirkung nicht auf den Bereich der Haut beschränkt sein, sondern durch eine verstärkte Durchblutung (bzw. Reizung) die Beschaffenheit bzw. Funktion des Körpers beeinflußt werden.

2.4. Sofern der Beschwerdeführer behauptet, die ihm angelasteten Übertretungen vom 14. März 1990 seien bereits verjährt, da gegen ihn innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden sei, genügt es darauf zu verweisen, daß dem Beschwerdeführer das strafbare Verhalten in einer ihm nachweislich am 27. Juli 1990 zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung - somit innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist - bekanntgegeben worden ist.

2.5. Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er die mangelnde Konkretisierung des Tatortes rügt. Auch wenn es am Standort "W, M-Straße 10" mehrere Betriebe gibt, so ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer, der an diesem Standort nur einen Sex-Shop betreibt, durch diese Umschreibung in seien Rechten verletzt sein könnte (vgl. dazu etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, VwSlg. 11.894/A).

2.6. Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht mit der "erforderlichen Deutlichkeit" entnehmen, durch welche Vorgangsweise das "Bereithalten und Abgeben" der Produkte erfolgt sei. Damit ist er - zumindest teilweise - im Recht.

Wenn auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des "Bereithaltens" eine weitere Konkretisierung nicht geboten erscheint, wäre das als "abgeben" im Sinne des § 84 Z. 5, AMG beurteilte Verhalten des Beschwerdeführers näher zu umschreiben gewesen. Mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlautes wird insofern dem Gebot des § 44a lit. a VStG nicht entsprochen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Februar 1992, Zl. 92/10/0017).

Im übrigen sei auch darauf hingewiesen, daß den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer an die als Kundin aufgetretene Amtsärztin die gegenständliche Produkte in irgendeiner Weise abgegeben hat (vgl. etwa den Erhebungsbericht vom 21. März 1990).

2.7. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß die belangte Behörde als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a lit. b VStG), die von der Behörde erster Instanz zitierte Bestimmung des § 84 Z. 5 AMG in der Stammfassung BGBl-Nr. 185/1983 übernommen hat. Im Beschwerdefall war jedoch § 84 Z. 5 AMG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 748/1988 anzuwenden, wodurch erst das Bereithalten für die Abgabe im Inland unter Strafsanktion gestellt worden ist.

2.8. Aufgrund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, weshalb dieser gemäß 5 42 Abs. 21Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.9. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordung BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Bescheid nur in einer Ausfertigung vorzulegen war, konnte für die zweite Ausfertigung kein Stempelgebührenersatz zugesprochen werden.

W i e n , am 30. März 1992

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenMängel im SpruchAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatortSpruch und BegründungMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseMängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenBerufungsbescheid"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Spruch der BerufungsbehördeBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100020.X00

Im RIS seit

13.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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