TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/30 91/10/0091

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Veröffentlicht am 30.03.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §16 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs2;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z3;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Jänner 1991, Zl. VI/4-St-203, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Obmann des Touristenvereines "XY" im April 1990 durch Ablagern von felsigem Aushubmaterial in einer Länge von 15 m, einer Breite von 6 m und einer maximalen Höhe von 3 m auf dem westlichen Teil des Grundstückes Nr. nn1, KG K, den dortigen Buchenbestand und weiters durch Ablagern des gleichen Materials in einer Länge von 25 m, einer Breite von 3 bis 10 m und einer maximalen Höhe von 3 m auf dem an einen Weg anschließenden Waldgrundstück Nr. nn2 derselben KG den dortigen Mischwaldbestand geschädigt. Dadurch habe er dem Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs. 1 zuwidergehandelt und § 174 Abs. 1 lit. a Z. 3 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576, übertreten. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe schon im Verwaltungsverfahren darauf verwiesen, daß hinsichtlich der Liegenschaft nn1 der KG K der Flächenwidmungsplan die Widmung "Grünland, Sondernutzung Schutzhaus" aufweise, sodaß diesbezüglich das Forstgesetz nicht anwendbar sei. Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe mit Kundmachung vom 11. März 1985 eine Verhandlung für den 3. April 1985 ausgeschrieben, um festzustellen, ob es sich bei der gegenständlichen Parzelle um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handle. Eine Erledigung in diesem Verfahren sei ihm nie zugestellt worden, allfällige mündliche Ausführungen seitens der Behörde im Rahmen der Verhandlung vom 3. April 1985 seien ihm nicht in Erinnerung und wären auch rechtlich unerheblich. Der Beschwerdeführer habe somit zu Recht davon ausgehen können, daß keine Waldnutzung gegeben sei und somit die forstrechtlichen Bestimmungen nicht zur Anwendung kämen, dies umso mehr, als für die vorzunehmenden Arbeiten eine Baubewilligung vorgelegen sei. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer somit nicht einmal Fahrlässigkeit zu verantworten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid werde erstmals - als unverzichtbares Tatbestandselement des § 16 Forstgesetz - dem Beschwerdeführer vorgeworfen, daß er den Waldbestand geschädigt habe. Ein derartiger Vorwurf finde sich im Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde nicht, weil dort nur von "verbotenen Ablagerungen" die Rede sei. Auch zuvor sei ein solcher Vorwurf nicht erhoben worden. § 16 Forstgesetz kenne aber keine an sich verbotenen Ablagerungen. Voraussetzung für eine Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle sei vielmehr, daß die "Waldverwüstung" insoferne Schaden anrichte, als entweder die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet oder der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt werde oder dergleichen. Ein derartiger Vorwurf sei gegen den Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist nicht erhoben worden, sodaß der bekämpfte Bescheid auch aus diesem Grund zu Unrecht ergangen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 3 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idgF begeht eine Verwaltungsübertretung, wer das Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs. 1 nicht befolgt.

Nach § 16 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 ist jede Waldverwüstung verboten, wobei sich dieses Verbot gegen jedermann richtet.

Nach § 16 Abs. 2 leg. cit. liegt eine Waldverwüstung vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,

b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,

c)

die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder

d)

der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.

§ 174 Abs. 1 lit. a Z. 3 des Forstgesetzes 1975 verweist lediglich auf § 16 Abs. 1 leg. cit. Was eine Waldverwüstung ist, ergibt sich aber erst aus § 16 Abs. 2. Für das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 3 des Forstgesetzes 1975 ist daher die Verwirklichung zumindest eines der Tatbestände des § 16 Abs. 2 leg. cit. unabdingbares Erfordernis. Gehört aber § 16 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 1 leg. cit., dann hat auch der Spruch eines Straferkenntnisses eine entsprechende Umschreibung der Straftat zu enthalten, die eine eindeutige Zuordnung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhaltens zu den Tatbestandsalternativen des § 16 Abs. 2 ermöglicht, da nach § 44a lit. a VStG der Bescheidspruch alle wesentlichen Tatbestandselemente, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind, zu enthalten hat. Der Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1991 ist (nur) dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1985, Slg. NF 11.894/A). Da die Art der zur Widerlegung des Tatvorwurfes erforderlichen Beweise wesentlich davon abhängen kann, welche der Tatbestandsalternativen des § 16 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 von der Behörde als verwirklicht angesehen wird, entspricht ein Spruch, dem keine eindeutige Zuordnung der angelasteten Tat zu einer der Tatbildalternativen des § 16 Abs. 2 entnommen werden kann, nicht den Erfordernissen des § 44a lit. a VStG 1991.

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird dem Beschwerdeführer lediglich das Ablagern von felsigem Aushubmaterial und eine dadurch hervorgerufene Schädigung des Mischwaldbestandes vorgeworfen. Feststellungen des Inhaltes, daß dadurch die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet worden sei oder daß einer der anderen Tatbestände des § 16 Abs. 2 - etwa das Ablagern von ABFALL im Sinne des § 16 Abs. 2 lit. d - dadurch verwirklicht worden wäre, finden sich nicht. Der Spruch entspricht daher nicht dem §§ 44a lit. a VStG. Eine eindeutige Zuordnung zu einer oder mehrerer Tatbildalternativen des § 16 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 wäre aber umso mehr notwendig gewesen, als es sich lediglich beim Tatbild der "Ablagerung von Abfall" um ein Ungehorsamsdelikt handelt, während die übrigen Tatbestandsalternativen Erfolgsdelikte darstellen, bei denen die Behörde dem Täter nicht nur den objektiven Tatbestand, sondern auch das Verschulden nachzuweisen hat.

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid aber auch mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Nach § 1 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 sind Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1.000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.

Die belangte Behörde hat zwar im Zuge des Berufungsverfahrens ein forsttechnisches Amtssachverständigengutachten eingeholt, das sich auch mit der Frage der Waldeigenschaft der von der Waldverwüstung betroffenen Grundstücke beschäftigt. Dem Sachverständigengutachten ist aber nicht zu entnehmen, ob die Bestockung die im § 1 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 angeführten Dimensionen (Fläche von 1.000 m2 und durchschnittliche Breite von 10 m) aufweist. Eine Auseinandersetzung damit wäre aber geboten gewesen, zumal der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zu besagtem Gutachten Einwendungen gegen die Waldeigenschaft der in Rede stehenden Parzellen auch wegen der geringen Größe derselben vorgebracht hat. Außerdem ergibt sich aus dem Akt, daß zumindest Teile der verfahrensgegenständlichen Grundstücke bereits aus dem Forstzwang entlassen wurden. Weder aus dem Sachverständigengutachten noch aus dem übrigen Akteninhalt ist mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, ob die verbleibenden Teile, insbesondere im Hinblick auf die erforderlichen Dimensionen der bestockten Fläche, noch als Wald im Sinne des § 1 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 anzusehen sind.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, da eine Aufhebung aus diesem Titel einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 592 und die dort angeführte Judikatur).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebühren waren lediglich S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 60,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zu entrichten. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100091.X00

Im RIS seit

30.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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