TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/9 88/06/0201

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Veröffentlicht am 09.04.1992
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Index

L37155 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Salzburg;
L81705 Baulärm Salzburg;
L82000 Bauordnung;
L82005 Bauordnung Salzburg;
L82305 Abwasser Kanalisation Salzburg;

Norm

BauPolG Slbg 1973 §2 Abs1;
BauRallg;
BauTG Slbg 1976 §56 Abs1 idF 1983/032;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Salzburg, vertreten durch den Bürgermeister in Salzburg, Schloß Mirabell, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. September 1988, Zl. 1/02-25.726/3-1988, betreffend die Errichtung einer Einfriedungsmauer (mitbeteiligte Parteien: 1) PN, 2) CN, beide in Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Stadtgemeinde Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates Salzburg vom 28. August 1984 wurde im Spruchteil I das Ansuchen der mitbeteiligten Parteien um (nachträgliche) baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer straßenseitigen Einfriedung auf GP. n1/40 KG Z, Liegenschaft X-Gasse 10, abgewiesen und ihnen im Spruchteil II als Eigentümer bzw. Veranlasser gemäß § 16 Abs. 3 BauPolG der baubehördliche Auftrag erteilt, die ohne Bewilligung errichtete straßenseitige Einfriedung binnen 4 Monaten ab rechtskräftiger Abweisung des Bauansuchens zu beseitigen.

Die von den Bauwerbern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom 28. Jänner 1985 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß Spruchteil II des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert wird, daß die gegenständliche straßenseitige Einfriedung bis längstens 30. Juni 1985 zu beseitigen ist.

Auf Grund einer von den Bauwerbern gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung behob die Salzburger Landesregierung (belangte Behörde) mit Bescheid vom 26. September 1988 diesen Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt Salzburg zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde der Stadt Salzburg, die sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem ihr auf Grund von Art. 116 Abs. 1, Art. 118 Abs. 3 und 4, Art. 119 a Abs. 1 und 5 B-VG und § 81 des Salzburger Stadtrechtes 1966, LGBl. Nr. 47 i.d.F. LGBl. Nr. 87/1971 (im folgenden: Stadtrecht), zustehenden Recht auf Selbstverwaltung im eigenen Wirkungsbereich sowie auf Durchführung eines gesetzmäßigen aufsichtsbehördlichen Verfahrens dadurch verletzt erachtet, daß die belangte Behörde zu Unrecht - und mit Bindungswirkung für das fortzusetzende Verfahren - davon ausgegangen sei, daß bei der verfahrensgegenständlichen Mauer, welche sowohl die Funktion einer Stütz- als auch einer Einfriedungsmauer habe, der als Stützmauer dienende Teil als Stützmauer und nur jener Teil, der ausschließlich Einfriedungszwecken diene, nach den Vorschriften über Einfriedungen zu behandeln sei, den Bescheid der Bauberufungskommission vom 28. Jänner 1985 aufgehoben und die Angelegenheit - unter Bindung an ihre Rechtsanschauung - an die Gemeinde rückverwiesen habe.

Die Beschwerdeführerin führt dazu aus, es liege dem gegenständlichen Verfahren laut Baubewilligungsansuchen die Errichtung einer EINHEITLICH ausgestalteten Mauer entlang einer öffentlichen Verkehrsfläche zugrunde, der teilweise die Funktion einer Stützmauer und teilweise die einer Einfriedungsmauer zukomme. Entscheidend sei, ob diese unterschiedlichen Funktionen auch rechtlich unterschiedlich zu betrachten seien. Nach dem ANTRAGSINHALT habe die straßenseitige Einfriedungsmauer vom Niveau der Straßenoberkante gemessen eine Höhe von 1,30 m und vom Niveau des Grundstückes aus gemessen eine Höhe von 80 cm (die tatsächlich errichtete Mauer weise straßenseitig gemessen eine Höhe zwischen 1,45 m und 1,50 m und grundstücksseitig gemessen eine Höhe von 90 bis 95 cm auf).

Die Bauwerber hätten die Ansicht vertreten, daß zwischen jenem Teil der Mauer, dem die Funktion einer Stützmauer zukomme (50 cm), und jenem Teil, dem die Funktion einer Einfriedungsmauer zukomme (80 cm), zu differenzieren sei. Demgegenüber seien die Baubehörden erster und zweiter Instanz davon ausgegangen, daß die einheitlich gestaltete Mauer rechtlich einheitlich als Einfriedungsmauer zu qualifizieren sei.

Die belangte Behörde habe sich der Ansicht der Bauwerber angeschlossen und ihren Bescheid wie folgt begründet:

"Nach § 2 Abs. 1 lit. g des Baupolizeigesetzes ist die Errichtung von Stütz- und Futtermauern, gleichgültig ob gegen Verkehrsflächen oder gegen andere Grundflächen hin, überhaupt erst dann bewilligungspflichtig, wenn sie eine Höhe von 1 m überschreiten, während nach § 56 Abs. 1 des Bautechnikgesetzes jegliche straßenseitige Einfriedung - von Ausnahmen abgesehen - verboten ist, deren massiver Sockel eine Höhe von 0,80 m erreicht.

Für die Lösung des gegenständlichen Rechtsproblems wird man daher grundsätzlich von dem der bereits mehrfach zitierten Judikatur zugrundeliegenden Prinzip ausgehen müssen, daß die für die Baufreiheit günstigere Lösung rechtmäßig sei, andererseits wird allerdings zu beachten sein, was Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift ist.

Unterstellt man nun dem Gesetzgeber nicht die Absicht, er wolle bloß die menschliche Neugier befriedigen, so kann wesentlicher Grund für die Vorschriften des § 56 Abs. 1 des Bautechnikgesetzes nur sein, dem Verkehrsteilnehmer auf der Verkehrsfläche das rechtzeitige Erkennen von aus den benachbarten Vorgärten allenfalls drohenden Gefährdungen der Verkehrssicherheit zu ermöglichen. Das für das Erkennen solcher Gefährdungen maßgebliche Niveau wird aber immer das Niveau des Vorgartens und nicht das Niveau der Verkehrsfläche sein.

Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich jedoch nach Ansicht der Vorstellungsbehörde zwingend, daß nach der Salzburger Rechtslage bei baulichen Anlagen, die sowohl die Funktion einer Stützmauer als auch einer Einfriedung haben, im Sinne des Grundsatzes der Baufreiheit der als Stützmauer dienende Teil auch tatsächlich als Stützmauer zu behandeln ist, während NUR jener Teil, der ausschließlich Einfriedungszwecken dient, auch nach den Vorschriften über Einfriedungen zu behandeln ist. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Höhenbemessung des Einfriedungsteiles kann hienach aber auch nur, abweichend von der Auslegungsregel des Ausschußberichtes des Salzburger Landtages, das Niveau des Vorgartens, nicht aber in solchen Fällen das Niveau der vor der Einfriedung liegenden Verkehrsfläche sein.

Den vorstehenden Überlegungen könnte allerdings vom Standpunkt der Verkehrssicherheit noch entgegengehalten werden, daß hiebei die Notwendigkeit ausreichender Sichtverhältnisse für allfällige Grundstückszufahrten unberücksichtigt geblieben sei. Hiezu ist aber festzuhalten, daß gemäß § 54 der Garagenordnung die Schaffung oder Veränderung von Ein- oder Ausfahrten an öffentlichen Verkehrsflächen für Einstellplätze und Garagen ohnehin baubewilligungspflichtig ist und § 15 der Garagenordnung diesbezüglich die entsprechende Anordnungen trifft.

Da somit nach Ansicht der Vorstellungsbehörde die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt bei der verfahrensgegenständlichen Berufungsentscheidung von einer unrichtigen Beurteilung der Rechtsqualität der gegenständlichen baulichen Anlage ausgegangen ist, war ihr Bescheid spruchgemäß aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt rückzuverweisen."

In der Beschwerde wird dazu im wesentlichen ausgeführt, es werde durch die oben wiedergegebene Auffassung der belangten Behörde, wonach bei einer einheitlichen Einfriedungsmauer, welche teilweise die Funktion einer Stütz- und teilweise die Funktion einer Einfriedungsmauer erfüllt, nur jener Teil, der einschließlich Einfriedungszwecken dient, nach den Vorschriften über die Einfriedungen zu behandeln sei, die Absicht des Gesetzgebers, JEGLICHE STRAßENSEITIGE Einfriedung an sich zu verbieten (von Ausnahmen abgesehen), deren massiver Sockel EINE HÖHE VON 80 CM erreicht, völlig unterlaufen. Dieses Verbot der straßenseitigen Errichtung von Einfriedungsmauern nehme nämlich (auch) auf schönheitliche Rücksichten Bedacht und sollte verhindern, daß Straßenseiten fluchtartig abgeschlossen werden, wodurch sicherlich - dieses Auslegungskriterium berücksichtigte die belangte Behörde in keiner Weise - eine Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes eintreten würde. So führe HAUER, Salzburger Baurecht samt Durchführungsverordnungen und Nebengesetzen, Eisenstadt, 1984, S 300, zu § 56 BauTG aus: "Durch § 56 Abs. 1 Satz 1 soll verhindert werden, daß der Zweck des Vorgartens - u.a. eine grün (gärtnerisch) gestaltete Fläche dem Passanten und Nachbarn zu bieten - nur dem Bauplatzeigentümer zugutekommt". Würde man der belangten Behörde folgen, könnte dies dazu führen, daß das im § 56 BauTG verankerte Verbot von Einfriedungsmauern von über 80 cm Höhe entlang von Verkehrsflächen völlig umgangen werde:

Ein Antragsteller bräuchte nur in seinem Grundstücksbereich eine Aufschüttung vornehmen (eine solche sei gemäß § 2 Abs. 1 lit. g BauPolG nur dann baubewilligungspflichtig, WENN die Veränderung der Höhenlage MEHR als 1 m beträgt) und den der Höhe der Aufschüttung entsprechenden Teil der Einfriedungsmauer als Stützmauer qualifizieren. Da die Errichtung von Stützmauern erst ab einer Höhe von 1 m baubewilligungspflichtig sei, könnte letztlich eine Mauer errichtet werden, die - von der Straßenseite aus gesehen - eine Höhe bis 1,80 m erreiche.

Da die von der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht der Absicht des Gesetzgebers klar zuwiderlaufe, habe die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Folgende Rechtsvorschriften sind im Beschwerdefall

maßgeblich:

a) Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. Nr.117/1973 i.d.F.d.

LGBl. Nr. 108/1983:

§ 2 (Bewilligungspflichtige Bauführungen und bauliche Maßnahmen)

"(1) Einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Bewilligungen:

.....

g) die Errichtung und erhebliche Änderung von Stütz- und Futtermauern von mehr als 1 m Höhe sowie die Veränderung der Höhenlage eines im Bauland (§ 12 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26) gelegenen Grundstückes oder eines Grundstückes, für welches eine gleiche Verwendung im Einzelfall zulässig ist (§ 19 Abs. 3, § 24 Abs. 1 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977) um mehr als 1 m, es sei denn, daß diese Maßnahmen im Zusammenhang mit der Schaffung von öffentlichen Verkehrsflächen oder Wasserbauten stehen;

h) die Errichtung und erhebliche Änderung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen sowie die Errichtung und erhebliche Änderung sonstiger Einfriedungen dann, wenn diese als Mauern, als Holzwände oder gleichartig ausgebildet sind und eine Höhe von 1,5 m übersteigen."

b) Salzburger Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 75/1976 i.d.F.d.

LGBl. Nr. 32/1983:

§ 56 ( Einfriedungen)

"(1) Vorgärten dürfen weder entlang der Verkehrsfläche noch an den Nachbargrenzen durch Mauern, Holzwände oder gleichartig ausgebildete bauliche Anlagen eingefriedet werden, es sei denn, daß besondere Gründe diese Einfriedung verlangen und das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild hiedurch nicht gestört wird. Als gleichartige ausgebildete bauliche Anlage gilt für den Bereich von Vorgärten jedenfalls auch eine Einfriedung, deren massiver Sockel eine Höhe von 0,80 m erreicht.

Wie sich aus der wiedergegebenen Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. h) der Salzburger Bauordnung ergibt, enthält diese zwei verschiedenen Tatbestände von Bauführungen, die einer Bewilligung des Baubehörde bedürfen, nämlich zum einen die Errichtung und erhebliche Änderung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen und zum anderen die Errichtung und erhebliche Änderung sonstiger Einfriedungen - die nicht gegen eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet werden - dann, wenn diese als Mauern, Holzwände oder gleichartig ausgebildet sind und eine Höhe von 1,5 m übersteigen. Unbestritten steht fest, daß die in Rede stehende Einfriedung gegen eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet wurde; es handelt sich daher um eine Bauführung, die - da sie unter den oben erstangeführten Tatbestand fällt - ohne Rücksicht auf ihre Höhe bewilligungspflichtig ist. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommene "Aufteilung" der Mauer in eine Stütz- und eine Einfriedungsmauer geht daher schon deshalb an der zu beurteilenden Rechtsfrage vorbei.

Im vorliegenden Fall können auch die im § 56 Abs. 1 des Salzburger Bautechnikgesetzes angeführten Ausnahmen vom Verbot der Errichtung von Einfriedungen entlang der Verkehrsflächen nicht zum Tragen kommen, da im Verfahren nicht hervorgekommen ist, daß besondere Gründe diese Einfriedung verlangen. Die von den mitbeteiligten Parteien vorgenommene Aufschüttung und Niveauerhöhung von ca. 80 cm kann jedenfalls nicht dazu führen, daß diese gewillkürte Maßnahme nunmehr die Bewilligung einer Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Errichtung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen aus "besonderen Gründen" bewirkt; allenfalls könnte jedoch eine ohne gewillkürte Aufschüttung notwendige Stützmauer, die - wie hier - mit der Einfriedung eine Einheit bildet, etwa bei Hanglage einen besonderen Grund im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Da die belangte Behörde die in den Bescheiden der Baubehörden der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebrachte, der Rechtslage entsprechende Rechtsansicht verkannt und mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid den Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen hat, hat sie - wie in der Beschwerde zutreffend - geltend gemacht - ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988060201.X00

Im RIS seit

28.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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