TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/23 91/09/0189

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Veröffentlicht am 23.04.1992
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
OFG §15 Abs2 idF 1975/093;
StGB §59 Abs3;
TilgG 1972 §2 Abs1;
VStG §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des PH in O, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. Juni 1991, Zl. 646.214/3-5a/91, betreffend Ausstellung eines Opferausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte der im Jahre 1939 geborene Beschwerdeführer (dieser war im Verwaltungsverfahren durch den für ihn bestellten Sachwalter X vertreten) mit Schreiben vom 4. Jänner 1990 die Ausstellung eines Opferausweises. Zur Begründung dieses Antrages wurde ausgeführt, laut beiliegendem Schreiben des Jugendgerichtshofes Wien vom 7. Dezember 1989 sei über die Verurteilungen des Beschwerdeführers nur mehr beschränkt Auskunft zu erteilen; im Strafregister würden somit keine Verurteilungen mehr aufscheinen. Der Beschwerdeführer ersuche daher, seinen Antrag auf Ausstellung eines Opferausweises vom 24. September 1988 (dieser Antrag auf Ausstellung eines Opferausweises nach § 4 Abs. 3 des Opferfürsorgegesetzes (OFG) wegen Internierung im Anhaltelager Lackenbach während der letzten Kriegsmonate war seinerzeit noch vor seiner Erledigung zurückgezogen worden -) stattzugeben, damit er innerhalb der laufenden Rehabilitationsbemühungen (er sei gerade auf Wohnungssuche) Erleichterungen vorfinde.

Das diesem Antrag des Beschwerdeführers beiliegende Schreiben des Jugendgerichtshofes Wien vom 7. Dezember 1989 hat folgenden Inhalt:

"In der Gnadensache betr. PH wird mitgeteilt, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 10.11.1989 angeordnet hat, daß über die Verurteilungen des PH, geboren am nn.n.1939, EDV-Zahl n1, durch den Jugendgerichtshof Wien

1. vom 11.1.1974 (rechtskräftig seit 14.1.1974) n2, zu einer 6-monatigen Freiheitsstrafe und

2. vom 1.10.1976 (rechtskräftig seit 4.10.1976) n3, zu einer 5-monatigen Freiheitsstrafe,

mit den Wirkungen des § 6 Tilgungsgesetz 1972 BESCHRÄNKT

AUSKUNFT AUS DEM STRAFREGISTER ZUR ERTEILEN IST"

Nachdem dem Sachwalter des Beschwerdeführers mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 10. Jänner 1990 mitgeteilt worden war, daß beabsichtigt sei, diesem Ansuchen mangels Vorhandenseins der erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen (Nichttilgung der im einzelnen angeführten Vorstrafen des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung, wobei die verhängten Haftstrafen auch das gesetzlich tolerierte Ausmaß von sechs Monaten übersteigen würden) keine Folge zu geben, erklärte dieser in seinem Schreiben vom 26. Jänner 1990, daß er den Antrag auf Ausstellung eines Opferausweises nach § 4 Abs. 3 OFG weiterhin aufrecht halte und um bescheidmäßige Erledigung ersuche. Die für das Verfahren relevanten Haftstrafen würden ausschließlich Unterhaltsschulden betreffen. Da die Kinder des Beschwerdeführers bereits großjährig seien, sei eine Wiederholung der strafbaren Tatbestände ausgeschlossen. Ein Mißbrauch von Begünstigungen des OFG sei zudem durch die Sachwalterschaft für alle Angelegenheiten ausgeschlossen. Des weiteren sei im Verwaltungsrecht eine beschränkte Auskunft aus dem Strafregister einer Tilgung gleichzusetzen (siehe § 6 Tilgungsgesetz).

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 13. Februar 1990 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers (eingebracht von dessen Sachwalter) vom 4. Jänner 1990 auf Ausstellung eines Opferausweises für seine achteinhalbmonatige Anhaltung im Lager Lackenbach gemäß §§ 15 Abs. 2, 4 Abs. 3 bzw. 1 Abs. 2 lit. i OFG in der geltenden Fassung keine Folge gegeben.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage (§ 1 Abs. 2 lit. i, § 4 Abs. 3 und § 15 Abs. 2 OFG) führte die Behörde erster Instanz zur Begründung ihres Bescheides aus, im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei unter anderem ein Strafregisterauszug von der Bundespolizeidirektion Wien, Strafregisteramt, eingeholt worden. Obwohl infolge der Entschließung des Bundespräsidenten vom 10. November 1989 über die Verurteilungen durch den Jugendgerichtshof Wien vom 11. Jänner 1974 und vom 1. Oktober 1976 nur beschränkt Auskunft aus dem Strafregister zu erteilen sei, seien über den Beschwerdeführer auf Grund der nachstehend angeführten Verurteilungen Haftstrafen im Gesamtausmaß von fünf Monaten und acht Wochen verhängt worden:

1.  JGH Wien, RK 28. Oktober 1966 .... 4 Wochen Arrest

    wegen § 1/1 USCHG

2.  JGH Wien, RK 26. April 1971 ...... 3 Monate strenger Arrest

    wegen § 1/2 USCHG

3.  JGH Wien, RK 24. Februar 1969 .... 4 Wochen strenger Arrest

    wegen § 1/1 USCHG

4.  JGH Wien, RK 3. März 1975 ........ 2 Monate Freiheitsstrafe

    wegen § 198/2 StGB.

Da diese Vorstrafen zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht getilgt seien und auf Grund der Häufigkeit und Art der verschiedenen Delikte eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des Opferfürsorgegesetzes zu befürchten sei - dafür spreche auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Familie über einen viele Jahre dauernden Zeitraum nicht nachgekommen sei, was schließlich sogar zu einer Verurteilung nach dem Strafgesetzbuch geführt und ihm mehrwöchige Freiheitsstrafen eingebracht habe - und weiters auch das gesetzlich tolerierte Ausmaß von sechs Monaten auch unter Nichtberücksichtigung der durch den Gnadenakt des Bundespräsidenten vom 10. November 1989 auszuschließenden Verurteilungen überschritten sei, sei dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Opferausweises mangels Vorhandenseins der gesetzlichen Voraussetzungen keine Folge zu geben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. Juni 1991 gab die belangte Behörde - nach ergänzenden Ermittlungen (Mitteilung des Jugendgerichtshofes Wien vom 8. März 1991, daß die Verurteilungen des Beschwerdeführers noch nicht getilgt seien), zu deren Ergebnis der Sachwalter des Beschwerdeführers gehört worden war (Stellungnahme vom 19. April 1991) - der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Als Rechtsgrundlagen der Entscheidung wurden § 1 Abs. 2 lit. i, § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 1 OFG, § 66 Abs. 4 AVG, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Z. 3, § 4 Abs. 2 und § 6 Tilgungsgesetz 1972 und § 59 Abs. 3 StGB angeführt.

Zur Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach gekürzter Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides aus, außer den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Verurteilungen seien noch Unterlagen über folgende weitere Delikte vorgelegen:

"5)

BG Oberpullendorf U 588/67 RK 21.08.67 Par 411 StG 300 S im NEF 4 T Arr.

6)

BG Oberpullendorf U 877/67 RK 17.11.67 Par 419 StG strenger Verweis

7)

Strafbezirksgericht Wien 19 U 1281/70 RK 06.08.70 Par 468 StG 400 S im NEF 4 T Arr.

8)

Jugendgerichtshof Wien 3 Vr 17/74 HV 3/74 RK 14.01.74 Par 1/2 USchG 6 M Str. Arr. Vollzugsdatum 18.06.74.

9)

Jugendgerichtshof Wien 3 E VR 1632/75 HV 30/76 vom 01.10.76 RK 04.10.76 Par 198/1 U 2 StGB 4 M Freistr."

(richtig wohl: 5 M)

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid fristgerecht eingebrachten Berufung wende der Beschwerdeführer ein, aus dem Bescheid sei nicht zu ersehen, worin auf Grund der Delikte eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des OFG zu ersehen sei. Die Verletzung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Familie berechtige nicht zur Annahme einer mißbräuchlichen Ausnützung der Begünstigungen des OFG. Ferner seien die Verurteilungen des Jugendgerichtshofes Wien entgegen der Rechtsmeinung des erstinstanzlichen Bescheides infolge abgelaufener Tilgungsfrist gemäß § 3 und § 4 Tilgungsgesetz kraft Gesetzes getilgt. Abschließend vertrete der Beschwerdeführer zusätzlich die Ansicht, daß die mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 10. November 1989 angeordnete beschränkte Auskunft aus dem Strafregister über die unter Punkt 8. und 9. angeführten Verurteilungen einer Tilgung gleichzusetzen sei.

Im Berufungsverfahren sei festgestellt worden, daß die oben

              1.              bis 9.) angeführten Verurteilungen noch nicht getilgt seien, weil die mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien mit 1. Oktober 1976 verhängte Freiheitsstrafe, in Rechtskraft erwachsen am 4. Oktober 1976, nicht vollstreckt worden sei. Die Vollstreckbarkeit sei daher gemäß § 59 Abs. 3 StGB am 4. Oktober 1986 verjährt. Die Tilgungsfrist habe somit gemäß § 2 Abs. 1 des Tilgungsgesetzes 1972 (TilG) mit diesem Zeitpunkt begonnen und ende gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 und § 4 Abs. 1 und 2 TilG mit 4. Oktober 1996, weil im vorliegenden Fall die Summe der Freiheitsstrafen ein Jahr überschreite. Im übrigen sei festzuhalten, daß eine beschränkte Auskunft aus dem Strafregister einer Tilgung von Verurteilungen nicht gleichzusetzen sei (§ 6 TilG). Dieses Ergebnis sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden. In der dazu abgegegebenen Stellungnahme werde eingewendet, daß der Beschwerdeführer seit 1976 höchstwahrscheinlich nicht in der Lage gewesen sei, die über ihn verhängten Freiheitsstrafen anzutreten, weil er vorwiegend in Heimen und psychiatrischen Krankenanstalten gelebt habe. Dazu sei zu bemerken, daß diese Einwendung auch im Falle ihres Zutreffens nicht relevant wäre, weil es gemäß § 15 Abs. 2 OFG nur auf die Tatsache der Nichttilgung, nicht jedoch auf den Grund der Nichttilgung ankomme. Weiters sei zu prüfen gewesen, ob nach der Natur des strafbaren Tatbestandes eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des OFG anzunehmen sei. Dazu sei im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 15 Abs. 2 OFG zu bemerken, daß die wiederholte Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne der angeführten strafrechtlichen Bestimmungen einen Mangel an sozialen Hemmungen gegenüber Angehörigen belege, sodaß auch eine mißbräuchliche Ausnützung einer auf Grund des Opferfürsorgegesetzes eingeräumten begünstigten Stellung gegenüber Nichtangehörigen, denen gegenüber man im allgemeinen eine geringere soziale Verpflichtung als gegenüber Angehörigen verspüre, angenommen habe werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem sich aus § 1 Abs. 2 lit. i und § 15 Abs. 2 OFG ergebenden Recht auf Ausstellung eines Opferausweises verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 2 OFG, in der Fassung BGBl. Nr. 93/1975, ist der Anspruch auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung oder eines Opferausweises (§ 4) nicht gegeben, wenn der Anspruchswerber wegen einer oder mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die Verurteilung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht getilgt ist und nach der Natur des strafbaren Tatbestandes eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen dieses Bundesgesetzes anzunehmen ist.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst unter dem Gesichtspunkt einer "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe es im Ermittlungsverfahren unterlassen, den Hinweis seines Sachwalters in dessen Stellungnahme vom 19. April 1991, daß er seit 1976 höchstwahrscheinlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, die über ihn verhängten Freiheitsstrafen anzutreten, weil er vorwiegend in Heimen und psychiatrischen Krankenanstalten gelebt habe, er also haftunfähig gewesen sei, und auf Grund dieser Haftunfähigkeit die verfahrensgegenständliche rechtskräftige Verurteilung des Jugendgerichtshofes Wien vom 4. Oktober 1976 nicht habe vollstreckt werden können, einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen. Eine derartige Überprüfung hätte dann zum Ergebnis führen müssen, daß die Tilgungsfrist dieser Verurteilung am 4. Oktober 1986 geendet habe.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es gemäß § 15 Abs. 2 OFG - worauf die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen hat - nur auf die Tatsache der Nichttilgung der Verurteilung(en) des Anspruchswerbers zum Zeitpunkt der Antragstellung, nicht jedoch auf den Grund der Nichttilgung ankommt. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 1. Oktober 1976 (rechtskräftig seit 4. Oktober 1976) über den Beschwerdeführer verhängte fünfmonatige Freiheitsstrafe nicht vollstreckt worden ist, sodaß gemäß § 59 Abs. 3 StGB erst mit 4. Oktober 1986 deren Vollstreckbarkeit verjährt ist. Gemäß § 2 Abs. 1 TilG beginnt die Tilgungsfrist, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen (letzteres ist unter anderem dann der Fall, wenn - wie im Beschwerdefall - Strafvollstreckungsverjährung eingetreten ist). Die (unbestrittenermaßen zehnjährige) Tilgungsfrist endet deshalb erst am 4. Oktober 1996, sodaß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Verurteilungen des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht getilgt gewesen sind.

Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, daß er im Zeitpunkt der Begehung der ihm zur Last fallenden gerichtlich strafbaren Handlungen finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe und daß er bereits im Deliktszeitraum wiederholt in stationärer psychiatrischer Behandlung gestanden sei und daher auch die Vorwerfbarkeit seines Verhaltens nicht vollständig habe einsehen können, so ist dies eine gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Abgesehen davon ist dies auch ohne Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob nach der Natur des (im Beschwerdefall zu beurteilenden) strafbaren Tatbestandes (der Verletzung der Unterhaltspflicht) eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des Opferfürsorgesetzes anzunehmen ist. Eine Geistesschwäche bzw. -krankheit stellt, solange sie nicht als Schuldausschließungsgrund in Betracht kommt, an sich keinen Umstand dar, der die mißbräuchliche Ausnützung von Begünstigungen einschränken oder ausschließen könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1954, Zl. 2665/52).

Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß er sich seit seiner letzten Verurteilung im Jahre 1976 wohlverhalten habe, ist entgegenzuhalten, daß es nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf die Natur des strafbaren Tatbestandes ankommt und nicht auf das sonstige Verhalten des Beschwerdeführers (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1955, Zl. 2996/54).

Der Beschwerdeführer bringt schließlich noch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der angefochtene Bescheid enthalte keine Feststellungen darüber, daß und aus welchen Gründen eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des Opferausweises anzunehmen sei; er leide daher an einem Begründungsmangel, weil die belangte Behörde im Sinne des § 60 AVG konkrete Tatsachen hätte feststellen müssen, auf Grund welcher sie zur Annahme gelangt sei, daß ein Mißbrauch des Opferausweises durch den Beschwerdeführer zu befürchten sei.

Auch dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Entscheidungswesentlich ist nämlich im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob die vom Beschwerdeführer begangenen (für die Anspruchsberechtigung nach § 15 Abs. 2 OFG maßgebenden) Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht NACH IHRER NATUR eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des OFG erwarten lassen.

Die belangte Behörde hat diese Frage damit beantwortet, daß die wiederholte Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne der angeführten strafrechtlichen Bestimmungen einen Mangel an sozialen Hemmungen gegenüber Angehörigen belegt, sodaß auch eine mißbräuchliche Ausnutzung einer auf Grund des Opferfürsorgegesetzes eingeräumten begünstigten Stellung gegenüber Nichtangehörigen, denen gegenüber im allgemeinen eine geringere soziale Verpflichtung als gegenüber Angehörigen besteht, angenommen werden mußte.

Da es nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 OFG nur darauf ankommt, ob nach der Natur des strafbaren Tatbestandes eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigungen des OFG anzunehmen ist, genügt die vorher wiedergegebene im Grunde nicht als unzutreffend zu erkennende Begründung. Diesbezüglich kommt den konkreten Umständen des Einzelfalles ebenso keine entscheidende Bedeutung zu, wie dem abschließenden Vorbringen des Beschwerdeführers, daß eine mißbräuchliche Ausnützung der Begünstigung des Opferausweises schon deshalb nicht zu befürchten sei, weil er nicht mehr unterhaltspflichtig sei. Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung des § 15 Abs. 2 OFG keineswegs beabsichtigt, einen Ausschließungsgrund lediglich bei einer zu befürchtenden Herstellung einer unmittelbaren Beziehung zwischen der nach dem OFG erlangten Begünstigung und der Wiederholung der gesetzten gerichtlich strafbaren Handlung anzunehmen, weil es nur in den seltensten Fällen überhaupt denkbar wäre, daß eine Wiederholung durch die nach dem Opferfürsorgegesetz erlangte Begünstigung erst ermöglicht oder beträchtlich gefördert würde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1963, Zl. 226/62).

Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß die Vorgangsweise der Behörde dem Gesetz entsprochen hat; die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090189.X00

Im RIS seit

23.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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