TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/23 91/09/0191

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Veröffentlicht am 23.04.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
HKG 1946 §20 litc;
HKG 1946 §22 Abs3;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §9 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 27. September 1991, Zl. Präs 144-19/91/Wa/N, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat an den Standorten G und M weitere Betriebsstätten zur Ausübung der "Be- und Verarbeitung von Fleisch und Fleischwaren in der Form eines Industriebetriebes, beschränkt auf eine Verkaufsstelle" errichtet.

Über Ersuchen der Beschwerdeführerin auf bescheidmäßige Vorschreibung der Einverleibungsgebühren (EVG, nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1990:

Eintragungsgebühr) erließ der Obmann der "Kammer der gewerblichen Wirtschaft für OÖ - Sektion Industrie" zwei gleichlautend mit "mag.sp,gp - 4.2.1991 Dr. P -

Ha/60.141 - 13.03.1991" bezeichnete, vom Sektionsobmann unterfertigte Bescheide, in denen er aussprach, daß in Anwendung des § 57b HKG die EVG für die beiden neuen Betriebsstätten der Beschwerdeführerin mit je S 6.000,-- festgesetzt werde; hinsichtlich der Fälligkeit der bereits mit 27. August 1990 bzw. mit 9. Oktober 1990 in der o.a. Höhe vorgeschriebenen EVG trete keine Änderung ein.

In der Begründung seiner beiden Bescheide wies der Sektionsobmann übereinstimmend darauf hin, daß die EVG für das von der Beschwerdeführerin angemeldete Gewerbe "von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich in der Höhe von S 2.000,-- beschlossen" worden sei, weshalb der nach § 57b Abs. 2 HKG gestaffelte, der Beschwerdeführerin als einer Gesellschaft m.b.H. vorzuschreibende Betrag je S 6.000,-- betrage. Die Verlautbarung der für das Jahr 1990 von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich beschlossenen EVG sei in den Kammernachrichten (Folge 48 vom 8. Dezember 1989, Seite 24) erfolgt.

In ihrer gegen diese beiden Bescheide in einem gemeinsamen Schriftsatz vom 27. März 1991 erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, daß ein ordnungsgemäßer Beschluß über die Höhe der zu entrichtenden EVG jemals zustandegekommen sei; dazu habe den eingeschrittenen "Fachgremien" die Rechtspersönlichkeit gefehlt. Außerdem sei § 57b Abs. 2 HKG verfassungswidrig.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. September 1991 entschied die belangte Behörde "über die Berufung ... gegen den Bescheid der Sektion Industrie der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich vom 4.2.1991, Dr. P, HA/60.141" mit folgendem Spruch:

"Die Berufung wird abgewiesen und der Bescheid der Sektion Industrie der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich vom 4.2.1991 bestätigt."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde einleitend aus, die Sektion Industrie habe "mit dem angefochtenen Bescheid" festgestellt, die Beschwerdeführerin habe die Errichtung weiterer Betriebsstätten an den Standorten M und G

"bei der zuständigen Gewerbebehörde angezeigt. Gemäß der Verlautbarung in den Kammernachrichten, Folge 48 vom 8.12.1989, Seite 24, der für das Jahr 1990 von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich für den Bereich der Sektion Industrie einheitlich beschlossenen Einverleibungsgebühren sei die Berufungswerberin daher verpflichtet, eine Einverleibungsgebühr in der Höhe von S 6.000,-- zu entrichten."

Bei der folgenden Wiedergabe des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin wird erneut vom damit bekämpften erstinstanzlichen Bescheid nur in der Einzahl gesprochen.

In den Rechtsausführungen des angefochtenen Bescheides nimmt die belangte Behörde auf die §§ 3 Abs. 2, 29 Abs. 3, 32 und 57b HKG sowie auf die bereits oben angeführte Beschlußfassung und Kundmachung hinsichtlich der vorzuschreibenden EVG Bezug. In der Folge läßt die belangte Behörde offen, ob im Bereich der Kammer Oberösterreich eine Fachgruppe (Landesgremium) der Nahrungs- und Genußmittelindustrie bestehe. Die Beschwerdeführerin gehe irrigerweise davon aus, es stünde die Errichtung der betreffenden Fachgruppe mit der Vorschreibung der EVG derart in einem Zusammenhang, daß bei mangelnder Rechtspersönlichkeit dieser Fachorganisationen wegen formaler Errichtungsfehler auch die EVG-Vorschreibung rechtswidrig sein müsse. Die von der Kammer Oberösterreich erlassene EVG-Regelung sehe indes einen einheitlichen Gebührensatz für sämtliche Inhaber von Berechtigungen, die in den Bereich der Sektion Industrie fallen, vor. Demnach bestehe die Verpflichtung zur Entrichtung der EVG anläßlich der Erlangung einer entsprechenden Berechtigung unabhängig von der vorgenommenen Fachgruppenzuordnung.

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Staffelungsregelung in § 57b Abs. 2 HKG verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der ihr vorgeschriebenen EVG "von je 6.000,-- S" zu verweigern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).

Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.

Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.

Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.

Im Beschwerdefall erübrigte sich aus den nachstehend angeführten Erwägungen zur Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde eine nähere Prüfung der Frage, ob auch hinsichtlich des in erster Instanz eingeschrittenen Sektionsobmannes eine Delegierung gemäß § 53a HKG durch die Sektionsleitung vorlag.

Die Beschwerdeführerin legt in ihrer Beschwerde besonderes Gewicht auf die Frage, ob überhaupt ein generell verbindlicher EVG-Beschluß gemäß § 57b Abs. 1 HKG vorliegt, bei dessen Fehlen die konkreten EVG-Vorschreibungen der Rechtsgrundlage entbehren würden. Ein Eingehen auf diese Frage erübrigte sich im Beschwerdefall jedoch deshalb, weil sich der angefochtene Bescheid aus den nachstehenden Gründen als in jedem Fall inhaltlich rechtswidrig erweist.

Mit Recht weist die Beschwerdeführerin nämlich auch darauf hin, daß im vorliegenden Fall die EVG entgegen § 57b Abs. 4 HKG nicht von einer Fachgruppe, von der Landeskammer oder von der Sektion Handel vorgeschrieben wurden, sondern von der Sektion Industrie, die dazu nach dem Gesetz nicht berufen ist. Nur die zur Vorschreibung der EVG zuständige Körperschaft aber ist gemäß § 57g Abs. 1 HKG gegebenenfalls zu einer Bescheiderlassung über Art und Ausmaß der EVG berechtigt. Daß der Gesetzgeber dabei sehr wohl zwischen den Landeskammern einerseits und den Sektionen andererseits unterschieden hat, folgt schon daraus, daß er für den Bereich der Sektion Handel in § 57b Abs. 4 und in § 57g HKG ausdrücklich die Sektion Handel und nicht die Landeskammer als das zur Vorschreibung, Einhebung und Bescheiderlassung zuständige Organ bezeichnet hat. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher in der hier zu lösenden Frage der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, wonach ein von einer Sektion erlassener Bescheid jedenfalls der Landeskammer zuzurechnen sei, nicht anzuschließen.

War aber die Sektion Industrie zur Erlassung eines erstinstanzlichen Bescheides nicht zuständig, dann hätte die belangte Behörde deren Bescheid nicht bestätigen, sondern ersatzlos aufheben müssen. Bereits dadurch, daß sie dies nicht getan hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (siehe dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur).

Dazu kommt im vorliegenden Beschwerdefall, daß im angefochtenen Bescheid völlig unklar bleibt, ob damit die Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich beider erstinstanzlicher Bescheide oder aber nur eines, und dann welches der beiden, erledigt werden sollte. Die offenbar von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, der angefochtene Bescheid habe beide erstinstanzlichen Bescheide betroffen, läßt sich mit dem oben wiedergegebenen Wortlaut des angefochtenen Bescheides nicht in Einklang bringen. Eine Anfrage gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu diesem Aufhebungsgrund erübrigte sich im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die vorangegangenen Ausführungen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Fertigungsklausel Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090191.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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