TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/30 91/10/0014

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Veröffentlicht am 30.04.1992
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §174 Abs4 lita;
ForstG 1975 §33 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des E in N, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 4. Dezember 1990, Zl. Va-439-1/1989, betreffend Übertretung des Forstgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.0. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 13. November 1989, Zlen. 89/10/0120, 0121, verwiesen.

Mit diesem Erkenntnis wurde unter anderem der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. März 1989 (mit dem das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 5. Jänner 1989, Zl. X-4018/1988, bestätigt worden war) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, da dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen worden sei, zu Erholungszwecken Wiederbewaldungsflächen, "deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht hat", benützt zu haben. Damit fehle dem Spruch des Bescheides ein normativer Abspruch über ein dem Beschwerdeführer konkret zur Last gelegtes Verhalten, das dem von der Behörde als verwirklicht angesehenen Tatbestand (§ 174 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit § 33 Abs. 2 lit. c des Forstgesetzes 1975 - in der Folge: ForstG) subsumiert werden könnte.

1.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Straferkenntnis keine Folge gegeben, der Spruch des Straferkenntnisses jedoch insofern abgeändert, daß im ersten Absatz nach dem Wort "Wiederbewaldungsflächen" folgende Worte einzufügen seien:

", deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht hat,".

Nach der Begründung sei zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung ein Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft eingeholt worden. Nach diesem Gutachten vom 28. Mai 1990 sei unter anderem mit dem Beschwerdeführer ein Lokalaugenschein durchgeführt worden. Dabei sei einvernehmlich festgestellt worden,

"daß die vom (Beschwerdeführer) befahrene Parzelle P im Bereich des ehemaligen Lawinenzuges Baumhöhe erreiche, die in Form von Einzelvorwüchsen bis zu 10 m hoch sind. Dieser Zug, der in etwa eine Breite von 50 bis 60 m aufweise, sei auf der gesamten Breite durch die Nachforstungen mit künstlicher Verjüngung in Form von Fichte, Tanne und Buche aufgeforstet worden, wobei die überwiegenden Aufforstungen jeweils in den Randbereichen zu den Altbeständen getätigt worden seien. Dort seien insbesondere in jenem Bereich, wo der (Beschwerdeführer) mit Schiern abgefahren sei, 100 % der Fläche mit Kunstverjüngung sowie Naturverjüngung im Jungwuchsstadium bestockt, die eine Baumhöhe von 0,6 bis 1,5 m aufweisen würden. Diese vom (Beschwerdeführer) befahrene Schneise sei im übrigen auch mit Grünerlen bestockt, die im Jahre 1987 mit Fichte, Tanne und Buche unterbaut worden seien.

Es sei also festzustellen, daß der vom (Beschwerdeführer) befahrene Waldbereich zu 100 % mit forstlicher Vegetation bestockt gewesen sei und daß diese forstliche Vegetation die Baumhöhe von 3 m im unmittelbaren Schneisenbereich nicht überschritten habe, wenngleich westlich angrenzend Hochwaldaltbestand stockte sowie östlich angrenzend Fichtenvorwüchse mit einer Baumhöhe von 5 bis 10 m in größerer Zahl vorhanden seien. Die Schneise sei zur Gänze mit Ausnahmen dieser Fichtennaturverjüngungsvorwüchse mit Jungpflanzen im Jahre 1982 sowie 1987 bepflanzt worden, sodaß jedes Abfahren durch diese Waldschneise unter Ausnützung von Bestandblößen zwangsläufig zur Befahrung von Jungwuchsflächen mit einer Baumhöhe von weniger als 3 m führen müsse.

Während der Winterszeit sei bei einer mächtigen Schneedecke die Vollbestockung bzw. Vollüberschirmung nicht offensichtlich."

Der Beschwerdeführer habe in einer ergänzenden Stellungnahme unter Vorlage verschiedener Fotos die Höhe und Art der Bestockung in Zweifel gezogen und bestritten, daß er im Gebiet des Lawinenzuges abgefahren sei und dabei die Pflanzen aufgrund der Höhe der Schneedecke habe sehen können.

Zu diesem Vorbringen verwies die belangte Behörde auf die beigezogenen Sachverständigen, die übereinstimmend betonten, daß die vom Beschwerdeführer befahrenen Wiederbewaldungsflächen auch zum Tatzeitpunkt aufgrund der Höhe des Bewuchses eindeutig als solche erkennbar gewesen sein müßten. Aufgrund ihrer Ausbildung und Schulung müsse auch den Anzeigeerstattern zugebilligt werden, verläßliche Angaben über den in ihrer Anzeige beschriebenen Sachverhalt machen zu können. Im übrigen habe auch der damalige Begleiter des Beschwerdeführers in dem gegen ihn durchgeführten Strafverfahren ein volles Geständnis abgelegt. Die diesbezüglichen gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers seien dagegen nicht glaubhaft. Bereits im Aktenvermerk des forsttechnischen Amtssachverständigen vom 7. Juli 1988 sei festgehalten, daß ein Teil der Pflanzen auf den Wiederbewaldungsflächen aufgrund ihrer Höhe auch im Winter über die Schneedecke ragten und somit eine Wiederbewaldungsfläche ankündigten. Der Beschwerdeführer, der zu der in Frage stehenden Zeit Naturwächter gewesen sei, hätte bei entsprechender Aufmerksamkeit anhand der aus dem Schnee herausragenden Jungpflanzen erkennen müssen, daß es sich bei den von ihm befahrenen Strecken um Wiederbewaldungsflächen gehandelt habe. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotos seien wenig aussagekräftig, da es sich großteils um kleine Ausschnitte und Randbereiche des gegenständlichen Gebietes handle. Bereits nach dem Ergebnis des Lokalaugenscheines vom 30. Juni 1988 sei übereinstimmend festgestellt worden, daß die vom Beschwerdeführer gewählte Abfahrtsroute durch eine Wiederbewaldungsfläche geführt habe. Wenn nun in den ergänzenden Stellungnahmen Gegenteiliges behauptet werde, so sei dies für die belangte Behörde nicht glaubhaft. Nach Ansicht der belangten Behörde hätten die Ermittlungen sehr wohl ergeben, daß der Beschuldigte habe erkennen können, daß er eine Wiederbewaldungsfläche befahren habe, deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht habe. Für die Beurteilung dieser Frage sei es unerheblich, ob einzelne Bäume von der Schneelast niedergedrückt worden seien oder nicht; zusätzliche Erhebungen zu dieser Frage erübrigten sich daher. Der Beschwerdeführer habe auch nicht bestritten, daß die von ihm vorgelegten Fotos nicht die gesamte von ihm gefahrene Route zeigten. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1989 sei für die Strafbarkeit der Tat wesentlich, daß der Bewuchs der befahrenen Wiederbewaldungsflächen eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht habe. Der am 18. April 1988 als Zeuge vernommene Anzeigeerstatter habe in diesem Zusammenhang erklärt, daß es sich bei der Parzelle P um eine Jungwuchsfläche handle, deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht überschritten habe. Dies stimme mit dem ergänzenden Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen vom 28. Mai 1990 überein. Auch der Beschwerdeführer habe in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht behauptet, daß der Bewuchs höher als 3 m wäre. Die belangte Behörde könne daher im Beschwerdefall davon ausgehen, daß Wiederbewaldungflächen vorgelegen seien, deren Bewuchs im Tatzeitspunkt eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht habe. Unter Berücksichtigung dieser Verfahrensergebnisse habe der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 und des § 34, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.

§ 33 Abs. 2 lit. c ForstG lautet auszugsweise:

"(2) Zu Erholungszwecken gemäß Abs. 1 dürfen nicht benutzt werden:

c) Wiederbewaldungsflächen..., solange deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht hat."

Gemäß § 174 Abs. 4 lit. a ForstG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unter anderem Wald zu Erholungszwecken entgegen dem Verbot des § 33 Abs. 2 benützt.

2.2.1. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, er habe infolge der Schneehöhe nicht erkennen können, daß er über Wiederbewaldungsflächen gefahren sei. Wenn sich die belangte Behörde auf die beigezogenen Sachverständigen berufe, die betont hätten, daß die Wiederbewaldungsflächen aufgrund der Bewuchshöhe eindeutig als solche erkennbar gewesen sein müßten, so sei dies durch keinerlei Befund oder Gutachten belegt. Die Schneehöhe im Tatzeitpunkt sei weder im Gutachten festgehalten noch sei sie bekannt. Der forsttechnische Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft habe in seinem Gutachten festgestellt, daß während der Winterszeit bei einer mächtigen Schneedecke die Vollbestockung nicht offensichtlich sei. In seiner Einvernahme vom 27. Oktober 1990 habe er erklärt, die Betonung liege hier auf dem Wort "voll", die höheren Bäume hätten nämlich die Schneedecke selbstverständlich überragt. Die Höhe und Anzahl dieser Bäume gehe aus der Aussage jedoch nicht hervor. Nur dann, wenn festgestellt worden wäre, wie viele Wipfel von Bäumen, die unter 3 m groß gewesen seien, aus der Schneedecke herausgeragt hätten, hätte dem Beschwerdeführer auch der Vorwurf gemacht werden können, er hätte trotz Erkennbarkeit eine Wiederbewaldungsfläche befahren. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. November 1989 selbst ausgeführt habe, könne nur eine durchschnittliche Bewuchshöhe und deren durchschnittliche Erkennbarkeit entscheidend sein.

Diese Ausführungen erweisen sich im Ergebnis als zutreffend.

2.2.2. In dem bereits mehrfach genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1989 hat dieser hinsichtlich der Frage, ob der Bewuchs der verfahrensgegenständlichen Wiederbewaldungsfläche "eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht hat", darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Die Bezugnahme in der Bescheidbegründung auf die Aussagen der sachverständigen Zeugen, denen zufolge die vom Beschwerdeführer "befahrene Wiederbewaldungsfläche auch im Winter aufgrund der Höhe des Bewuchses eindeutig als solche erkennbar gewesen sei", vermöge die versäumten, die Höhe des Bewuchses und zwar die durchschnittliche Höhe der herrschenden Bestandesglieder auf der jeweils in Betracht kommenden Fläche, betreffenden Tatsachenfeststellungen nicht zu ersetzen (vgl. Punkt 5.3. der Entscheidungsgründe).

Die Beurteilung der Bewuchshöhe ist nämlich nicht nach einzelnen Vorwüchsen, sondern nach der durchschnittlichen Höhe der herrschenden Bestandesglieder auf der fraglichen Teilfläche vorzunehmen (vgl. BOBEK-PLATTNER-REINDL, Forstgesetz 1975, Anmerkung 13 zu § 33).

2.2.3. Im Rahmen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens hat der forsttechnische Amtssachverständige aufgrund des Lokalaugenscheins vom 18. Mai 1990 festgestellt, daß die gegenständliche Fläche mit Kunstverjüngung sowie Naturverjüngung im Jungwuchsstadium bestockt sei, die eine Baumhöhe von 0,6 bis 1,5 m aufweise. Die belangte Behörde durfte daher im Beschwerdefall frei von Rechtsirrtum davon ausgehen, daß Wiederbewaldungsflächen, deren Bewuchs eine Höhe von 3 m noch nicht erreicht hat, vorlagen. Der Beschwerdeführer hat jedoch stets erklärt, infolge der gegebenen Schneelage nicht erkannt zu haben, eine Wiederbewaldungsfläche benutzt zu haben. Zur Glaubhaftmachung für sein mangelndes Verschulden wurden dabei von ihm nicht nur Fotos des gegenständlichen Gebietes vorgelegt, sondern auch die Vernehmung des Zeugen F beantragt. Wenn der belangten Behörde auch zuzugestehen ist, daß die vorgelegten Fotos nicht die gesamte vom Beschwerdeführer befahrene Strecke darstellen, so ergibt sich doch auch nach dem von ihr eingeholten Gutachten vom 28. Mai 1990, daß "während der Winterszeit bei einer mächtigen Schneedecke die Vollbestockung bzw. Vollüberschirmung nicht offensichtlich" ist. Der Umstand, daß einzelne "höhere Bäume" die Schneedecke überragt haben - wie der Sachverständige in seiner Aussage am 27. Oktober 1990 erklärt hat - läßt für sich genommen noch nicht den Schluß zu, daß der durchschnittlich etwas über einen Meter hohe Bewuchs der Wiederbewaldungsfläche im Tatzeitpunkt die Schneedecke, deren ungefähre Höhe im gesamten Verwaltungsverfahren nie ermittelt worden ist, überragte bzw. sich darunter so abzeichnete, daß für einen aufmerksamen Schifahrer die Vermutung nahe lag, es handle sich um eine "Verjüngungsfläche".

2.3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei entsprechenden Tatsachenfeststellungen zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100014.X00

Im RIS seit

30.04.1992

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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