TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/30 92/06/0002

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Veröffentlicht am 30.04.1992
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;

Norm

BauG Vlbg 1972 §6 Abs3;
RPG Vlbg 1973 §47;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der ET in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. Mai 1991, Zl. VIIa-373.02, betreffend Grenzänderungsverfahren (mitbeteiligte Partei: PA in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte beantragte am 6. Februar 1990 die Durchführung eines Grenzänderungsverfahrens nach den §§ 47 ff des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, betreffend die Grundstücke Nr. 4.030/1 (Eigentum der Beschwerdeführerin) und 4.029/1 (Eigentum des Mitbeteiligten). Beide Grundstücke sind 13 m breit, das Grundstück des Mitbeteiligten ist zirka 66 m, jenes der Beschwerdeführerin zirka 95 m lang.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. Mai 1990 wurde die Beschwerdeführerin davon verständigt, daß der Mitbeteiligte einen Antrag auf Durchführung eines Grenzänderungsverfahrens eingebracht und einen Teilungsvorschlag vorgelegt habe, wonach der Beschwerdeführerin der südliche Teil beider Grundstücke mit einer Breite von 26 m und dem Mitbeteiligten der nördliche Teil dieser Grundstücke zufallen sollte. Die Beschwerdeführerin äußerte sich dahingehend, daß ihr Grundstück im Ausmaß von

1.149 m2 unmittelbar an die ebenfalls in ihrem Eigentum befindliche GP 4.022/1 grenze, sowie an die Liegenschaft ihres Sohnes. Die jetzige Situierung der genannten Liegenschaften bedeute, daß ihr derzeit drei Bauplätze zur Verfügung stünden. Würde dem Antrag des Mitbeteiligten entsprochen und ein Grenzänderungsverfahren nach seinem Wunsch durchgeführt werden, verlöre die Beschwerdeführerin bzw. ihr Sohn einen Bauplatz. Dies bedeute einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht, sie spreche sich daher mit aller Entschiedenheit gegen die Durchführung des beabsichtigten Grenzänderungsverfahrens aus.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 21. Mai 1991 wurde gemäß § 48 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973 (RPG), über die Grundstücke Nr. 4.029/2 (mit Bescheid vom 10. Juni 1991 berichtigt in Nr. 4.029/1) und 4.030/1, KG A ein Grenzänderungsverfahren eingeleitet. Den Eigentümern der genannten Grundstücke wurde gemäß § 49 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes eine Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides für eine vertragliche Regelung eingeräumt. Begründend wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes seien gegeben, da die Grundparzelle des Mitbeteiligten im Ausmaß von 855 m2 mit einer Breite von 13 m nicht verbaut werden könne. Dasselbe gelte auch für den nördlich der Grundparzelle 4.022/1 (ebenfalls im Eigentum der Beschwerdeführerin) gelegenen Teil der GP 4.030/1. Es sei zu berücksichtigen, daß ausschließlich vom bestehenden Grundstücksbestand auszugehen sei und insbesondere Verwandtschaftsbeziehungen von Grundeigentümern bei der Beurteilung der Frage der Bebaubarkeit der Grundstücke nicht beachtet werden könnten. Nach den Ergebnissen der durchgeführten Überprüfung seien die Voraussetzungen des § 47 RPG gegeben. Die beantragte Grenzveränderung sei daher mit Bescheid einzuleiten gewesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. November 1991, Zl. B 741/91-4 abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat eine Äußerung zu beiden Gegenschriften eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl. Nr. 15/1973, in der Fassung LGBl. Nr. 61/1988, lauten:

Grenzänderung

§ 47

Begriff und Zweck

(1) Wenn in einem Gebiet, für das ein Bebauungsplan besteht oder das als Baufläche im Sinne des § 13 geeignet ist, die Bebauung einzelner aneinandergrenzender Grundstücke wegen ihrer unzweckmäßigen Form oder mangels einer entsprechenden Erschließungsmöglichkeit verhindert oder wesentlich erschwert wird, kann von der Landesregierung eine Änderung der Grenzen von Grundstücken verfügt werden (Grenzänderung).

(2) Eine Grenzänderung ist nur zulässig, wenn

a)

dadurch Baugrundstücke geschaffen werden, die nach Maßgabe der geltenden Vorschriften bebaut werden können,

b)

die von der Änderung der Grenzen erfaßten Flächen der einbezogenen Grundstücke unbebaut sind,

c)

durch die Änderung der Grundstücksgrenzen für bestehende Bauwerke kein baugesetzwidriger Zustand entsteht und

d)

die von der Grenzänderung erfaßte Fläche je Grundstück nicht mehr als 1.500 m2 beträgt.

§ 48

Durchführung

(1) Ein Grenzänderungsverfahren ist von der Landesregierung durch Bescheid einzuleiten, wenn es vom Eigentümer eines Grundstückes oder mit dessen Zustimmung von der Gemeinde beantragt wird und die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 gegeben sind.

(2) Dem Antrag müssen angeschlossen sein

a)

ein Plan, dessen Maßstab und Ausstattung die Beurteilung der Grenzänderung ermöglicht,

b)

Grundbuchauszüge und Auszüge aus dem Grundstücksverzeichnis des Grenz- oder Grundsteuerkatasters hinsichtlich der von der Grenzänderung betroffenen Grundstücke, die nicht älter als sechs Monate sein dürfen.

§ 49

Durchführung

(1) Nach der Einleitung des Grenzänderungsverfahrens ist zunächst ein Vertrag anzustreben und erforderlichenfalls den Parteien eine zwei Monate nicht überschreitende Frist einzuräumen.

(2) Wenn ein Vertrag nicht zustande kommt, hat die Landesregierung unter möglichster Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten die Grenzänderung durch Bescheid unter Beachtung nachstehender Grundsätze zu verfügen:

a)

Die Grundstücke, die sich aufgrund der Grenzänderung ergeben, müssen selbstständig bebaubar sein.

b)

Das Ausmaß der abzutretenden Flächen ist nur in dem für die Erreichung des Zweckes der Grenzänderung unbedingt erforderlichen Umfang festzusetzen.

c)

Das Flächenausmaß der einzelnen Grundstücke muß vor und nach der Grenzänderung gleich groß sein. Soweit jedoch Teile von Grundstücken abgetrennt werden, für die nach der Lage des Grundstückes ein Ausgleich durch eine andere Fläche eines in die Grenzänderung einbezogenen Grundstückes nicht möglich ist, ist eine Geldabfindung zuzuerkennen.

d)

Geldabfindungen nach lit. c sind von den Eigentümern zu erbringen, die durch die Grenzänderung eine größere Fläche erhalten. Nach den gleichen Grundsätzen sind auch wesentliche Wertänderungen auszugleichen.

(3) Die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1, 44, 45 und 46 gelten sinngemäß.

Unbestritten ist, daß die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 RPG vorliegen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geht es daher ausschließlich um die Frage, ob die Bebauung der Grundstücke des Mitbeteiligten und der Beschwerdeführerin wegen ihrer unzweckmäßigen Form oder mangels einer entsprechenden Erschließungsmöglichkeit verhindert oder wesentlich erschwert ist. Nach der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß die Grundparzellen aufgrund ihrer Breite von 13 m nicht verbaut werden können. Dies kann der Verwaltungsgerichtshof mangels entsprechender Feststellungen im Bescheid nicht nachvollziehen. Die Nachholung dieser unterlassenen Begründung in der Gegenschrift kann die der angefochtenen Entscheidung anhaftende Mangelhaftigkeit nicht beheben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 1963, Zl. 1788/62, vom 22. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.232/A, u. a.). Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde aufzuheben.

Lediglich aus Gründen der Verwaltungsökonomie führt der Verwaltungsgerichtshof zu den Überlegungen in der Gegenschrift der belangten Behörde aus: Unter der Annahme, daß nur die offene Bauweise zulässig ist, ist folgendes zu berücksichtigen:

Nach § 6 Abs. 6 des Vorarlberger Baugesetzes müssen oberirdische Gebäude mindestens 3 m von der Nachbargrenze entfernt sein. Für die beidseitige Einhaltung des Mindestabstandes werden daher 6 m breite Grundstücksstreifen auf jedem Grundstück benötigt. Für ein Gebäude selbst bleibt somit eine Breite von 7 m. Im Hinblick auf die nach § 6 Abs. 2 und 3 des Baugesetzes erforderlichen Abstandsflächen ist bei einer Gebäudehöhe von 5 m (1 Vollgeschoß, ein ausgebautes Dachgeschoß zuzüglich Dachdecke und Dachhaupt) der sich daraus ergebende Mindestabstand nach § 6 Abs. 2 des Baugesetzes von 3 m gerade noch einzuhalten, wie auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einräumt (sofern der Fußboden des Ergeschosses das anschließende Gelände nicht überragt). Beträgt die Gebäudehöhe 5 m, so wäre bei Fenstern von Aufenthaltsräumen mit einer Brüstungshöhe von 90 cm nach § 6 Abs. 3 des Baugesetzes eine Fensterabstandsfläche in einer Höhe von 9/10 der über der Fensterbrüstung liegende Außenwand (beim angenommenen Beispiel 4,10 m) also von 3,69 m erforderlich. Selbst unter der Annahme, daß sich auf beiden Längsseiten des Gebäudes Fenster von Aufenthaltsräumen befinden sollten, verbliebe bei einem zweigeschossigen Objekt eine bebaubare Breite in einer Größenordnung von etwa 5,60 m. Abgesehen davon, daß die Anordunung von Aufenthaltsräumen auf beiden Längsseiten eines freistehenden Gebäudes nicht erforderlich (und auch praxisfremd) ist, verbleibt selbst bei einer derartigen Planung die Möglichkeit, ein zweigeschossiges Objekt mit einer Breite von 5,60 m und beliebiger Länge zu errichten. Davon, daß die beiden Grundstücke NICHT verbaut werden können, kann daher keine Rede sein. Ein Gebäude mit einer Breite von 5,60 m kann auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Wandstärken Aufenthaltsräume mit zweckmäßiger Breite enthalten.

Die Ansicht der belangten Behörde, die diese in ihrer Gegenschrift geäußert hat, wonach die geringe Breite zu Baukörpern zwinge, die in der Regel sehr lang und eher unproportioniert seien und sich nur schwer in umgebende Bebauung einfügen ließen, vermag der Verwaltungsgerichtshof in dieser allgemeinen Form nicht zu teilen. Abgesehen davon, daß ohne Erhebung der umgebenden Bebauung die Frage, ob sich ein Objekt dort einfügt, gar nicht beurteilt werden kann, ist festzustellen, daß ein schmales, langgestrecktes Gebäude, dessen Front in etwa die Hälfte seiner Länge beträgt, grundsätzlich der alemannischen Hausform entspricht. Überdies ist zu berücksichtigen, daß bei langen und schmalen Grundstücken die Errichtung mehrerer, durchaus proportionierter Objekte, die hintereinander angeordnet sind, möglich ist, (sofern nicht besondere topographische Umstände vorliegen oder z. B. Baugrenzen bzw. Baulinien festgesetzt sind). So hat die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde Planskizzen beigelegt, wonach auf dem Grundstück des Mitbeteiligten zwei wohlproportionierte Einfamilienhäuser mit je zirka 120 m2 Wohnnutzfläche und selbständig situierten Einstellflächen und auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin drei derartige Einfamilienhäuser aufgeführt werden können. Sollte zutreffen, daß unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten Einfamilienhäuser mit Räumen in ZWECKMÄSSIGER ANORDNUNG UND GRÖSSE errichtet werden können, läge nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine wesentliche Erschwernis der Bebauung nicht vor. Da dies mangels ausreichender Feststellungen der belangten Behörde derzeit nicht beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid aus den bereits oben dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist und der Schriftsatzaufwand nur einmal zuerkannt werden kann.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060002.X00

Im RIS seit

30.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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