TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/30 91/10/0081

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Veröffentlicht am 30.04.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §1 Abs3;
ForstG 1975 §1 Abs7;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z30;
ForstG 1975 §85 Abs1 lita;
ForstG 1975 §85 Abs1 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des G in F, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 17. Jänner 1991, Zl. 10R-550/3/90, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Obmann der Agrargemeinschaft D Ende September 1989 in der Waldparzelle Nr. nn1, KG D, einen Kahlhieb in Verbindung mit einer einem Kahlhieb gleichzuhaltenden Einzelstammentnahme mit einem Flächenausmaß von ca. 0,70 ha, und zwar im nördlichen Parzellenteil, beiderseits der Forststraße, ohne Bewilligung der Behörde durchgeführt und dadurch § 174 Abs. 1 lit. a Z. 30 in Verbindung mit § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idgF verletzt. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß er einen Kahlhieb von über 0,5 ha Ausmaß zu vertreten habe. Die belangte Behörde habe das Ausmaß der Forststraßenfläche, die in die vom Beschwerdeführer zu vertretende Hiebsfläche nicht einzubeziehen sei, unrichtig ermittelt, weil sie die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise (Beibringung von Unterlagen über den Forststraßenbau, Vernehmung von Zeugen) nicht aufgenommen habe.

Weder aus der Bestimmung des § 85 des Forstgesetzes 1975 noch aus einer anderen Bestimmung ergebe sich, daß eine Forststraße rechtlich als unbestockter Waldboden anzusehen sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei die beiderseits der Forststraße gelegene Schlagfläche bei der Prüfung der Frage, ob eine bewilligungspflichtige Fällung im Sinne des § 85 des Forstgesetzes 1975 vorliege, getrennt zu bewerten. Es würde daher, selbst wenn man den Ausführungen des Amtssachverständigen hinsichtlich der Schlagfläche folge, beiderseits des Weges eine getrennte Schlagfläche von

3.450 m2 vorliegen und es wäre somit kein Verstoß gegen § 85 Forstgesetz 1975 gegeben. Insbesondere liege keine Verletzung des § 85 Abs. 1 lit. a leg. cit. vor, da dieser eindeutig von einer "zusammenhängenden" Fläche ab der Größe von einem halben ha spreche. Das Wort zusammenhängend könne wohl nur so ausgelegt werden, daß eine Fläche ohne räumliche Unterbrechungen vorliegen müsse, um die Bestimmung des § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975 anwenden zu können.

Die belangte Behörde hätte, wenn sie die beiderseits der Forststraße gelegenen Schlagflächen zusammenzählte, § 85 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 anwenden müssen. Durch die Zitierung des § 85 Abs. 1 lit. a leg. cit. im Spruch des bekämpften Bescheides sei sein Recht darauf, daß im Spruch des Bescheides die durch sein Verhalten verletzte Verwaltungsvorschrift richtig zitiert werde, verletzt worden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 30 des Forstgesetzes 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Fällungen entgegen den Bestimmungen der §§ 85 Abs. 1 und 94 Abs. 1 durchführt.

Nach § 85 Abs. 1 leg. cit. bedürfen einer Bewilligung der Behörde

a) Kahlhiebe und diesen gleichzuhaltende Einzelstammentnahmen (Abs. 2) auf einer zusammenhängenden Fläche von einer Größe ab einem halben Hektar,

b) Kahlhiebe und diesen gleichzuhaltende Einzelstammentnahmen, wenn die vorgesehene Hiebsfläche, ohne Rücksicht auf Eigentumsgrenzen, unmittelbar an Kahlflächen oder an Flächen mit nicht gesicherter Verjüngung angrenzt und im Falle der Fällung die danach entstehende gesamte unbestockte Fläche oder die vorgesehene Hiebsfläche zusammen mit der nicht gesichert verjüngten Fläche ein halbes Hektar oder mehr als dieses betragen würde,

c) Fällungen in Wäldern, die wegen Übertretungen des Waldeigentümers (Abs. 3) einer besonderen, durch Bescheid der Behörde festgelegten behördlichen Überwachung bedürfen.

Während § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975 Kahlhiebe auf einer ZUSAMMENHÄNGENDEN Fläche ab einer Größe von einem halben Hektar der Bewilligungspflicht unterwirft, sieht § 85 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine solche für Fälle vor, in denen die vorgesehene Hiebsfläche ohne Rücksicht auf Eigentumsgrenzen an Kahlflächen angrenzt. Aus einer Gegenüberstellung dieser beiden Bestimmungen folgt daher, daß unter einer "zusammenhängenden" Fläche im Sinne des § 85 Abs. 1 lit. a nur eine das kritische Ausmaß von einem halben Hektar erreichende Fläche gemeint sein kann, die nicht von Kahlflächen unterbrochen wird.

Nach § 1 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 gelten unbeschadet ihrer besonderen Nutzung als Wald im Sinne des Forstgesetzes auch dauernd unbestockte Grundflächen, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen). Zu den forstlichen Bringungsanlagen zählen nach § 59 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 unter anderem Forststraßen.

Nach § 1 Abs. 7 des Forstgesetzes 1975 wird Wald, dessen Bewuchs eine Überschirmung von weniger als 3/10 aufweist, als Räumde, Waldboden ohne jeglichen Bewuchs als Kahlfläche bezeichnet.

Da Forststraßen nach § 1 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 als Wald gelten und da sie naturgemäß ohne forstlichen Bewuchs sind, sind sie als Kahlflächen anzusehen.

Im Beschwerdefall grenzen die vom Beschwerdeführer geschlägerten Flächen (Hiebsflächen) unmittelbar an eine Kahlfläche (Forststraße) an; sie werden von ihr gequert und in zwei Teile geteilt. Da keiner der beiden Teile für sich allein das kritische Ausmaß von 0,5 ha erreicht, ist § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975 mangels Vorliegens einer zusammenhängenden Fläche im Beschwerdefall nicht anwendbar.

Der von der belangten Behörde beigezogene forsttechnische Amtssachverständige hat bei einem Ortsaugenschein festgestellt, daß beide Teile der Hiebsfläche zusammen - ohne Einbeziehung der Forststraßenfläche - ein Ausmaß von ca. 6.900 m2 aufweisen. Da die Forststraße in ihrer Eigenschaft als Kahlfläche nach § 85 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 als Bindeglied zwischen den beiden Teilflächen der Hiebsfläche fungiert, sodaß diese beiden Teilflächen bei der Ermittlung der kritischen Gesamtfläche nicht getrennt, sondern zusammen zu berücksichtigen sind, ist die kritische Größe von einem halben Hektar überschritten. Die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Kahlhiebe hätten daher einer Bewilligung nach § 85 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 bedurft. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sich auf die Abgrenzung der Hiebsfläche von der Forststraßenfläche und auf das Ausmaß der letzteren beziehen, gehen ins Leere, da nach § 85 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 die Kahlfläche bei der Ermittlung der unbestockten Gesamtfläche einzubeziehen ist. Daß sie im Beschwerdefall nicht einbezogen wurde, ist irrelevant, da bereits die - als Einheit anzusehende - Hiebsfläche das kritische Ausmaß überschreitet.

Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde als die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a lit. a VStG) § 174 Abs. 1 lit. a Z. 30 iVm § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975 angeführt. Die belangte Behörde hat durch Abweisung der Berufung den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unverändert zum Inhalt ihrer Entscheidung gemacht. Nach den obigen Ausführungen hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten aber nicht § 85 Abs. 1 lit. a des Forstgesetzes 1975 verletzt, sondern § 85 Abs. 1 lit. b. Ein Bescheid ist mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verletzt wurde (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 968, zu § 44a lit. b unter Z. 1 angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100081.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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