TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/30 92/02/0108

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Veröffentlicht am 30.04.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §2 Abs1 Z15;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §43 Abs4;
StVO 1960 §51 Abs1 idF 1983/174;
StVO 1960 §51 Abs1;
StVO 1960 §52 Z10a idF 1983/174;
StVO 1960 §53 Abs1 Z17a;
StVO 1960 §54 Abs5 litb;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
StVONov 10te Art2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Dezember 1991, Zl. MA 64-9/51/91/Str, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Dezember 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 16. April 1990 um 15.04 Uhr in Wien 19, B 227 Höhe Rampengasse Richtung Friedensbrücke, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs die durch Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um mindestens 40 km/h, somit erheblich überschritten zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer brachte bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens vor, am Tatort sei die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht gewesen, weil die Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als einem Kilometer gegolten habe und dennoch bei dem betreffenden Vorschriftszeichen eine Zusatztafel im Sinne des § 51 Abs. 1 letzter Satz StVO 1960 nicht angebracht gewesen sei.

Nach der Bestimmung des § 51 Abs. 1 letzter Satz StVO 1960 in der Fassung der 10. StVO-Novelle ist dann, wenn ein Überholverbot oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km gilt, bei den betreffenden Vorschriftszeichen die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. b anzugeben; dies gilt für allfällige Wiederholungszeichen sinngemäß.

Gemäß Art. II Abs. 2 der 10. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 174/1983, sind unter anderem Straßenverkehrszeichen, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht entsprechen, bei einem allfälligen Austausch, spätestens aber bis 31. Dezember 1993, durch Zeichen nach diesem Bundesgesetz zu ersetzen. Bis dahin sind Zeichen nach den bisher geltenden Bestimmungen zu beachten.

Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens ergibt sich, daß die in Rede stehende Geschwindigkeitsbeschränkung mit Verordnung vom 6. Oktober 1988 normiert und mit Aufstellung der Verkehrszeichen am 18. Dezember 1988 in Kraft getreten ist. Da diese Geschwindigkeitsbeschränkung somit erst nach Inkrafttreten der 10. StVO-Novelle verordnet wurde, hat ihre Kundmachung grundsätzlich den Anforderungen des § 51 Abs. 1 letzter Satz StVO 1960 (i.d.F.d. 10. Novelle) zu entsprechen, sofern ihr örtlicher Geltungsbereich nicht im Ortsgebiet (§ 2 Abs. 1 Z. 15 StVO 1960) liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0026).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 51 Abs. 1 StVO bereits wiederholt darauf hingewiesen, nach Absicht des Gesetzgebers solle bei Überholverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen, die für eine längere Strecke als 1 km gelten, schon von Anbeginn bzw. auch bei Wiederholungszeichen mit einer Zusatztafel auf die Länge hingewiesen werden, damit sich die Verkehrsteilnehmer darauf einstellen können.

Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer die Überschreitung der mit einer auf § 43 Abs. 4 StVO 1960 gestützten Verordnung festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit angelastet. Diese Verordnung erlaubt es sohin, abweichend von der im Ortsgebiet gemäß § 20 Abs. 2 StVO an sich vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, eine höhere, nämlich 70 km/h, einzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht in einem solchen Fall keine Verpflichtung, entsprechend der Vorschrift des § 51 Abs. 1 vierter Satz StVO 1960 die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. b leg. cit. anzugeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0026).

In diesem Zusammenhang gewinnt allerdings das Vorbringen des Beschwerdeführers Bedeutung, er habe auf seiner Fahrt von Korneuburg kommend niemals eine "rechtlich gültig aufgestellte" Ortstafel "Wien" passiert. Diese Ortstafel sei nämlich in rechtswidriger Weise an der Stockerauer Autobahn angebracht gewesen.

Gemäß § 53 Abs. 1 Z. 17a darf das Hinweiszeichen "Ortstafel" auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, nicht angebracht werden. Sollte das zuletzt genannte Beschwerdevorbringen zutreffen, könnte, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/18/0307, dargelegt hat, nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte am Tatort bei Fehlen des in Rede stehenden Verkehrszeichens gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 lediglich die gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit. im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einhalten dürfen, sodaß die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Voraussetzungen für einen Entfall der Verpflichtung zur Anbringung von Zusatztafeln nach § 51 Abs. 1 vierter Satz StVO 1960 im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen wären. Die Überschreitung des gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 für Freilandstraßen geltenden Höchstgeschwindigkeit um 100 km/h (um 10 km/h) wurde dem Beschwerdführer nicht zur Last gelegt.

Um beurteilen zu können, ob die mit der zitierten Verordnung normierte Geschwindigkeitsbeschränkung dem Gesetz gemäß kundgemacht wurde, hätte es daher mit Rücksicht auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers Feststellungen darüber bedurft, ob einerseits der Beschwerdeführer auf der von ihm eingehaltenen Fahrstrecke von außerhalb Wiens kommend ein ordnungsgemäß aufgestelltes Hinweiszeichen "Ortstafel" passierte und, sofern dies nicht der Fall war, ob die mit dem in Rede stehenden Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung im Tatzeitpunkt für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km galt und bejahendenfalls ob die betreffenden Vorschriftszeichen (einschließlich allfälliger Wiederholungszeichen) mit den entsprechenden Zusatztafeln nach § 54 Abs. 5 lit. b leg. cit. versehen waren.

Da die belangte Behörde derartige Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerde nur zweifach einzubringen war.

Schlagworte

Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020108.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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