TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 92/08/0069

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §226 Abs3 idF 1962/013;
ASVG §226 Abs3;
ASVG §409;
ASVG §410;
ASVG §78 Abs1;
AVG §6 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt, W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3.12.1991, Zl. 121.366/10-6a/91, betreffend Erwerbung von Beitragszeiten durch Nachentrichtung von Beiträgen und Erlaß der Beitragszahlungen zur Weiter- und Höherversicherung (mitbeteiligte Parteien: 1) Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien; 2) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der Wirksamkeit der für die Zeit vom 1. Jänner 1946 bis 31. Dezember 1952 zur Pensionsversicherung der Angestellten zu entrichtenden Beiträge gemäß § 226 Abs. 3 ASVG keine Folge und wies den weiteren Antrag des Beschwerdeführers auf Erlaß der Beitragszahlungen zur Weiter- und Höherversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis 31. Dezember 1983 gemäß § 410 ASVG als unzulässig zurück.

Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12. April 1991 die nachträgliche Anerkennung der Wirksamkeit der für die Jahre 1946 bis 1952 noch zu entrichtenden Pensionsbeiträge mit der Begründung begehrt, er sei während dieser Zeit als Journalist tätig gewesen. Allerdings habe es damals noch nicht die gewerbliche Sozialversicherung gegeben. Dadurch verliere er Versicherungszeiten, wodurch er einen finanziellen Ausfall bei der Höhe der ihm zuerkannten Berufunfähigkeitspension erleide. Mit einem weiteren Antrag vom 12. Juni 1991 begehre er, ihm die Einzahlung der Beiträge zur Weiter- und Höherversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis 31. Dezember 1983 zu erlassen und diesen Antrag aus Gründen der Verfahrensökonomie mit seinem Antrag auf wirksame Beitragsnachentrichtung zu verbinden. Hiezu sei von der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten berichtet worden, daß der Beschwerdeführer seit 1. April 1987 eine Berufsunfähigkeitspension beziehe und die Bestimmung des § 226 Abs. 3 ASVG nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zum Zwecke einer Leistungsverbesserung herangezogen werden könne. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe mitgeteilt, ein ergänzend durchgeführtes Feststellungsverfahren habe zur Anerkennung der in Rede stehenden Zeiten von 1946 bis 1952 als Ersatzzeiten nach dem GSVG geführt. Dem auf § 226 Abs. 3 ASVG gestützten Antrag könne - so fährt die belangte Behörde in der Bescheidbegründung fort - daher schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil es sich bei den davon betroffenen Zeiten um Ersatzzeiten, also solche handle, für die überhaupt keine Beiträge entrichtet werden könnten. Aber selbst für den Fall, daß der Beschwerdeführer eine Anerkennung dieser Zeiten als Beitragszeiten hätte erwirken können, wäre ein Vorgehen nach § 226 Abs. 3 ASVG nicht möglich, weil noch keine Beiträge eingezahlt worden seien und nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beiträge vor ihrer allfälligen Wirksamerklärung tatsächlich entrichtet sein müßten. Der weitere Antrag auf Erlaß der Einzahlung von Beiträgen zur Weiter- und Höherversicherung stelle eine Verwaltungssache im Sinne des § 409 ASVG dar, zu deren bescheidmäßiger Absprache gemäß § 410 ASVG die Versicherungsträger zuständig seien. Der belangten Behörde komme daher für diesen Bereich keine Entscheidungskompetenz zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anerkennung von Versicherungsmonaten als Beitragszeiten gemäß § 226 Abs. 3 ASVG und in seinem Recht auf Erlassung eines Bescheides über seinen Antrag auf Erlaß von Beitragszahlungen verletzt erachtet. Die Abweisung seines auf § 226 Abs. 3 ASVG gestützten Antrages sei deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die betroffenen Zeiten als Beitragszeiten anerkannt habe und diese

Anerkennung "auch nach den Bestimmungen des ASVG ... wirkt".

Bei richtiger Würdigung dessen hätte die belangte Behörde dem Antrag "auf Anerkennung der Beschäftigungszeit 1.1.1946 bis 31.12.1952 zur PVA der Angestellten als Beitragszeit stattgeben müssen". Der zurückweisende Ausspruch des angefochtenen Bescheides sei deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil § 410 ASVG das Wort "insbesondere" verwende. Das aber bedeute, daß bloß demonstrativ angeführt werde, über welche Anträge einer Partei mit Bescheid abzusprechen sei. Aus dieser Bestimmung gehe daher nicht hervor, daß der gegenständliche Antrag nicht mit Bescheid zu erledigen wäre. Selbst wenn (was ausdrücklich bestritten werde) die belangte Behörde zur Bescheiderlassung nicht zuständig wäre, so wäre sie verpflichtet gewesen, den Antrag an eine im Instanzenzug untergeordnete Dienststelle als Verwaltungsbehörde weiter zu leiten. Der angefochtene Bescheid sei aber auch mit relevanten Verfahrensmängeln behaftet, weil dem Beschwerdeführer vor Bescheiderlassung nicht nachweislich der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht worden und es ihm daher nicht möglich gewesen sei, vor Bescheiderlassung in Wahrung seiner Rechte und rechtlichen Interessen seinen Standpunkt darzulegen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Einhaltung "dieser Verfahrensvorschrift gem. AVG" zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

1. Gemäß § 226 Abs. 3 erster Satz ASVG kann das Bundesministerium für soziale Verwaltung (nunmehr: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) in Fällen besonderer Härte die Erwerbung von Beitragszeiten durch Nachentrichtung von Beiträgen für eine vor dem 1. Jänner 1956 gelegene Zeit insoweit als wirksam anerkennen, als für diese Zeit nach den für sie in Geltung gestandenen oder nachträglich für sie getroffenen Bestimmungen Beiträge zu entrichten gewesen wären oder hätten entrichtet werden können.

Der Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur darin erblickt werden, in Fällen einer besonderen Härte durch die Anerkennung der Wirksamkeit des Erwerbes von Beitragszeiten durch die Nachentrichtung von Beiträgen für eine vor dem 1. Jänner 1956 gelegene Zeit solchen Versicherten die Möglichkeit zu verschaffen, bei Erreichung des Anfallsalters bzw. bei Invalidität in den Genuß einer Leistung aus der Pensionsversicherung zu gelangen, die sonst eine solche Leistung deshalb nicht erlangen könnten, weil ihnen trotz des Vorliegens eines nahezu bis an den Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles heranreichenden Versicherungsverlaufes voraussichtlich bei Eintritt des Versicherungsfalles eine im Verhältnis zur Gesamtzahl der für die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen eines Leistungsanspruches erforderlichen Versicherungsmonate nur ganz geringfügige Zeit fehlen würde (vgl. das Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 85/08/0113, mit weiteren Judikaturhinweisen, sowie das Erkenntnis vom 17. April 1964, Slg. Nr. 6.311/A). § 226 Abs. 3 ASVG dient demnach lediglich dazu, Lücken im Versicherungsverlauf zwecks Erlangung einer Leistung aus der Pensionsversicherung zu schließen, nicht aber dazu, die Bestimmungen über die Wartezeit und die Deckung schlechthin illusorisch zu machen (vgl. Erkenntnis vom 18. September 1981, Slg. Nr. 10.541/A, mit weiteren Judikaturhinweisen) oder die Höhe der Leistung aus der Pensionsversicherung zu verbessern (vgl. Erkenntnis vom 15. Dezember 1965, Slg. Nr. 6.826/A, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Vor diesem Hintergrund ist der abweisende Abspruch des angefochtenen Bescheides (unabhängig davon, ob es sich einerseits bei den betroffenen Zeiten um solche im Sinne des § 226 Abs. 3 ASVG handelt und ob andererseits - wie unbestritten im Bereich des § 225 Abs. 3 ASVG - auch in jenem des § 226 Abs. 3 leg. cit. die Beiträge schon vor einer allfälligen Anerkennungsentscheidung entrichtet sein müssen) nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Denn der auf § 226 Abs. 3 ASVG gestützte Antrag des Beschwerdeführers vom 12. April 1991 zielte nach der im angefochtenen Bescheid angeführten und vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten Begründung des Antrages darauf ab (und konnte nur darauf abstellen), "den finanziellen Ausfall bei der Höhe der ihm zuerkannten Berufsunfähigkeitspension" auszugleichen. Eine diesem Antrag stattgebende Entscheidung hätte aber unter Bedachtnahme auf die obigen rechtlichen Grundsätze auch bei Vorliegen besonderer Härte im Sinne des § 226 Abs. 3 ASVG einen Verstoß gegen den Sinn des Gesetzes und den dadurch abgesteckten Spielraum rechtmäßiger Ermessensausübung durch die Behörde (Art. 130 Abs. 2 B-VG) dargestellt (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 85/08/0113, aber auch das Erkenntnis vom 15. Dezember 1964, Slg. Nr. 6.529/A). Die den Antrag abweisende Entscheidung entspricht daher dem Gesetz; die geltend gemachten Verfahrensmängeln sind demgemäß schon deshalb nicht relevant. Zu der ausführlichen Darstellung früherer Verfahren des Beschwerdeführers wird bemerkt, daß sie mit dem vorliegenden Antrag in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang stehen.

2. Unbegründet sind auch die Einwände gegen den zurückweisenden Abspruch der belangten Behörde. Daß der Beschwerdeführer Anspruch auf eine bescheidmäßige Erledigung seines Antrages vom 12. Juni 1991 hat, wurde von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Mangels einer ausdrücklich die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über diesen Antrag anordnenden Bestimmung ist aber dazu nach den grundlegenden Normen der §§ 409, 410 ASVG nicht die belangte Behörde, sondern der in Betracht kommende Versicherungsträger zuständig. Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 12. Juni 1991, wie die belangte Behörde in der Bescheidbegründung - vom Beschwerdeführer unbestritten - anführt, ausdrücklich begehrt hat, "diesen Antrag aus Gründen der Verfahrensökonomie mit seinem Antrag auf wirksame Beitragsnachentrichtung zu verbinden", und daher der Sache nach die Entscheidungspflicht der belangten Behörde auch in bezug auf diesen Antrag behauptete, war die belangte Behörde zu einem Vorgehen nach § 6 Abs. 1 AVG nicht berechtigt, sondern hatte selbst über diesen Antrag - im zurückweisenden Sinn - zu entscheiden. Abgesehen davon räumt § 6 Abs. 1 AVG dem Einschreiter keinen Rechtsanspruch auf Weiterleitung oder Weiterverweisung unter Abstandnahme von der bescheidmäßigen Zurückweisung seines Antrages wegen Unzuständigkeit ein (vgl. unter anderem den Beschluß vom 12. November 1986, Slg. Nr. 12.296/A).

3. Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen UnzuständigkeitIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080069.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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