TE Vfgh Erkenntnis 1989/10/11 V208/88, V33/89, V88/89, V90/89

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Veröffentlicht am 11.10.1989
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Inhalt gesetzwidrig
B-VG Art139 Abs1 / Gegenstandslosigkeit des Verfahrens
B-VG Art139 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
NotstandshilfeV §4 Abs3 idF BGBl 319/1988
AlVG §36

Leitsatz

Aufhebung des §4 Abs3 NotstandshilfeV wegen fehlender gesetzlicher Deckung durch §36 AlVG; keine Ermächtigung zu einer Regelung, nach der das Überschreiten eines bestimmten Einkommens durch die unterhaltspflichtigen Angehörigen zum Ausschließungsgrund für den Bezug von Notstandshilfe überhaupt wird

Spruch

§4 Abs3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 10. Juli 1973, BGBl. Nr. 352/1973, betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung) in der Fassung der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. Juni 1988, BGBl. Nr. 319/1988, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Bestimmung ist auch auf jenen Tatbestand nicht mehr anzuwenden, der der beim Verfassungsgerichtshof zu V90/89 anhängigen Rechtssache zugrunde liegt.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

A. I. Die Salzburger Landesregierung stellte mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1988 aufgrund ihres Beschlusses vom 12. Dezember 1988 gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag, "den §4 Abs3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 10. Juli 1973, BGBl. Nr. 352, betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung) in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 319/1988 wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben". Dieser Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu V208/88 protokolliert.

Zur Begründung ihres Antrags führte die Landesregierung aus:

"1. Gemäß §33 Abs1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 283/1988, haben Arbeitslose, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaubsgeld erschöpft haben, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Gewährung der Notstandshilfe. Voraussetzung für die Gewährung ist u.a., daß sich der Arbeitslose in einer Notlage befindet (Abs2 litc). Nach Abs4 liegt eine Notlage nur vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

2. In den nach §36 Abs1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nach Anhörung der gesetzlichen Interessensvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer über das Ausmaß der Notstandshilfe zu erlassenden Richtlinien sind auch die näheren Voraussetzungen im Sinne des §33 Abs4 festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist (Abs2). Bei Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der Angehörigen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind, wobei Lebensgefährten, Wahleltern, Stiefeltern, Wahlkinder und Stiefkinder den unterhaltspflichtigen Angehörigen gleichgehalten werden; im allgemeinen ist nur das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Angehörigen heranzuziehen. Weiters sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze Bestimmungen darüber zu treffen, inwieweit für den Fall, daß das der Beurteilung zugrunde liegende Einkommen nicht ausreicht, um die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen sicherzustellen, Notstandshilfe unter Anrechnung des Einkommens mit einem Teilbetrag gewährt werden kann.

Im Abs3 Teil B. sind nähere Bestimmungen zur Berücksichtigung des Einkommens der Angehörigen des Arbeitslosen getroffen. Lit. a lautet:

'a) Vom Einkommen der Angehörigen und gleichgehaltenen Personen (Abs2) ist bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) freizulassen. Dieser Freibetrag kann nach der Höhe des Einkommens, der Größe der Familie, dem Lebensjahr und nach dem Angehörigenverhältnis verschieden bemessen werden.'

3. Auf diesen Bestimmungen basiert die Notstandshilfeverordnung, auch wenn in der Präambel der Stammverordnung und u.a. der Verordnung BGBl. Nr. 319/1988 jeweils nur der §36 Abs1 genannt ist. (Der in der Präambel der Stammverordnung genannte §29 Abs1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1958 erhielt durch die Novelle BGBl. Nr. 289/1976 die nunmehrige §-Bezeichnung.)

§ 2 bestimmt allgemein und unter teilweiser Wiederholung gesetzlicher Bestimmungen, wann eine Notlage vorliegt.

Diesfalls reicht das Einkommen des Arbeitslosen und das seiner Angehörigen, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind, und das gleichgehaltener Personen - auch im folgenden kurz als Angehörige bezeichnet - zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht aus (Abs1), wobei im allgemeinen nur das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen heranzuziehen ist. Außerdem sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst und der Angehörigen zu berücksichtigen (Abs2).

Nach §6 Abs1 ist bei der Heranziehung des Einkommens von Angehörigen des Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage wie folgt vorzugehen: 'Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Angehörigen und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.'

Im Abs3 erster Satz wird die Höhe der Freigrenze mit derzeit 4365 S pro Monat festgelegt. Nach dem zweiten Satz erhöht sich dieser Betrag um 2200 S pro Monat für jede Person, für deren Unterhalt der Angehörige auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn für sie keine Familienbeihilfe gewährt wird; bei Gewährung von Familienbeihilfe verringert sich der Steigerungsbetrag um die Höhe der Familienbeihilfe. Diese Freigrenzen erhöhen sich um 50 v.H. im Fall der Anrechnung von Einkommen der Kinder (Wahlkinder, Stiefkinder) auf die Notstandshilfe der Eltern (Wahleltern, Stiefeltern) oder der Eltern (Wahleltern, Stiefeltern) auf die Notstandshilfe der Kinder (Wahlkinder, Stiefkinder) (vierter Satz).

Der angefochtene §4 Abs3 lautet:

'(3) Notlage ist nicht anzunehmen, wenn der Arbeitslose ein unterhaltsberechtigter Angehöriger (Gatte, Gattin, Lebensgefährte, Lebensgefährtin, Kind, Elternteil) einer Person ist, die einen Gewerbebetrieb oder einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt und daraus ein Einkommen erzielt, das die Freigrenze nach §6 Abs3 erster Satz übersteigt. §6 Abs7 gilt sinngemäß.'

4. Die angefochtene Bestimmung wird aus folgenden Gründen als im Widerspruch zu §36 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und zum grundrechtlich gewährleisteten Gleichheitsrecht stehend erachtet:

    Entsprechend §36 Abs3 Teil B lita erster Satz AlVG legt

§6 Abs1 der Notstandshilfeverordnung in Verbindung mit Abs3

den Betrag fest, der bei der Anrechnung des Einkommens der

Angehörigen 'freizulassen' ist. Darin wird nicht unterschieden, ob

die Angehörigen einen Gewerbebetrieb oder einen land- und/oder

forstwirtschaftlichen Betrieb selbständig führen und daraus ein

Einkommen ziehen. Dies steht im Einklang mit der zitierten

gesetzlichen Verpflichtung, wonach ein bestimmter Betrag vom

Einkommen bei der Anrechnung 'freizulassen' ist, und zwar allgemein

ohne Unterschied, ob die Angehörigen selbständig und gar in

bestimmter Weise selbständig erwerbstätig sind. Nur in seiner Höhe

kann der Freibetrag, dessen Funktion es ist, die Bestreitung des

Lebensunterhaltes sicherzustellen, nach der Höhe des Einkommens,

der Größe der Familie, dem Lebensalter und dem

Angehörigenverhältnis verschieden bestimmt werden. (Bei dieser

Beurteilung wird im übrigen dem u.a. im §6 Abs1 der Verordnung

verwendeten Begriff der 'Freigrenze' keine andere Bedeutung

beigemessen als dem gesetzlichen Begriff 'Freibetrag', obwohl in

anderen Rechtsbereichen darunter Verschiedenes verstanden wird,

zumal auch die Verordnung die verba legalia 'ist . . . ein Betrag

. . . freizulassen' verwendet.)

Anders ist die Rechtslage nach §4 Abs3 der Notstandshilfeverordnung, wenn die unterhaltsverpflichteten Angehörigen oder gleichgehaltenen Personen einen Gewerbebetrieb oder einen land- und/oder forstwirtschaftlichen Betrieb selbständig (auf eigene Rechnung und Gefahr) führen und daraus ein Einkommen über 4365 S pro Monat erzielen: In diesem Fall kommt es zu keiner Anrechnung des diesen Betrag übersteigenden Einkommens, also zu keiner Kürzung der Notstandshilfe um diesen Differenzbetrag, sondern besteht überhaupt kein Anspruch auf Notstandshilfe, weil gemäß dieser Bestimmung gar keine Notlage als Voraussetzung für den Anspruch vorliegt. Das bedeutet mit anderen Worten u.a.: Bei einem Einkommen des Angehörigen von über 4365 S - eine Steigerung dieses Betrages ist nicht vorgesehen -, also z.B. 5000 S, erhält der Arbeitslose keine Notstandshilfe, wenn das Einkommen aus einem Gewerbebetrieb oder einem land- und/oder forstwirtschaftlichen Betrieb erzielt wird, während ansonsten, im wesentlichen bei unselbständiger Erwerbstätigkeit, ein Betrag von 635 S auf die Notstandshilfe des Arbeitslosen zur Anrechnung kommt.

Einerseits sind zwar die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse (des Arbeitslosen selbst sowie) der Angehörigen bei der Beurteilung der Notlage zu berücksichtigen, wobei im allgemeinen nur das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Angehörigen heranzuziehen ist. (Diese Einschränkung, die auch im §2 Abs2 der Notstandshilfeverordnung wiedergegeben ist, ist auch bei der Anwendung des §4 Abs3 als anwendbar anzusehen). Das AlVG sieht zu diesem Zweck die Anrechnung der Einkommen (§36 Abs3 Teil B lita) und nicht die Verneinung der Notlage schlechthin ab einer bestimmten Einkommenshöhe vor. Bei dieser Anrechnung hat gesetzlich allgemein ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Freibetrag außer Betracht zu bleiben. Diese Bestimmung wird in gesetzwidriger Weise unterlaufen, wenn vorweg bestimmt wird, daß bei jedem den Freibetrag übersteigenden Einkommen überhaupt keine Notlage vorliegt, also überhaupt keine Notstandshilfe zu gewähren ist und nicht nur eine um den Differenzbetrag verminderte.

Zudem ist diese Bestimmung in hohem Maß unsachlich und daher gleichheits- bzw. gesetzwidrig:

Sie schließt Arbeitslose, deren Angehörige einen Gewerbebetrieb oder einen land- und/oder forstwirtschaftlichen Betrieb selbständig führen, unter sonst gleichen Umständen, d.h. bei gleichem Einkommen des Angehörigen von jeglichem Anspruch auf Notstandshilfe aus, während es bei nicht unter §4 Abs3 fallenden Personen lediglich zu einer Anrechnung bzw. Herabsetzung der Nostandshilfe kommt. Daß das gleiche Einkommen aus der selbständigen Führung von Gewerbebetrieben oder land- und/oder forstwirtschaftlichen Betrieben erzielt wird, hat auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angehörigen keinen Einfluß. Das Anknüpfen an solche Umstände macht eine Bestimmung darüber, ob ein Anspruch auf eine Leistung besteht, die der Sicherstellung der Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen, also seine persönliche wirtschaftliche Existenz, sicherstellen soll, unsachlich. Die gesamte wirtschaftliche Situation ist bei gleicher Einkommenshöhe, die es selbstverständlich nachzuweisen gilt (sieht §6 Abs7 der Notstandshilfeverordnung) keine verschiedene, wenn das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit oder aus der selbständigen Führung eines Gewerbebetriebes oder eines land- und/oder forstwirtschaftlichen Betriebes erzielt wird. Es liegen keine Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der gewerblich oder land- und/oder forstwirtschaftlich selbständig erwerbstätigen Angehörigen und damit auch des Arbeitslosen wären bei gleichem Einkommen so wesentlich andere als bei unselbständig erwerbstätigen Angehörigen, daß die persönlichen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen auch ohne Notstandshilfe gedeckt werden können. Mit dem Anknüpfen an die beiden selbständigen Erwerbsarten wird nicht nach verschiedenen objektiven wirtschaftlichen Verhältnissen, die für das Bedürfnis des Arbeitslosen nach der Notstandshilfe ausschlaggebend sind, unterschieden. Aus diesen Gründen ist es unzulässig, den gleichen Einkommensbetrag im allgemeinen als - im übrigen unterste - Anrechnungsgrenze (Freibetrag) und bei zwei bestimmten Berufsgruppen als Ausschließungsgrenze festzulegen. Wenn in den durch die angefochtene Bestimmung bewirkten Kosteneinsparungen durch den Bund die sachliche Rechtfertigung gesehen werden sollte, ist dem entgegenzuhalten, daß das Sachlichkeitsgebot nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt wird, wenn die vorgesehenen zur Zielerreichung an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (VfGH Erk. 16. 6. 1987, G141-142/86 und die dort zitierte Vorjudikatur). Daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der zwei betroffenen Berufsgruppen sehr unterschiedlich sein können und keine durchschnittliche Betrachtungsweise zulassen, ist auch dem Verordnungsgeber bewußt gewesen, da er selbst eine Freigrenze festgelegt hat. Das Überschreiten dieser Einkommensgrenze, an der die wirtschaftlichen Verhältnisse gemessen werden, darf aber nicht im allgemeinen die Anrechnung des darüber hinausgehenden Einkommens bei der Bemessung der Notstandshilfe und ohne relevante Unterschiedlichkeiten in den wirtschaftlichen Verhältnissen bei zwei bestimmten Berufsgruppen den Ausschluß von dieser Unterstützung zur Folge haben. Mit dieser Rechtsfolge wird die Regelung auch deshalb unsachlich, weil sie mit der betraglichen Festlegung von 4365 S entgegen jeglicher sachlicher Erfahrung davon ausgeht, daß zwei Personen hiemit das Auslangen finden können. Die darin gelegene Schlechterstellung ist allgemein und keineswegs nur in Härtefällen wirksam und betrifft im übrigen auch die beiden Berufsgruppen in sich.

Die aus diesen Gründen schon unsachliche Bestimmung des §4 Abs3 der Notstandshilfeverordnung erweist sich noch in erhöhtem Maß dadurch als unsachlich, daß auch die Steigerungsregelungen des §6 Abs3 zweiter bis vierter Satz der Verordnung nicht zur Anwendung kommen. Maßgeblich ist immer der Freibetrag von 4365 S, auch wenn der Angehörige auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht zum Unterhalt einer anderen Person tatsächlich wesentlich beiträgt oder wenn der Arbeitslose und der Angehörige in einem Eltern/Kind-Verhältnis stehen. Bei nicht unter den Personenkreis des §4 Abs3 der Notstandshilfeverordnung fallenden Personen wird der Freibetrag um bis zu 2200 S pro Person bzw. der allenfalls so schon erhöhte Freibetrag um weitere 50 v.H. erhöht. Auch die Anwendung des §6 Abs4 der Verordnung, wonach in berücksichtigungswürdigen Fällen die im Abs3 angeführten Einkommensgrenzen bis zu 50 v.H. erhöht werden können, ist bei Arbeitslosen, die mit Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, die aus der selbständigen Führung eines Gewerbebetriebes oder eines land- und/oder forstwirtschaftlichen Betriebes ein höheres Einkommen als 4365 S erzielen, ausgeschlossen. §4 Abs3 der Verordnung übernimmt nur die Einkommensgrenze des §6 Abs3 erster Satz und erklärt auch §6 Abs4 nicht für sinngemäß anwendbar. Die absolute betragliche Fixierung widerspricht dem gesetzlichen Auftrag, daß die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen und seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen zu berücksichtigen sind und mißachtet, daß die Festlegung von Grenzen für das Bestehen und das Ausmaß von Ansprüchen nicht außerhalb jeglicher sachlicher Erfahrung geschehen darf.

Schließlich ist die angefochtene Bestimmung auch in sich unsachlich:

Sie schließt den Notstandshilfeanspruch nur bei den Freibetrag überschreitenden Einkommen aus, die die Angehörigen aus der selbständigen Führung von Gewerbebetrieben oder eines landund/oder forstwirtschaftlichen Betriebes erzielen. Damit werden nur zwei aus einer Vielzahl von selbständigen Erwerbstätigkeiten (z.B. freie Berufe, sonstige Berufe, die nicht unter die Gewerbeordnung fallen) erfaßt, ohne daß hiefür ein sachlicher Grund vorliegt."

II. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, dem Antrag der Salzburger Landesregierung nicht stattzugeben; in eventu wird beantragt, "für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr festzusetzen, da in diesem Fall gesetzliche Vorkehrungen erforderlich wären".

Zur Begründung der Gesetzeskonformität des §4 Abs3 der NotstandshilfeV wird dabei ausgeführt:

"In der Notstandshilfeverordnung wird auf Grund der angeführten gesetzlichen Bestimmungen festgelegt, wann Notlage nicht vorliegt, bzw. in welchen Fällen ein Teilbetrag an Notstandshilfe gewährt werden kann. Die Regelung im §4 Abs3 der Notstandshilfeverordnung trägt der Tatsache Rechnung, daß für nahe Angehörige eines Unternehmers ein hinreichender Lebensunterhalt gegeben ist, der Notlage ausschließt. So betrug das durchschnittliche steuerpflichtige Einkommen nach den letzten zur Verfügung stehenden Unterlagen aus einem Gewerbebetrieb auf Grund der Steuerstatistik 1985 des Statistischen Zentralamtes S 17.662,-

monatlich und das Gesamteinkommen aus der Landwirtschaft je Betrieb nach dem Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1986 sogar S 24.159,- monatlich. Damit ist vom Regelfall auszugehen, wonach Unternehmersgattinnen oder Unternehmerskinder hinreichend versorgt sind. Die Gewährung von Notstandshilfe in diesen Fällen wäre ein Mißbrauch der Sozialgesetzgebung.

Zur Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes zieht die Bestimmung eine Grenze für das Einkommen des Angehörigen, der Unternehmer ist, ein. Bei einem Einkommen unter dieser Grenze wird Notlage nicht ausgeschlossen. Diese Grenze entspricht der Freigrenze bei sonstigen Einkommen der Angehörigen."

Der Fristsetzungsantrag wurde nicht näher begründet.

B. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1931/88 ein Verfahren gegen einen Bescheid des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 18. November 1988 anhängig, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Sondernotstandshilfe unter Berufung auf §4 Abs3 NostandshilfeV mangels Notlage abgewiesen wurde.

Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. Juni 1989 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung des §4 Abs3 NotstandshilfeV ein. Er nahm an, daß er diese Bestimmung bei der Behandlung der Beschwerde anzuwenden haben wird und hegte das Bedenken, "daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle aus jenen Gründen gesetzwidrig ist, die die Salzburger Landesregierung zur Anfechtung der genannten Verordnungsstelle bewogen haben". Dieses Verfahren ist zu V33/89 protokolliert.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales gab in diesem Verfahren eine Äußerung ab, in der er auf seine im Verfahren V208/88 erstattete, unter Pkt. A./II. referierte Äußerung verwies.

C. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu Zl. 89/08/0048 eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 17. Feber 1989 anhängig, mit dem das Landesarbeitsamt Oberösterreich dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Notstandshilfe gemäß §33 Abs2 litc AlVG und §4 Abs3 der NotstandshilfeV in der Fassung BGBl. 319/1988 mangels Notlage keine Folge gab. Der Verwaltungsgerichtshof stellte aus Anlaß dieser Beschwerde mit Beschluß vom 26. September 1989, Zl. A26/89, gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag, §4 Abs3 der NotstandshilfeV als gesetzwidrig aufzuheben. Begründend verwies der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen auf den im Verfahren B1931/88 ergangenen Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988 und trat den dort angeführten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des §4 Abs3 NotstandshilfeV bei. Dieser Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu V88/89 protokolliert.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales gab auch in diesem Verfahren eine Äußerung ab, in der er ebenfalls auf seine im Verfahren V208/88 erstattete, unter Pkt. A./II. referierte Äußerung verwies.

D. Der Verfassungsgerichtshof hat die unter A. bis C. geschilderten Verfahren, an deren Zulässigkeit Zweifel nicht entstanden sind, zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in der Sache erwogen:

I. 1.a) Gemäß §33 Abs1 AlVG haben (vgl. Funk, Verfassungsrechtliche Probleme der Arbeitslosenversicherung, in:

Tomandl, Grundlegende Rechtsfragen der Arbeitslosenversicherung, 1981, 129) Arbeitslose, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaubsgeld erschöpft haben, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Gewährung der Notstandshilfe. Alleinstehende Mütter, die wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlaß für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für das Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, haben gemäß §39 Abs1 AlVG bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes Anspruch auf Sondernotstandshilfe.

Zu den Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe (§33 Abs2 AlVG) und der Sondernotstandshilfe (§33 Abs2 AlVG iVm §39 Abs4 AlVG) zählt u.a., daß sich der Arbeitslose in einer Notlage befindet (§33 Abs2 litc AlVG). Notlage liegt nach §33 Abs4 leg.cit. vor, "wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist".

b) Gemäß §36 Abs1 AlVG hat der Bundesminister für soziale Verwaltung (nunmehr: für Arbeit und Soziales) Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe zu erlassen. Abs2 bestimmt sodann:

"(2) In den nach Abs1 zu erlassenden Richtlinien sind auch die näheren Voraussetzungen im Sinne des §33 Abs4 festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist. Bei Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der Angehörigen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind, wobei Lebensgefährten, Wahleltern, Stiefeltern, Wahlkinder und Stiefkinder den unterhaltspflichtigen Angehörigen gleichgehalten werden; im allgemeinen ist nur das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Angehörigen heranzuziehen. Weiters sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze Bestimmungen darüber zu treffen, inwieweit für den Fall, daß das der Beurteilung zugrunde liegende Einkommen nicht ausreicht, um die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen sicherzustellen, Notstandshilfe unter Anrechnung des Einkommens mit einem Teilbetrag gewährt werden kann. . . ."

In §36 Abs3 leg.cit. sind nähere Bestimmungen hinsichtlich

der Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen (litA) und

der Berücksichtigung des Einkommens der Angehörigen des Arbeitslosen (litB) enthalten, die der Bundesminister bei Erlassung der Richtlinie zu beachten hat. Dabei wird unter litB sublit. a bestimmt:

"Vom Einkommen der Angehörigen und gleichgehaltenen Personen (Abs2) ist bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) freizulassen. Dieser Freibetrag kann nach der Höhe des Einkommens, der Größe der Familie, dem Lebensalter und nach dem Angehörigenverhältnis verschieden bemessen werden. Für die Anrechnung von Einkommen nach Abs2 letzter Satz kann festgelegt werden, daß die Notstandshilfe in der Höhe eines bestimmten Betrages frei bleibt."

2. In der vom Bundesminister aufgrund des §36 AlVG erlassenen NotstandshilfeV wird in §2 bestimmt, daß Notlage vorliegt, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seiner Angehörigen, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind (bzw. bestimmter diesen gleichzuhaltenden Personen), zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß §2 Abs2 NotstandshilfeV die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der Angehörigen zu berücksichtigen, wobei - von verschiedenen Ausnahmen abgesehen - das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Angehörigen heranzuziehen ist. Gemäß §3 der Verordnung sind bestimmte Fürsorgeleistungen, Renten, Zuschüsse und Beihilfen bei der Beurteilung außer Betracht zu lassen. Nach §4 Abs1 der Verordnung ist Notlage nicht anzunehmen, wenn der Arbeitslose eine sozialversicherungsrechtliche Alterspension oder einen Ruhegenuß aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in bestimmter Höhe bezieht. Als weiteren Fall, in dem Notlage nicht anzunehmen ist, bestimmt sodann die in Prüfung stehende Bestimmung des §4 Abs3 NotstandshilfeV:

"Notlage ist nicht anzunehmen, wenn der Arbeitslose ein unterhaltsberechtigter Angehöriger (Gatte, Gattin, Lebensgefährte, Lebensgefährtin, Kind, Elternteil) einer Person ist, die einen Gewerbebetrieb oder einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt und daraus ein Einkommen erzielt, das die Freigrenze nach §6 Abs3 erster Satz übersteigt. §6 Abs7 gilt sinngemäß."

Bei der für die Beurteilung des Vorliegens einer Notlage maßgeblichen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen und der unterhaltspflichtigen Angehörigen ist nach den Regeln des §5 (Anrechnung des Einkommens des Arbeitslosen) und des §6 (Anrechnung des Einkommens der Angehörigen des Arbeitslosen) vorzugehen. Dabei bestimmt §6 NotstandshilfeV insbesondere:

"(1) Bei Heranziehung des Einkommens von Angehörigen des Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Angehörigen und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

. . .

(3) Die Freigrenze beträgt 4 365 S pro Monat für den das Einkommen beziehenden Angehörigen. Dazu kommt ein Betrag von 2 200 S pro Monat für jede Person, für deren Unterhalt der Angehörige auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn für sie keine Familienbeihilfe gewährt wird. Für Personen, für die eine Familienbeihilfe gewährt wird, verringert sich dieser Betrag um die Höhe der Familienbeihilfe gemäß §8 Abs2 erster Satz des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 376/1967, in der jeweils geltenden Fassung. Diese Freigrenzen erhöhen sich um 50 vH im Falle der Anrechnung von Einkommen

1. der Kinder (Wahlkinder, Stiefkinder) auf die Notstandshilfe der Eltern (Wahleltern, Stiefeltern),

2. der Eltern (Wahleltern, Stiefeltern) auf die Notstandshilfe der Kinder (Wahlkinder, Stiefkinder).

(4) In berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Krankheit in der Familie, Aufwendungen aus Anlaß einer Schwangerschaft oder einer Niederkunft, Aufwendungen aus Anlaß von Todesfällen in der Familie, Rückzahlungsverpflichtungen für Darlehen, die aus Anlaß der Gründung eines Hausstandes oder zur Beschaffung einer Wohnung aufgenommen worden sind, besondere Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens, können die im Abs3 angeführten Einkommensgrenzen bis zu 50 v.H. erhöht werden.

. . ."

II. 1. Im Ergebnis bewirkt das Regelungssystem der NotstandshilfeV, daß Einkommen von unterhaltspflichtigen Angehörigen (und gleichgehaltenen Personen) im allgemeinen nach der eben wiedergegebenen Regelung des §6 der Verordnung angerechnet werden:

Übersteigt das Einkommen der unterhaltspflichtigen Personen die sich aus §6 ergebenden Beträge, so wird der darüberhinausgehende Betrag auf die Notstandshilfe des Arbeitslosen angerechnet. Dies entspricht der oben wiedergegebenen gesetzlichen Regelung des §36 Abs3 litB sublita AlVG.

Anders wird das Einkommen unterhaltspflichtiger Angehöriger (und gleichgehaltener Personen) behandelt, wenn es aus bestimmten selbständigen Erwerbstätigkeiten stammt: Handelt es sich nämlich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben so gilt folgendes: Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen den Betrag von 4.365 S pro Monat, so führt das nicht zu einer Anrechnung auf die Notstandshilfe, sondern dazu, daß die Behörde das Vorliegen einer Notlage des Arbeitslosen überhaupt zu verneinen hat. Es kommt also in diesen Fällen nicht zu einer Anrechnung des den Grenzbetrag übersteigenden Einkommens auf die Notstandshilfe; vielmehr führt ein Übersteigen des genannten Betrags dazu, daß überhaupt keine Notstandshilfe gewährt wird. Überdies bewirkt die in Prüfung stehende Regelung des §4 Abs3 NotstandshilfeV, daß der Betrag von 4.365 S - anders als im Regelfall für die Anrechnungsgrenze - auch nicht steigerungsfähig ist, da in diesem Fall die Steigerungsregelung des §6 Abs3 der Verordnung ebenfalls keine Anwendung findet.

Für eine derartige Sonderbehandlung besteht aber - wie die Salzburger Landesregierung mit zutreffender Begründung rügt (vgl. oben Pkt. A.I.4.) - keine gesetzliche Ermächtigung (eine solche würde auch der sachlichen Rechtfertigung entbehren): Das AlVG ermächtigt den Verordnungsgeber zwar zu einer Regelung, derzufolge das Überschreiten eines bestimmten Einkommens durch die unterhaltspflichtigen Angehörigen zur Anrechnung auf die Notstandshilfe führt, nicht aber dazu, es zum Ausschließungsgrund für den Bezug von Notstandshilfe überhaupt zu machen. Ebensowenig entspricht es dem AlVG, die Steigerungsregelung des §6 Abs3 der Verordnung und die Erhöhungsmöglichkeit des §6 Abs4 dann auszuschließen, wenn das Einkommen der unterhaltspflichtigen Angehörigen (bzw. gleichgehaltener Personen) aus einem Gewerbebetrieb oder einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb stammt, sie aber in allen anderen Fällen vorzusehen.

2. Wenn der Bundesminister für Arbeit und Soziales die angefochtene Regelung damit verteidigt, daß das durchschnittliche steuerpflichtige Einkommen aus Gewerbebetrieb und Landwirtschaft über den Grenzbeträgen, die sich aus §6 Abs3 NotstandshilfeV ergeben, liege, und meint, daraus ergebe sich, daß Unternehmensgattinnen oder Unternehmerskinder hinreichend versorgt sind, so geht diese Argumentation an der Sache vorbei: Denn Notstandshilfe und Sondernotstandshilfe soll ja gerade in jenen Ausnahmsfällen gewährt werden, in denen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen im konkreten Fall nicht ausreichen, "dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse" (§33 Abs4 AlVG) zu ermöglichen. Die gesamte gesetzliche Regelung der Gewährung von Notstandshilfe und Sondernotstandshilfe ist nicht am durchschnittlichen Einkommen, sondern am Einkommen im Einzelfall orientiert. Das AlVG ermächtigt den Verordnungsgeber nicht dazu, bei der Festlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Notlage vom Durchschnittseinkommen bestimmter Bevölkerungsgruppen auszugehen, sondern verpflichtet ihn, Regeln für die Behandlung des Einzelfalls aufzustellen.

3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die angefochtene Regelung des §4 Abs3 NotstandshilfeV einer Deckung im AlVG entbehrt, weshalb sie aufzuheben war.

III. 1. Von der Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsbestimmung konnte der Verfassungsgerichtshof absehen, weil nach Wegfall der Sonderregelung des §4 Abs3 NotstandshilfeV eine gesetzeskonforme Vollziehung auch der dort geregelten Fälle nach den allgemeinen Regeln über die Anrechnung der Angehörigeneinkommen möglich ist.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

E. Der Verwaltungsgerichtshof stellte ferner mit Beschluß vom 19. September 1989, Zl. A27/89 (beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 10. Oktober 1989), gemäß Art139 Abs1 B-VG aus Anlaß der bei ihm zu Zl. 89/08/0024 anhängigen Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Sondernotstandshilfe mangels Notlage abgewiesen wurde, den Antrag, §4 Abs3 der NotstandshilfeV als gesetzwidrig aufzuheben. Dieser Verordnungsprüfungsantrag ist hg. unter V90/89 eingetragen.

Eine Einbeziehung dieses Antrags in die unter A. bis C. geschilderten Verordnungsprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch beschlossen, von der ihm gemäß Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch für die beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdesache, die zu dem zu V90/89 protokollierten Verordnungsprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes geführt hat, herbeizuführen, um solcherart eine klare und den Interessen der Beschwerdeführer entsprechende Rechtslage zu bewirken (vgl. zB VfSlg. 10737/1985, S. 891; VfGH v. 3.12.1988, V73-84/88 u.a.).

Diese Entscheidung kommt einer Einstellung des Verfahrens V90/89 gleich. Eine weitere formelle Erledigung dieses Antrags des Verwaltungsgerichtshofes erübrigt sich daher.

F. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, Notstandshilfe, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V208.1988

Dokumentnummer

JFT_10108989_88V00208_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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