TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/20 91/12/0291

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Veröffentlicht am 20.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
64/02 Bundeslehrer;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
BLVG 1965 §9 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Mag. J, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 2. Oktober 1991, Zl. 143.724/2-III/18/91, betreffend Einrechnung von Nebenleistungen in die Lehrverpflichtung nach § 9 Abs. 3 des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium XY, dessen provisorischer Leiter er seit 1. August 1991 ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß dem Beschwerdeführer auf sein Ansuchen im Hinblick auf seine Tätigkeit in der Arbeitsgruppe "Neue Mittelschule/Verbund" für die Dauer des Schuljahres 1990/91 gemäß § 8 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Ausmaß der Lehrverpflichtung der Bundeslehrer, BGBl. Nr. 244/1965, in der geltenden Fassung (kurz: BLVG) eine Lehrpflichtermäßigung von vier Werteinheiten der Lehrverpflichtung unter Fortzahlung seiner Bezüge gewährt werde. In einem Zusatz wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß ein Anspruch auf Vergütung von Mehrdienstleistungen gemäß § 61 des Gehaltsgesetzes 1956 in der geltenden Fassung erst bei einer dauernden Unterrichtserteilung, die das Höchstausmaß der Lehrverpflichtung überschreite, entstehe. Dieses Höchstausmaß der Lehrverpflichtung betrage laut Bundesgesetz über das Ausmaß der Lehrverpflichtung 20,00 Wochenstunden. Der Bescheid enthält keine Begründung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach deren Inhalt sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Einrechnung von Nebenleistungen in die Lehrverpflichtung nach § 9 Abs. 3 BLVG durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie Einhaltung der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen und zusammengefaßt vor, aus dem gänzlichen Fehlen einer Begründung sei darauf zu schließen, daß die belangte Behörde der Ansicht gewesen sei, daß sie mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid seinem Antrag vom 4. Juli 1990 vollinhaltlich Folge gegeben habe; darin jedoch liege eine Fehlinterpretation seines Antrages. Vielmehr ergebe sich aus dem Antragstext und der darin verwendeten Formulierung, daß es dem Beschwerdeführer primär um Einrechung seiner Mitarbeit in der Projektgruppe "Neue Mittelschule/Schulverbund" im öffentlichen Interesse in die Lehrverpflichtung gegangen sei, erst subsidiär um eine Lehrpflichtermäßigung. Hätte aber die belangte Behörde die Meinung vertreten, dieser Antrag sei nicht ausreichend bestimmt gewesen, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zunächst eine diesbezügliche Klarstellung herbeizuführen. Dies sei jedoch ebenfalls unterlassen worden. Auch die für eine sachgerechte Entscheidung erforderlichen Erhebungen habe die belangte Behörde nicht durchgeführt. Dem angefochtenen Bescheid sei weder das Ausmaß der zeitlichen Belastung zu entnehmen noch welche Überlegungen ausgehend von einer bestimmten zeitlichen Arbeitsbelastung zum Ansatz von "vier Werteinheiten" geführt hätten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. In der von ihr erstatteten Gegenschrift vertrat sie die Auffassung, das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 4. Juli 1990 habe zwei einander gleichwertige Antragsvarianten enthalten, deren einer vollinhaltlich stattgegeben worden sei. Aus der ergänzenden Äußerung des Beschwerdeführers vom 25. April 1991 habe darüber hinaus die von ihm selbst zugrunde gelegte Höhe des einzurechnenden Stundenausmaßes entnommen werden können, auch hierin sei der angefochtene Bescheid dem Antragsbegehren des Beschwerdeführers zur Gänze gefolgt. Im übrigen wurde auch der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides unter Darlegung der diesbezüglichen im einzelnen erläuterten Erwägungen entgegen getreten, wobei hierauf jedoch derzeit nicht näher eingegangen werden muß.

Nach § 58 Abs. 2 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anzuwendenden AVG sind Bescheide zu begründen, wenn sie dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Die Begründung eines Bescheides kann demnach nur dann entfallen, wenn dadurch die Partei nicht in der Verfolgung ihrer Rechte, und der Verwaltungsgerichtshof nicht in der ihm auferlegten Kontrolle der Verwaltung gehindert ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1966, Zl. 389/66).

Fehlt einem Bescheid - wie im Beschwerdefall -, ohne daß dies im § 58 Abs. 2 AVG 1950 oder sonst gesetzlich gedeckt wäre, jegliche Begründung und läßt sich aus ihm dementsprechend auch nicht entnehmen, von welcher Sachverhaltsgrundlage die Behörde ausgegangen ist, so ist er, insbesondere auch deshalb, weil dieser Mangel den Verwaltungsgerichtshof daran hindert, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu prüfen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Im vorliegenden Fall war daher nur die Frage zu klären, inwieweit der angefochtene Bescheid dem Begehren des Antragstellers und Beschwerdeführers "vollinhaltlich" Rechnung getragen hat und daher die Ausnahmebestimmung des § 58 Abs. 2 erster Fall AVG 1950 zum Tragen kommen konnte.

Bei Auslegung eines Parteienantrages ist zunächst vom grammatikalischen Sinn des Ausdrucks auszugehen und - sollten sich dennoch Bedenken an der Eindeutigkeit des Begehrens erheben - die der Antragstellung zugrundeliegende Absicht der Partei zu erforschen. Es steht der Behörde jedenfalls nicht zu, einem Ansuchen einen Sinngehalt zu geben, der nach diesen Auslegungsregeln nicht der Absicht der Partei entspricht. Im vorliegenden Fall richtete der Antragsteller und Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. Juli 1990 an den Landesschulrat für Steiermark folgendes Ansuchen:

"BETRIFFT: Ansuchen um Ermäßigung der Lehrverpflichtung.

Im kommenden Schuljahr werde ich an der Projektgruppe "Neue Mittelschule/Schulverbund" mitarbeiten. Ich ersuche daher um Einrechnung meiner dortigen Arbeit im öffentlichen Interesse in die Lehrverpflichtung bzw. um Lehrpflichtermäßigung."

Die mehrdeutige Formulierung des Antrages in Verbinung mit dem Zeitablauf - nichts deutet darauf hin, daß der Beschwerdeführer einen Antrag auf rückwirkende Zuerkennung der Lehrpflichtermäßigung intendiert hat - schließt es aus, den Antrag so zu interpretieren, als ob er eindeutig und primär auf die von der Behörde bewilligte Maßnahme (noch) gerichtet gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte daher vor Erlassung ihres Bescheides den wahren Parteiwillen zu erforschen gehabt. Da über den Einrechnungsantrag des Beschwerdeführers nicht (expressis verbis) entschieden wurde, kann von einer vollinhaltlichen Stattgabe des Antrages des Beschwerdeführers nicht die Rede sein.

Fehlt einem Bescheid jegliche Begründung, ohne daß einer der Ausnahmefälle der § 58 Abs. 2 AVG 1950 vorliegt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991120291.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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