TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/20 91/03/0315

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Veröffentlicht am 20.05.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §46;
AVG §52;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
StVO 1960 §52a Z10a;
VStG §22 Abs1;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 7. Oktober 1991, Zl. 9/01-34.609/2-1991, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft

St. Johann/Pongau vom 9. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 15. Dezember 1989 in der Zeit von 20.56 Uhr bis 21.02 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Tauernautobahn A 10, aus Richtung Salzburg kommend in Fahrtrichtung Villach gelenkt und dabei trotz regennasser Fahrbahn und Dunkelheit bzw. auf Tunnelstrecken und sohin unter besonders gefährlichen Verhältnissen

1. von Straßenkilometer 37,0 bis zur Einfahrt Zetzenbergtunnel die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 180 km/h eingehalten habe;

2. im Zetzenbergtunnel die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 170 km/h eingehalten habe;

3. nach dem Zetzenbergtunnel bis zur Einfahrt Helbergsbergtunnel die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 200 km/h eingehalten habe;

4. im Helbergsbergtunnel die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 200 km/h eingehalten habe;

5. nach dem Helbergsbergtunnel bis zur Einfahrt Reithtunnel die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 200 km/h eingehalten habe;

6. im Reithtunnel die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten, indem eine Geschwindigkeit von mindestens 140 km/h eingehalten habe;

7. nach dem Reithtunnel bis zur Anhaltung bei Straßenkilometer 57,9 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten, indem er eine Geschwindigkeit von mindestens 200 km/h eingehalten habe;

8. habe er kurz nach dem Reithtunnel drei auf dem linken Fahrstreifen fahrende Pkw vorschriftswidrig rechts überholt und in weiterer Folge

9. nach diesem Überholvorgang den Fahrstreifenwechsel nach links durchgeführt, ohne sich davon zu überzeugen, ob dies auch ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei und bei diesem Fahrmanöver einen Pkw-Lenker geschnitten.

Er habe dadurch Übertretungen nach folgenden Bestimmungen der StVO 1960 begangen: zu 1), 3), 5), 7): § 20 Abs. 2; zu 2), 4), 6):§ 52a Z. 10a; zu 8): § 15 Abs. 1; zu 9) § 11 Abs. 1. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Einer gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde bezüglich der Punkte 1 und 6 teilweise Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert, daß in diesen Punkten in der Tatumschreibung die Annahme besonders gefährliche Verhältnisse zu entfallen und die Strafbestimmung je § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 zu lauten hat. Gleichzeitig wurden die zu diesen Punkten verhängten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) herabgesetzt. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in der Tatumschreibung zu Punkt 5 die Worte "bis zur Einfahrt Reithtunnel" durch die Worte "bis Strkm. 51,4" ersetzt wurden und im Punkt 7 die Worte "von 100 km/h" durch die Worte "von 130 km/h" ersetzt wurden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet ein, die ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen stellten ein fortgesetztes Begehungsdelikt dar und hätten daher nur mit einer einzigen Strafe geahndet werden dürfen.

Der Beschwerdeführer hat abwechselnd Übertretungen nach § 52a Z. 10a StVO und nach § 20 Abs. 2 leg. cit. begangen. Werden aber verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt, so liegt kein fortgesetzes Delikt vor. Die Überschreitung der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie die Überschreitung der daran anschließenden durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit beinhalten verschiedene Delikte, die auch jeweils gesondert zu bestrafen sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1989, Zl. 89/03/0145). Die belangte Behörde ist daher im Beschwerdefall zu Recht nach dem Kumulationsprinzip vorgegangen.

Der Beschwerdeführer hat die ihm angelasteten - extrem hohen - Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw. die Verletzung des § 11 Abs. 1 und des § 15 Abs. 1 StVO auf regennasser Fahrbahn und bei Dunkelheit bzw. auf Tunnelstrecken begangen. Wenn die belangte Behörde auf Grund dieses Sachverhaltes das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse angenommen hat, so steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1971, Zl. 304/71; vom 27. März 1979, Zl. 2060/78, u.a.).

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers erfolgte seine Bestrafung wegen Übertretung des § 11 Abs. 1 StVO nicht ohne Rücksicht darauf, ob überhaupt andere Straßenbenützer in Betracht kamen, die durch den Vorgang behindert werden konnten. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt (P. 8 und 9 des erstinstanzlichen Bescheides), nach einem Überholvorgang den Fahrstreifenwechsel nach links durchgeführt zu haben, ohne sich davon zu überzeugen, ob dies auch ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, und bei diesem Fahrmanöver einen Pkw-Lenker geschnitten zu haben. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer beim Überwechseln auf den linken Fahrstreifen ein anderes Fahrzeug geschnitten hat, ist sowohl der Anzeige der Meldungsleger als auch deren Zeugenaussagen zu entnehmen. Es kann somit keine Rede davon sein, daß eine Gefährdung oder Behinderung durch das Überholmanöver von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre. Der Geschehensablauf wird sowohl in der Anzeige der Meldungsleger als auch in ihren Zeugenaussagen übereinstimmend geschildert. Daß der Meldungsleger E. bei seiner Vernehmung am 7. Mai 1991 von einem Lkw spricht, während in der Anzeige von einem Pkw die Rede ist, hat für den Beschwerdefall keine entscheidungswesentliche Bedeutung, da die Art des behinderten bzw. gefährdeten Fahrzeuges für die Verwirklichung des Tatbildes des § 11 Abs. 1 StVO ohne Belang ist. Außerdem hat der zweite Meldungsleger als Zeuge in Übereinstimmung mit den Angaben in der Anzeige von einem Pkw gesprochen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß sich die belangte Behörde auf die Auswertung der Diagrammscheibe des Tachographen des Einsatzfahrzeuges durch den gerichtlich beeideten Sachverständigen E. stützte. Dessen Beiziehung als Sachverständiger sei rechtswidrig, da er kein Amtssachverständiger im Sinne des § 52 AVG sei und er auch nicht zum Sachverständigen bestellt worden sei. Die belangte Behörde hätte zur Auswertung der Diagrammscheibe einen Amtssachverständigen heranziehen müssen. Die Wegstreckenangaben in der Diagrammscheibenauswertung des Sachverständigen E. seien widersprüchlich, weil die Diagrammscheibe eine Verzögerung der Fahrgeschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges auf 144 km/h bei km 52 und anschließend eine weitere Verzögerung auf 115 km/h, dies allerdings bei Straßenkilometer 51,4 ausweise. Auch der in der Auswertung aufscheinende Standort der Anhaltung sei unrichtig. Es sei verwunderlich, daß die belangte Behörde die Richtigkeit der Aufzeichnungen der Tachographenscheibe annehme, obwohl in der Stellungnahme des Meldungslegers E. vom 6. August 1990 angeführt sei, daß die Diagrammscheibe keine Anhaltung angezeigt habe.

Nach § 46 AVG - diese Bestimmung kommt nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren zur Anwendung - kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist, somit auch die - vom Landesgendarmeriekommando vor der Anzeigeerstattung veranlaßte - Auswertung der Diagrammscheibe des Einsatzfahrzeuges durch einen Gendarmeriebeamten, der die Qualifikation als gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Gebiet "Fahrtenschreiber-Diagrammauswertung" aufweist. In dem Ausmaß, in dem der maßgebende Sachverhalt bereits durch die Auswertung der Diagrammscheibe geklärt war, bedurfte es nicht mehr der Beiziehung eines Amtssachverständigen, da § 52 Abs. 1 AVG die Beiziehung von Amtssachverständigen nur dort vorsieht, wo die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige im Zuge des Ermittlungsverfahrens notwendig wird.

Daß der Auswertung der Diagrammscheibe Widersprüche anhaften, insbesondere daß - in zeitlicher Reihenfolge - zunächst eine Verzögerung der Fahrtgeschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges auf 144 km/h bei Kilometer 53 und anschließend eine weitere Verzögerung auf 115 km/h bei Straßenkilometer 51,4 ausgewiesen wird, ist nicht zu erkennen. Dazu bedarf es nicht der Beiziehung eines Amtssachverständigen. Bezüglich des Standortes der Anhaltung konnte sich die belangte Behörde auf die übereinstimmenden Zeugenaussagen der Meldungsleger stützen. Was die Frage anlangt, ob die Diagrammscheibe eine Anhaltung aufgezeigt hat, übersieht der Beschwerdeführer, daß der zur Erstellung eines technischen Gutachtens über das Fahrzeug des Beschwerdeführers von der Behörde erster Instanz herangezogene Amtssachverständige G. in seinem Gutachten vom 10. Mai 1990 ausgeführt hat, aus dem Rüttelschrieb auf der Diagrammscheibe des Einsatzfahrzeuges geht hervor, daß das Fahrzeug um 21.02 Uhr angehalten und um ca. 21.09 Uhr die Fahrt wieder fortgesetzt hat.

Im übrigen darf auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Geschwindigkeitsüberschreitungen auch durch Ablesen vom Tachometer des Einsatzfahrzeuges gemessen wurden. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht als erwiesen annehmen, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen hat.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Skizzen Audio-Visuelle MedienBeweiseÜberschreiten der GeschwindigkeitSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Kraftfahrzeugtechniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030315.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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