TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/20 91/01/0194

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Veröffentlicht am 20.05.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1991, Zl. 4.297.560/4-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Oktober 1990 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei am 20. Juni 1990 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am 10. Juli 1990 habe er schriftlich einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Befragung habe er folgendes angegeben: Im Dezember 1986 seien er und seine Brüder infolge einer Verleumdung wegen Mordverdachtes in Haft genommen worden. Nach der Haftentlassung (am 1. Dezember 1988) sei er mehrmals zu Veranstaltungen der Kurden eingeladen worden. Er sei kein Mitglied, aber Sympathisant der "TKPML" (Türkische Kommunistische Partei, Marxistisch-Leninistische Fraktion) und der "TIKKO", einer militärischen Kampforganisation der "TKPML" gewesen. Am 1. Mai 1990 sei er bei einer verbotenen Kundgebung der "TKPML" festgenommen worden. Während seiner viertägigen Haft in Istanbul sei er von der Polizei geschlagen worden, um die Namen seiner "Kollegen" von der "TKPML" aus ihm herauszubekommen. Er habe jedoch keine Namen genannt und sei wieder entlassen worden. Da er habe befürchten müssen, von seinen "Kollegen" bei der "TKPML" des Verrates bezichtigt zu werden, und außerdem erfahren habe, daß er bei der "TIKKO" ausgebildet und in weiterer Folge sogar in den Kampf gegen das "kommunistische Regime" geschickt worden wäre, habe er - nachdem er sich bis Mitte Juni 1990 bei Bekannten in Istanbul versteckt gehabt habe - die Türkei verlassen, weil er um sein Leben gefürchtet und alleine keine Chance gegen die Partei gehabt hätte. Die Partei töte alle, von denen sie glaube, daß sie sie verraten habe.

Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, aus der Verhaftung des Beschwerdeführers wegen Mordverdachtes sei keine Verfolgung im Sinne der Konvention abzuleiten, da es sich dabei um ein Delikt handle, welches in allen Staaten verfolgt werde. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich erklärt, vor den Mitgliedern der "TKPML" Angst zu haben und sich vor dieser versteckt zu haben. Er habe nicht dargetan, daß die von ihm befürchtete Verfolgung durch die "TKPML" von den Behörden seines Heimatlandes geduldet werde oder daß er, hätte er sich an die Behörden seines Heimatstaates gewendet, keinen Schutz erhalten hätte. Bei der von ihm befürchteten Verfolgung durch die "TKPML" könne somit von einer Verfolgung aus politischen Gründen im Sinne der Konvention keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auffassung der belangten Behörde, wonach Furcht vor Verfolgung nur dann als begründet im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge angesehen werden kann, wenn die Verfolgung von staatlichen Stellen ausgeht oder wenn der jeweilige Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Verfolgung des Asylwerbers hintanzuhalten, steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0104, vom 17. Oktober 1990, Zl. 90/01/0137, und vom 7. November 1990, Zl. 90/01/0154). Der Beschwerdeführer wendet sich auch nicht gegen diese Rechtsauffassung; er vertritt vielmehr - sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch jenem der Aktenwidrigkeit - den Standpunkt, seine Behauptung, er hätte "allein gegen die Partei keine Chance gehabt", sei in dem Sinne zu verstehen, daß er seitens der staatlichen Stellen keinen ausreichenden Schutz gegen die ihm drohende Verfolgung durch die "TKPML" bzw. die "TIKKO" gehabt hätte und daher um sein Leben hätte fürchten müssen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0212). Im Beschwerdefall könnte wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge angeführten Gründe nur dann angenommen werden, wenn die staatlichen Behörden des Heimatstaates die vom Beschwerdeführer behaupteten drohenden Übergriffe von Mitgliedern der "TKPML" bzw. der "TIKKO" gebilligt hätten oder unfähig wären, den Beschwerdeführer gegen eine von diesen Gruppen ausgehende Verfolgung zu schützen und die Verfolgung bzw. deren Duldung durch die staatlichen Behörden auf Gründe der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zurückzuführen wäre. Beides hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Seinen Angaben, er habe "allein gegen die Partei keine Chance gehabt", kann entgegen seiner Auffassung nicht entnommen werden, er habe sich ohne Erfolg an staatliche Behörden um Hilfe gegen ihm drohende Übergriffe gewendet; ebenso führte er die behauptete Verfolgung nicht auf einen der oben genannten Gründe, sondern darauf zurück, daß seine "Kollegen" annehmen könnten, er habe sie der Polizei verraten, sowie auf die bevorstehende Ausbildung zum Kampf gegen das "kommunistische Regime".

Es liegt somit weder die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit noch die behauptete Aktenwidrigkeit vor.

Ebensowenig trifft der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf zu, die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb sie zu dem Ergebnis gelange, er habe nicht vorgebracht, die staatlichen Behörden würden ihm keinen ausreichenden Schutz gewähren, weil die belangte Behörde das eine solche Behauptung nicht enthaltende Vorbringen des Beschwerdeführers vollständig wiedergegeben hat.

Soweit der Beschwerdeführer (ebenfalls als Verletzung von Verfahrensvorschriften) im bereits erwähnten Zusammenhang geltend macht, bei entsprechender Fragestellung durch die belangte Behörde hätte er darlegen können, daß die staatlichen Behörden ihm tatsächlich keinen ausreichenden Schutz gegen die "TKPML" gewährt hätten, ist ihm zu erwidern, daß seine Angaben keinen Anhaltspunkt für die Duldung einer Verfolgung durch staatliche Stellen enthielten. Seine Behauptung, er habe "allein keine Chance gegen die Partei gehabt", löste somit keine Ermittlungspflicht der belangten Behörde in der vom Beschwerdeführer angenommenen Richtung aus. Es war auch nicht die Aufgabe der Behörde, dem Beschwerdeführer Unterweisungen zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0122).

Zu den Darlegungen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde begründe nicht, weshalb sie ungeachtet seines Vorbringens über politische Aktivitäten, Teilnahme an politischen Veranstaltungen, Festnahme, Inhaftierung und Folterung davon ausgehe, er wäre in der Türkei nicht politisch verfolgt worden, ist er darauf zu verweisen, daß er bei der niederschriftlichen Befragung zwar behauptete, wegen der Teilnahme an einer verbotenen Kundgebung vier Tage in Haft gewesen und von der Polizei geschlagen worden zu sein, seine Furcht vor Verfolgung aber nicht auf diesen Vorfall, sondern auf drohende Übergriffe durch die "TKPML" bzw. die "TIKKO" sowie die bevorstehende Ausbildung zum Kampf gegen das ("kommunistische") Regime zurückgeführt hat.

Ebensowenig gelingt es dem Beschwerdeführer, mit seinen Darlegungen, die belangte Behörde habe sich auf die Auswertung seiner niederschriftlichen Angaben beschränkt und es unterlassen, entsprechende Überprüfungen des Sachverhaltes durch die österreichischen Vertretungsbehörden in der Türkei bzw. Flüchtlingshilfeorganisationen durchzuführen, einen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Im Asylverfahren kommt den Angaben des Asylwerbers entscheidende Bedeutung zu (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0212). Der Beschwerdeführer hat seiner Verpflichtung, ihn selbst betreffende, konkrete Umstände zu bescheinigen, aus denen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus in der Konvention genannten Gründen rechtlich ableitbar ist (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0113) nicht entsprochen; bei dieser Sachlage war die belangte Behörde auch nicht verhalten, allgemeine Berichte über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat des Beschwerdeführers einzuholen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0122).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991010194.X00

Im RIS seit

20.05.1992

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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