TE Vwgh Beschluss 1992/5/20 92/01/0054

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.1992
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AHG 1949 §1;
AsylG 1968 §6 Abs1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
MRK Art5;
PersFrSchG 1988 Art1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, in der Beschwerdesache des A in T, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. November 1991, Zl. Fr 2351/91, betreffend Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 Asylgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden, Außenstelle Flüchtlingslager Traiskirchen, vom 12. September 1991 gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz bis zum Abschluß des über sein Asylansuchen eingeleiteten Feststellungsverfahrens, längstens jedoch für die Dauer von zwei Monaten, zum Aufenthalt in dem als Überprüfungsstation eingerichteten Teil des Flüchtlingslagers Traiskirchen verpflichtet. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Im Hinblick auf den genannten Verpflichtungszeitraum erweist sich aber die vorliegende, am 16. Jänner 1992 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde als unzulässig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Das bedeutet, daß (noch) im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch den angefochtenen Bescheid, ungeachtet der Frage nach seiner Rechtmäßigkeit, eine Rechtsverletzungsmöglichkeit auf seiten der beschwerdeführenden Partei gegeben sein muß. Der Beschwerdeführer konnte aber schon in diesem Zeitpunkt durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt sein, bestand doch für ihn die ihm auferlegte (am 12. September 1991 beginnende und längstens für die Dauer von zwei Monaten bestehende) Verpflichtung nicht mehr und könnte sie im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Ansehung des daraus resultierenden Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der betreffenden Überprüfungsstation (der unbestrittenermaßen tatsächlich vom 12. bis 18. September 1991 erfolgt ist) faktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es macht daher für den Beschwerdeführer keinen Unterschied, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem die Beschlüsse vom 30. Oktober 1984, Slg. Nr. 11568/A, und vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0149), sodaß einer (meritorischen) Entscheidung über die Beschwerde bloß theoretische Bedeutung zukäme. Die gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers, dem Gelegenheit geboten wurde, dazu Stellung zu nehmen, in seiner schriftlichen Äußerung vom 29. April 1992 sind nicht geeignet, rechtlich zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.

Abgesehen davon, daß es sich um keinen Anwendungsfall des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten § 33 Abs. 1 VwGG handelt, weil die Rechtsverletzungsmöglichkeit des Beschwerdeführers nicht erst während des Beschwerdeverfahrens weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof aus der genannten Bestimmung abgeleitet, daß das Eingehen in eine Beschwerde ein bestehendes Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei zur Voraussetzung hat (vgl. den Beschluß vom 9. April 1984, Slg. Nr. 11393/A) und je nachdem, ob es bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung oder erst ab einem späteren Zeitpunkt nicht mehr vorliegt, mit einer Zurückweisung der Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder mit einer Einstellung des Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 leg. cit. vorzugehen ist (vgl. beispielsweise den Beschluß vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0144). Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, die vom Verwaltungsgerichtshof gebrauchte Argumentation würde "zu einer Zurückweisung jeglicher Maßnahmen-Beschwerde führen für den Fall, daß die angefochtene Maßnahme bereits geendet hat", ist deshalb verfehlt, weil bei derartigen Beschwerden (nunmehr gemäß § 67c Abs. 3 AVG durch den jeweiligen unabhängigen Verwaltungssenat in den Ländern) der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist, und eine solche Entscheidung feststellenden Charakter (auch für die Vergangenheit) hat, während bei Bescheidbeschwerden - und um eine solche handelt es sich im vorliegenden Fall - gemäß § 42 Abs. 2 VwGG eine Feststellung durch den Verwaltungsgerichtshof, welcher Art auch immer, nicht in Betracht kommt. Die Verwaltungsbehörden sind zwar gemäß § 63 Abs. 1 VwGG in dem Fall, daß der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen; dies wäre aber der belangten Behörde im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde geht auch das im Zusammenhang mit der Einbringung von Beschwerden "bei den jeweils zuständigen unabhängigen Verwaltungssenaten gem. § 5a FrPolG gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft" erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere.

Der Beschwerdeführer macht wohl weiters geltend, daß der angefochtene Bescheid "letztlich Grundlage für die etwaige Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Wege der Amtshaftung bildet" und er beabsichtige, "gem. §§ 1 ff AHG, Art. 7 PersFrG und Art. 5 Abs. 5 EMRK für seine - seiner Ansicht nach rechtswidrige - Anhaltung in der "Überprüfungsstation' Schadenersatz geltend zu machen". Die Entscheidung eines etwaigen Rechtsstreites nach dem AHG sei "jedoch in diesem Falle von der Frage der Rechtswidrigkeit des Titelbescheides für die Anhaltung, somit eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde im Sinne des § 9 Abs. 1 AHG abhängig"; nur für den Fall, daß das angerufene Gericht den Bescheid für rechtswidrig hält, habe es das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde (Antrag) nach Art. 131 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Eine Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde würde "unter Umständen dazu führen, daß die Frage der Rechtmäßigkeit des Titelbescheides für die Anhaltung des BF in der 'Überprüfungsstation' - ausschließlich - auf dem Zivilrechtsweg beurteilt würde". Damit ist aber für seinen Standpunkt ebenfalls nichts zu gewinnen. Dem Beschwerdeführer ist nämlich primär - ohne daß noch näher darauf eingegangen werden müßte - entgegenzuhalten, daß mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 7. Jänner 1992 - wie aus der von ihm selbst vorgelegten Ablichtung dieses Bescheides hervorgeht - die Anhaltung des Beschwerdeführers in der Überprüfungsstation des Flüchtlingslagers Traiskirchen in der Zeit vom 12. bis 18. September 1991 für rechtswidrig erklärt und ausgesprochen wurde, daß der Beschwerdeführer durch diese Maßnahme in seinem Recht auf persönliche Freiheit (Art. 5 MRK; Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988) verletzt worden sei. Dabei wurde davon ausgegangen, daß die "haftähnliche Anhaltung des Beschwerdeführers" in der Überprüfungsstation "durch den Bescheid gemäß § 6 Abs. 1 des Asylgesetzes bei verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmung nicht gedeckt" sei. Es bedarf daher zur Durchsetzung allfälliger Amtshaftungsansprüche wegen der nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten (und bereits für rechtswidrig erklärten) Anhaltung des Beschwerdeführers nicht der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof. Dem Beschwerdeführer, dem es hiebei nicht um die (den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende) Einweisung, sondern ausschließlich um die ihr folgende Anhaltung in der Überprüfungsstation geht, wurden demnach bei diesem Ergebnis auch nicht - wie er unter Berufung auf "Art. 5 Abs. 5 EMRK, Art. 7 PersFrG und Art. 13 EMRK" meint - die "Möglichkeiten einer rechtswirksamen Beschwerde, .... auch um einen Schadenersatzanspruch nach den obzitierten Bestimmungen geltend zu machen", genommen, wobei im übrigen dahingestellt bleiben mag, ob dem Beschwerdeführer, der in seiner Beschwerde vornehmlich die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 und 2 Asylgesetz behauptet, nicht auch die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG offengestanden wäre.

Die Beschwerde war somit mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - ungeachtet der beantragten Verhandlung - in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010054.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten