TE Vwgh ErkenntnisVS 1992/5/25 91/15/0085

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Veröffentlicht am 25.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
12/05 Sonstige internationale Angelegenheiten;
23/04 Exekutionsordnung;
30/02 Finanzausgleich;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AbgEO §15 Abs1;
AbgEO §4;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §9;
BAO §293 Abs1;
BAO §79;
BAO §93 Abs2;
EO §1 Z12;
EO §7;
FAG 1967 §14 Abs1 Z2;
FAG 1967 §7 Z5;
FAG 1973 §6 Z5;
FAG 1979 §13 Abs1;
FAG 1979 §13 Abs2;
FAG 1985 §13 Abs2;
FAG 1989 §13 Abs2;
GewStG;
IAKW-FinanzierungsG 1972 §14 Abs1;
IAKW-FinanzierungsG 1972 §5 Abs1;
IAKW-FinanzierungsG 1972 §6 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Weiss, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der Gemeinde Wien, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, gegen den Bescheid der FLD f Wien, NÖ und Bgld vom 7.6.1991, Zl. GA 5-1839/1/91, betreffend Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme für die Kalenderjahre 1986 bis 1989 (mP: Österreichisches Konferenzzentrum Wien, AG in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution, zu ersetzen.

Begründung

Mit einem für den Abteilungsleiter gefertigten Schriftsatz stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, Referat 4, an das Finanzamt für Körperschaften in Wien "gemäß § 29 GewStG 1953" den Antrag auf Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der für die Jahre 1986 bis 1989 jeweils angeführten Lohnsumme der mitbeteiligten Partei.

Mit dem an die mitbeteiligte Partei und an die "Gemeinde Wien" gerichteten Lohnsummensteuermeßbescheid setzte das Finanzamt den Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme für die in der Gemeinde gelegene(n) Betriebsstätte(n) der mitbeteiligten Partei in den genannten Jahren mit Null fest. In der Begründung dieses Bescheides heißt es sinngemäß, die Festsetzung sei über Antrag der Gemeinde Wien erfolgt, der Bescheid weiche vom Antrag deswegen ab, weil die mitbeteiligte Partei durch das IAKW-Finanzierungsgesetz von ihrer Gründung an von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben "sowie von der Gewerbesteuer" befreit sei.

Gegen diesen Bescheid wurde unter derselben Bezeichnung wie im ursprünglichen Antrag im wesentlichen mit der Begründung berufen, die im § 5 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz, BGBl. Nr. 150/1972, in der Fassung der 3. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 223/1985, in Verbindung mit dem durch diese Novelle angeführten § 14 Abs. 1 leg. cit. zu Gunsten der mitbeteiligten Partei normierte Abgabenbefreiung u.a. von der "Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer)" umfasse nicht auch die Lohnsummensteuer.

Mit an die "Gemeinde Wien MA 4/4" gerichteter Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Hierauf wurde - wiederum unter derselben Bezeichnung wie in den früheren Anbringen - die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen und sinngemäß mit der Begründung, der Rechtsansicht der "Gemeinde Wien (Magistrat der Stadt Wien)", durch den im § 5 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz nach dem Wort "Gewerbesteuer" enthaltenen Klammerausdruck "(Bundesgewerbesteuer)" sei die zu Gunsten der mitbeteiligten Partei normierte Abgabenbefreiung auf den Inhalt des Begriffes "Bundesgewerbesteuer" eingeschränkt worden, könne nicht beigepflichtet werden. Die Abgabenbefreiung erstrecke sich vielmehr auch auf die Lohnsummensteuer, weshalb sich der erstinstanzliche Bescheid als richtig erweise. Als Adressat des angefochtenen Bescheides wurde der "Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 - Referat 4" genannt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Als Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die "Gemeinde Wien, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4" bezeichnet. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Erlassung eines gesetzeskonformen Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme gemäß § 29 GewStG 1953 idgF" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift ebenso wie die mitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst GEPRÜFT, OB DIE BESCHWERDE ZULÄSSIG IST. Diese Frage stellt sich im Hinblick auf den hg. Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. 90/14/0268, mit welchem eine Beschwerde der Stadt Villach gegen einen Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten deswegen zurückgewiesen wurde, weil der - ebenso wie der erstinstanzliche Bescheid - an den Magistrat Villach anstatt richtig an die Stadt Villach selbst gerichtete Bescheid ins Leere gegangen sei. Auszugsweise heißt es in der Begründung dieses hg. Beschlusses wie folgt:

"Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid u.a. im Spruch die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach § 288 Abs. 1 lit. a BAO hat die Berufungsentscheidung die Namen der Parteien des

Berufungsverfahrens ... zu enthalten. Aus der Nennung des

Adressaten im Spruch eines Bescheides ergibt sich das Leistungsgebot. Somit darf nur von demjenigen die Erbringung einer Leistung verlangt werden, an den der Bescheid gerichtet ist. Adressat eines Abgabenbescheides kann nur ein Träger von Rechten und Pflichten im abgabenrechtlichen Sinn sein. Denn nur gegen diesen könnte auf Grund eines hinsichtlich der Nennung der Person des Schuldners gleichlautenden Rückstandsausweises Exekution geführt werden. Soll der Leistungsbescheid zwangsvollstreckt werden, muß der von der Abgabenfestsetzung Betroffene ebenso wie der im Rückstandsausweis Genannte prozessual rechtsfähig im Sinn des § 79 BAO sein (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, S 221).

Beim Magistrat Villach handelt es sich lediglich um einen Hilfsapparat der beschwerdeführenden Stadt Villach. Der Magistrat Villach ist daher nicht Träger von Rechten und Pflichten; er ist auch nicht im Sinn des § 79 BAO prozessual rechtsfähig. Von einer Identität des Hilfsapparates Magistrat Villach mit der Beschwerdeführerin kann aber aus den oben dargestellten Gründen nicht ausgegangen werden.

Da der ins Leere gegangene angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzen kann, fehlt der Beschwerdeführerin im Sinn des § 34 Abs. 1 VwGG die Berechtigung zur Erhebung der Bescheidbeschwerde ..."

Diesem Beschluß ist der Rechtssatz zu entnehmen, daß es sich bei der unrichtigen Bezeichnung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers anstelle des Rechtsträgers selbst als Adressat eines abgabenrechtlichen Bescheides mangels irgendwelcher Einschränkungen in dem zitierten Beschluß beigegebenen Begründung ganz allgemein und ausnahmslos um einen Fehler handelt, der der gesetzeskonformen Deutung, der Bescheid richte sich an den Rechtsträger des Organs, im Wege stehe; dies mit der Konsequenz, daß der Bescheid dem Rechtsträger gegenüber als ins Leere gegangen - also als nicht erlassen - anzusehen sei.

Daß die damaligen Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in diesem selbst die Rechtsansicht vertraten, der angefochten gewesene Bescheid sei ins Leere gegangen, wurde in dem Beschluß vom 11. Juni 1991 zwar erwähnt, stellte jedoch nach der ihm beigegebenen Begründung kein entscheidendes Kriterium dar, weshalb dieser Besonderheit des damaligen Falles für den aus dem Beschluß zu entnehmenden Rechtssatz keine Bedeutung zukommt.

Unter Zugrundelegung des aus dem hg. Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. 90/14/0268, zu entnehmenden Rechtsmeinung müßte auch die nunmehr vorliegende Beschwerde zurückgewiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch die zu dieser Konsequenz führende, im zitierten Beschluß vertretene Rechtsansicht aus folgenden Gründen nicht weiter aufrecht zu erhalten:

Der Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung einerseits die Rechtsansicht, daß die "Personsumschreibung" einen notwendigen Bestandteil des Spruches des Abgabenbescheides bilde. Eine UMDEUTUNG des Bescheidadressaten komme nicht in Betracht (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 9. März 1990, Zl. 85/17/0116, und vom 3. Februar 1984, Zlen. 83/17/0197, 0198 - in der Folge: erste Judikaturkette). Auch der Verfassungsgerichtshof lehnt die Umdeutung von Bescheidadressaten ab (siehe hiezu beispielsweise das Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom 21. September 1984, VfSlg. 10 113/1984).

Anderseits hat der Verwaltungsgerichtshof FEHLZITATE UND SCHREIBFEHLER - auch bei Unrichtigkeiten im Vornamen oder Namen von Bescheidadressaten - schon wiederholt als unbeachtlich, d. h. als dem richtigen Bescheidverständnis selbst dann nicht im Wege stehend angesehen, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen wurde (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1991, Zl. 90/14/0125, vom 23. Oktober 1990, Zl. 89/14/0179, und vom 21. Juni 1990, Zl. 89/06/0104, sowie die im letztbezogenen Erkenntnis zitierte Vorjudikatur - in der Folge: zweite Judikaturkette).

Nach der weiteren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen ("gesetzeskonforme" Bescheidauslegung; vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 13. Februar 1992, Zl. 91/13/0004, und vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0208, sowie die dort jeweils zitierten Belegstellen - in der Folge: dritte Judikaturkette). Auch der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt - zum Teil unter Verweisung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - diese Rechtsansicht vertreten (siehe hiezu beispielsweise die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 1960, VfSlg. 3683/1960, und vom 17. Juni 1982, VfSlg. 9432/1982).

Mißt man den aus dem hg. Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. 90/14/0268, sich ergebenden Rechtssatz an dieser Vorjudikatur, so berücksichtigt er ausschließlich die erste Judikaturkette, mit der eine Umdeutung des Bescheidadressaten abgelehnt wird. Eine über die unrichtige Bezeichnung hinwegsehende DEUTUNG des Bescheidadressaten im Sinne der zweiten und dritten Judikaturkette wurde damit für die gegebene Fallkonstellation ausgeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt jedoch davon abweichend nunmehr die Rechtsansicht, daß die unrichtige Anführung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers anstelle des Organträgers selbst als Adressat eines abgabenrechtlichen Bescheides jedenfalls dann dem "richtigen Bescheidverständnis" nicht im Wege steht, wenn in einem konkreten Fall unter Berücksichtigung der objektiven Rechtslage und der Begründung des Bescheides bei der Betrachtung anders als bei Außerachtlassung dieser Elemente schon für die Betroffenen nicht mehr zweifelhaft sein kann, daß die Verwaltungsbehörde eine bescheidmäßige Erledigung gegenüber dem Rechtsträger selbst treffen wollte und getroffen hat. In einem solchen Fall kann nicht von einem (unzulässigen) "Umdeuten", sondern nur von einem (zulässigen und gebotenen) "Deuten" des bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten gesprochen werden, als dessen Ergebnis der vom Organ repräsentierte Rechtsträger als Bescheidadressat anzusehen ist.

Dafür ist bestimmend, daß die in der ersten Judikaturkette zum Ausdruck kommende "Formstrenge" vom Gedanken geleitet ist, einer Rechtsunsicherheit vorzubeugen, die aber unter den vorliegenden Voraussetzungen nicht zu besorgen ist. Diese Voraussetzungen sind zusammenfassend, daß der im Bescheid als Adressat Bezeichnete nur die Stellung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers zukommt, diesem gegenüber als Partei des Abgabenverfahrens nach der objektiven Rechtslage - sei es von Amts wegen oder auf Grund eines Anbringens - die bescheidmäßige Erledigung zu treffen ist, und daß aus dem Bescheid insgesamt - also auch unter Bedachtnahme auf seine Begründung - nicht auf einen davon abweichenden Bescheidwillen der Verwaltungsbehörde geschlossen werden kann, kurz gesagt, daß EINDEUTIG UND OFFENKUNDIG bloß ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten, also ein Vergreifen im Ausdruck und damit eine gemäß § 293 Abs. 1 BAO berichtigungsfähige (wenn auch allenfalls noch nicht bescheidmäßig berichtigte) Unrichtigkeit gegeben ist.

Im Beschwerdefall spricht schon die OBJEKTIVE RECHTSLAGE dafür, daß sich die belangte Behörde bei der Bezeichnung des Bescheidadressaten bloß vergriffen hat. Da der erstinstanzliche Bescheid an die beschwerdeführende Gemeinde gerichtet wurde und dieser als juristischer Person des öffentlichen Rechts, die nur durch ihre Organe handeln kann, auch die im Abgabenverfahren vom Magistrat gestellten und von den zuständigen leitenden Bediensteten (als den gemäß § 90 Abs. 3 der Wiener Stadtverfassung, LGBl. Nr. 28/1968, zur Vertretung der beschwerdeführenden Gemeinde nach außen befugten Personen) gefertigten Anbringen zuzurechnen sind, war die beschwerdeführende Gemeinde nicht nur Antragsteller im Sinne des § 29 Abs. 1 GewStG 1953, sondern auch Berufungswerber und damit im Sinne des § 78 Abs. 1 BAO Partei des Berufungsverfahrens bzw. im Sinne des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle Partei des gesamten Abgabenverfahrens. Ihr gegenüber war daher die gemäß § 290 Abs. 1 BAO jedenfalls gegen sie wirkende Berufungsentscheidung zu treffen.

Zur Stellung des Magistrates der Stadt Wien wird ferner auf § 8 Abs. 1 Z. 10, § 78, § 90 Abs. 3, § 91 Abs. 4 und insbesondere auf § 105 Abs. 1 (wonach die Geschäfte der Gemeinde durch den Magistrat zu besorgen sind) der Wiener Stadtverfassung in der geltenden Fassung in Verbindung mit der maßgebenden, für einen bestimmten Zeitraum geltenden Geschäftseinteilung für den Magistrat der Stadt Wien - siehe insbesondere die Veröffentlichungen im Amtsblatt der Stadt Wien vom 4. Februar 1988 und vom 5. Februar 1991 - hingewiesen. Da die Wiener Stadtverfassung keine Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe nach außen vorsieht, kann übrigens nicht auf die bloß von der Willensbildung im Innenverhältnis handelnde Norm des § 88 Abs. 1 lit. v der Wiener Stadtverfassung zurückgegriffen werden, wonach die Beschlußfassung in allen jenen Angelegenheiten, in denen der Gemeinde auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme ein Antragsrecht zusteht, dem Gemeinderat vorbehalten ist (vgl. hiezu beispielsweise den hg. Beschluß vom 16. Dezember 1983, Zl. 83/17/0225, und die dort zitierten Vorerkenntnisse).

Auch die BEGRÜNDUNG DES ANGEFOCHTENEN BESCHEIDES macht durch die dort gebrauchte Formulierung "Gemeinde Wien (Magistrat der Stadt Wien)" nach außen unzweifelhaft deutlich, daß die belangte Behörde nicht den Bescheidwillen hatte, die Berufungsentscheidung gegenüber jemand anderem als der Berufungswerberin zu treffen, zumal dies auch auf die durch keine sinnvolle Argumentation zu stützende Annahme hinausliefe, sie hätte den angefochtenen Bescheid ins Leere gehen lassen wollen.

Was schließlich das im hg. Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. 90/14/0268, gebrauchte Argument anlangt, eine Zwangsvollstreckung von "Leistungsbescheiden" erfordere, daß die Person des Exekutionsschuldners schon im Bescheid richtig (und bestimmt, nicht bloß bestimmbar) bezeichnet werde, so ist hiezu zu bemerken, daß selbst wenn man trotz "richtigem Bescheidverständnis" der fehlerhaften Bezeichnung des Bescheidadressaten die Bedeutung eines Vollstreckungshindernisses beimessen wollte, dieses durch Erlassung eines Berichtigungsbescheides im Sinne des § 293 BAO beseitigt werden kann. Im übrigen handelt es sich bei dem im Beschwerdefall angefochtenen Bescheid mangels eines darin enthaltenen Leistungsgebotes nicht um einen einer Zwangsvollstreckung zugänglichen "Leistungsbescheid".

Da sich die belangte Behörde bei der Bezeichnung des Bescheidadressaten im Spruch des angefochtenen Bescheides somit eindeutig und offenkundig lediglich vergriffen hat und über diesen berichtigungsfähigen Fehler im Sinne des oben Gesagten hinwegzusehen war, ist der angefochtene Bescheid der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber nicht ins Leere gegangen. Die von dieser erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erweist sich daher als zulässig.

2. IN DER SACHE SELBST steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich in Streit, ob die mitbeteiligte Partei durch § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz in der Fassung der 3. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 223/1985, auch von der Lohnsummensteuer befreit ist.

Die eben zitierten Bestimmungen lauten wie folgt:

"§ 5. (1) Die Aktiengesellschaft (§ 1) ist vom Zeitpunkt ihrer Gründung an von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben vom Einkommen und Vermögen sowie von der Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer) und den Kapitalverkehrssteuern befreit, wenn sich ihre Tätigkeit auf die Durchführung der im § 1 bezeichneten Aufgaben beschränkt.

§ 14. (1) § 5 gilt sinngemäß für die im § 6 bezeichnete Aktiengesellschaft."

Im § 6 Abs. 1 leg. cit., ebenfalls in der Fassung der zitierten Novelle, ist die mitbeteiligte Partei namentlich genannt.

Die beschwerdeführende Gemeinde vertritt die Rechtsansicht, der in § 5 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz enthaltene Klammerausdruck "(Bundesgewerbesteuer)" schränke den vorangehenden Begriff "Gewerbesteuer" ein, womit klargestellt sei, "daß jedenfalls die Lohnsummensteuer als Teil der (Gemeinde-)Gewerbesteuer von der Steuerbefreiung ausgenommen" sei. Diese Auslegung führe auch zu einem "plausiblen Ergebnis".

Dieser Rechtsansicht der beschwerdeführenden Gemeinde vermag sich der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

Von einer Einschränkung der Befreiungsvorschrift auf den Inhalt des Begriffes "Bundesgewerbesteuer" durch den Klammerausdruck nach dem Wort "Gewerbesteuer" könnte nur dann gesprochen werden, wenn angenommen werden müßte, daß der zuletzt genannte Begriff in seiner weiten, auch die "Bundesgewerbesteuer" umfassenden Bedeutung zu verstehen wäre; müßte jedoch angenommen werden, daß der Begriff "Gewerbesteuer" in dieser Gesetzesstelle eine Bedeutung hat, die den Begriff "Bundesgewerbesteuer" nicht, auch nicht teilweise, umfasse, so könnte wegen der Verschiedenheit der Begriffsinhalte vor und im Klammerausdruck nicht davon die Rede sein, daß der Begriff "Gewerbesteuer" durch den im nachfolgenden Klammerausdruck enthaltenen Begriff "Gewerbesteuer" EINGESCHRÄNKT werde.

Auszugehen ist zunächst davon, daß im Gewerbesteuergesetz 1953 der Begriff "Bundesgewerbesteuer" nicht vorkommt und der Begriff "Gewerbesteuer" dort in einem auch die Lohnsummensteuer umfassenden weiten Sinn gebraucht ist. Hingegen kommen beide im Beschwerdefall in der auszulegenden Wendung "Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer)" gebrauchten Begriffe in den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen nebeneinander vor. Da der Begriff "Bundesgewerbesteuer" ausschließlich im Finanzausgleichsrecht vorkommt und dort auch der Begriff "Gewerbesteuer" verwendet wird, kann bei der Auslegung der beide Begriffe enthaltenden Wendung im § 5 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz hinsichtlich des Begriffes "Gewerbesteuer" nicht auf das Gewerbesteuergesetz 1953 abgestellt werden. Mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für eine solche Regelungsabsicht kann vom Gesetzgeber nämlich nicht angenommen werden, die in ein und derselben Gesetzesstelle verwendeten Begriffe auch dann VERSCHIEDENEN Gesetzen zu entlehnen, wenn in einem dieser Gesetze beide Begriffe enthalten sind.

Die im Zeitpunkt der Verabschiedung des IAKW-Finanzierungsgesetzes vom Gesetzgeber vorgefundenen, für die Auslegung der Wendung "Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer)" bedeutsamen Rechtsvorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 2, lauten auszugsweise wie folgt:

Art. II

ABGABENWESEN

(§§ 5 bis 11 des F-VG 1948)

A. AUSSCHLIEßLICHE BUNDESABGABEN

§ 7. Ausschließliche Bundesabgaben sind die folgenden Abgaben:

1.

...

2.

...

3.

...

4.

...

5.

die Bundesgewerbesteuer. Sie wird im Ausmaß von 150 v.H. des einheitlichen Steuermeßbetrages (§ 15 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954 in der jeweiligen Fassung) erhoben.

B. ZWISCHEN BUND UND LÄNDERN (GEMEINDEN) GETEILTE ABGABEN

C. AUSSCHLIEßLICHE LANDES- (GEMEINDE)ABGABEN

§ 14. (1) Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:

1.

...

2.

die Gewerbesteuer (Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital und Lohnsummensteuer),

D. GEMEINDEABGABEN AUF GRUND FREIEN BESCHLUßRECHTES

§ 15. (1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung

a) die Hebesätze der Grundsteuer und der Lohnsummensteuer festzusetzen. ...

b) Die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital von den stehenden Gewerbebetrieben mit einem Hebesatz von 150 v.H. des einheitlichen Steuermeßbetrages auszuschreiben.

....."

Im wesentlichen gleichartige Regelungen finden sich auch im Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. Nr. 445/1972. Bei der Aufzählung der Bundesgewerbesteuer, nunmehr im § 6 Z. 5 dieses Gesetzes, fehlt lediglich der auf § 15 des Gewerbesteuergesetzes 1953 in der jeweiligen Fassung hinweisende Klammerausdruck.

Im Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. Nr. 673/1978, wurde - der Systematik im Finanz-Verfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, besser Rechnung tragend (vgl. § 6 Z. 2 lit. c leg. cit.) - die Bundesgewerbesteuer nicht mehr unter den ausschließlichen Bundesabgaben, sondern zusammen mit der Gewerbesteuer unter den "Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand" aufgezählt (§ 13 Abs. 1 FAG 1979). Im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle heißt es, daß von demselben Besteuerungsgegenstand Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954, der Bund (Bundesgewerbesteuer) und die Gemeinden (Gewerbesteuer) gleichartige Abgaben erheben. Die Abgabe des Bundes beträgt 150 v.H. des einheitlichen Steuermeßbetrages und wird zugleich mit der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital berechnet, festgesetzt, eingehoben und zwangsweise eingebracht. Neben dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital können die Gemeinden auch noch die Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer wählen.

Durch § 13 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 544/1984, wurde der Verteilungsschlüssel geändert und der letzte Satz dieser Gesetzesstelle so formuliert, daß "die Gemeinden die Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer unabhängig vom Gewerbeertrag und vom Gewerbekapital wählen" können.

Dieselbe Rechtslage besteht auch nach § 13 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 687/1988.

Die zitierten finanzausgleichsrechtlichen Vorschriften zeigen mit aller Deutlichkeit, daß das Unterscheidungskriterium zwischen der "Gewerbesteuer" und der "Bundesgewerbesteuer" darin zu erblicken ist, ob es sich dabei jeweils um eine den Gemeinden oder dem Bund zufließende Abgabe handelt. Der Begriff "Gewerbesteuer" umfaßt trotz des weit gefaßten Klammerausdruckes im § 14 Abs. 1 Z. 2 FAG 1967 - dort ist, wie bereits dargestellt, von der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital sowie von der Lohnsummensteuer die Rede - schon wegen der systematischen Ordnung jeweils nur jene Teile der Gewerbesteuer im weiten Sinn, die den Gemeinden zufließen, die "Bundesgewerbesteuer" demgegenüber nur jene Teile der Gewerbesteuer im weiten Sinn, die dem Bund zufließen.

Ausgehend vom finanzausgleichsrechtlichen Begriffsverständnis ist daher die Wendung im § 5 Abs. 1 IAKW-Finanzierungsgesetz "Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer)" dahin zu verstehen, daß vor dem Klammerausdruck die Gewerbesteuer als Gemeindeabgabe (umfassend die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital, soweit sie für die Gemeinden erhoben wird, sowie die Lohnsummensteuer) und im Klammerausdruck die Gewerbesteuer als Bundesabgabe (umfassend die Anteile des Bundes an der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital) angeführt ist, wobei allerdings anzumerken ist, daß gemäß Abschn. III Art. II des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 587/1983 der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital ab dem Kalenderjahr 1986 für die Ermittlung des einheitlichen Steuermeßbetrages außer Ansatz bleibt. Es sind sohin vor und im Klammerausdruck JEWEILS VERSCHIEDENE ABGABEN angeführt. Dies schließt, wie schon oben ausgeführt wurde, eine Auslegung der Wendung "Gewerbesteuer (Bundesgewerbesteuer)" aus, derzufolge der Ausdruck vor dem Klammerausdruck durch den Ausdruck im Klammerausdruck EINGESCHRÄNKT BZW. EINSCHRÄNKEND PRÄZISIERT wird. Da ferner nicht angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber den Begriff "Gewerbesteuer" nur angeführt hat, um ihn sogleich darauf im Klammerausdruck durch den Begriff "Bundesgewerbesteuer" zu ersetzen, ist der Gesetzeswortlaut dahin zu verstehen, daß mit ihm eine Befreiung SOWOHL VON DER GEWERBESTEUER ALS AUCH VON DER BUNDESGEWERBESTEUER, jeweils mit dem oben beschriebenen Inhalt dieser Begriffe im Finanzausgleichsgesetz 1967, normiert worden ist. Für diese Auslegung spricht zudem, daß mangels einer aus den Gesetzesmaterialien zum IAKW-Finanzierungsgesetz erkennbaren Differenzierung offenbar ein EINHEITLICHER REGELUNGSZWECK bestanden hat.

Dagegen war für die Auslegung der im Beschwerdefall maßgebenden Gesetzesstelle aus anders formulierten Befreiungsvorschriften in anderen Gesetzen (siehe z.B. § 1 Abs. 3 des Rundfunkgesetzes, BGBl. Nr. 379/1984, in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 606/1987; § 7 des Bundesgesetzes betreffend die Errichtung einer Bundesstraßen-Planungs- und Errichtungsgesellschaft für Wien, BGBl. Nr. 372/1985, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 175/1989; sowie § 3 des Bundesgesetzes zur Förderung der Atomforschung, BGBl. Nr. 73/1959) nichts zu gewinnen.

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseInhalt des Spruches Anführung des BescheidadressatenOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinRechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebietskörperschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991150085.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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