TE Vfgh Erkenntnis 1989/11/28 B1285/88, B1286/88, B1287/88, B1288/88

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Veröffentlicht am 28.11.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

StGG Art8 / Verletzung
StGG Art9 / Verletzung
SuchtgiftG §12
StPO §141 Abs1
StPO §141 Abs2
StPO §175 Abs1 Z3
StPO §177

Leitsatz

Kein hinreichender Verdacht gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung; Verletzung im Hausrecht durch Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl; Zurückweisung der Beschwerde, soweit sie gegen rein verbale Entgleisungen der die Amtshandlung durchführenden Kriminalbeamten gerichtet ist

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß sie am 31. Mai 1988, gegen 12 Uhr 30, in Wien von Organen der Bundespolizeidirektion Wien festgenommen und bis 2. Juni 1988, 9 Uhr 30, in Haft gehalten wurde, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und ferner dadurch, daß Organe derselben Behörde am 21. und 31. Mai 1988 sowie am 1. Juni 1988 in ihrer Wohnung in 1150 Wien, Felberstraße Nr. 106/29, Hausdurchsuchungen durchführten, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art9 StGG verletzt worden.

II. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters die mit 8.800 S bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. A R begehrte in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG der Sache nach die kostenpflichtige Feststellung, sie sei in Wien durch Amtshandlungen mehrerer Organe der Bundespolizeidirektion Wien, nämlich a) ihre Festnahme am 31. Mai 1988 und Anhaltung in Haft bis 2. Juni 1988, b) Vornahme von Hausdurchsuchungen in ihrer Wohnung in 1150 Wien, Felberstraße Nr. 106/29, am 21. und 31. Mai 1988 sowie am 1. Juni 1988 und c) verbales Verhalten, demnach durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und zwar (zu a)) auf persönliche Freiheit nach Art8 StGG iVm Art5 EMRK, (zu b)) auf Unverletzlichkeit des Hausrechts nach Art9 StGG iVm Art8 EMRK und (zu c)) auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung nach Art3 EMRK, verletzt worden.

1.2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde legte die Administrativakten vor und erstattete eine (als Gegenschrift zu wertende) Äußerung, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Aus den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Akten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien AZ 27 d Vr 5178/88 geht hervor, daß die Beschwerdeführerin - im Gefolge polizeilicher Erhebungen aus Anlaß des Ablebens eines J W durch Opiatvergiftung - am 31. Mai 1988, um 12 Uhr 30, in ihrer Wohnung in 1150 Wien, Felberstraße Nr. 106/29, von Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Wien aus eigener Machtvollkommenheit wegen des dringenden Verdachtes des Handels mit Suchtgiften gemäß §177 iVm §175 Abs1 Z3 StPO festgenommen und am 2. Juni 1988, um 9 Uhr 30, aus der Polizeihaft wieder entlassen wurde. Schon am 21. Mai 1988 hatte in ihrer Wohnung - auf Anordnung eines Konzeptsbeamten des Sicherheitsbüros der Bundespolizeidirektion Wien - eine polizeiliche Hausdurchsuchung stattgefunden; des weiteren kam es dort zu solchen Amtshandlungen sowohl am 31. Mai 1988 (damals schritten Kriminalbeamte aus eigenem Antrieb ein) als auch am 1. Juni 1988 (wieder auf Anordnung eines Konzeptsbeamten des Sicherheitsbüros).

Zu den Prozeßvoraussetzungen:

2.2.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person: Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für die Festnehmung und anschließende Verwahrung (zB VfSlg. 7252/1974, 8145/1977, 9860/1983, 10.976/1986), aber auch für Hausdurchsuchungen zutrifft, die Sicherheitsorgane im Auftrag der Sicherheitsbehörde oder aus eigener Macht vornehmen (zB VfSlg. 7943/1976, 8298/1978, 8680/1979, 9389/1982, 9766/1983, 10.850/1986).

2.2.2. Demgemäß ist festzuhalten, daß mit der vorliegenden Beschwerde - soweit sie die Festnahme und Anhaltung der A R und die (drei) Hausdurchsuchungen in der von dieser Beschwerdeführerin jedenfalls ständig mitbenützten Wohnung zum Gegenstand hat (s. Punkt 1.1., Beschwerdefakten a) und b)) - Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG bekämpft werden.

2.2.3. Da hier ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Beschwerde im dargelegten Umfang zulässig.

Zur Sache, und zwar zur Festnahme:

2.3.1.1. Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 EMRK (s. zB VfSlg. 8815/1980, 10.976/1986) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung".

2.3.1.2. Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, BGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, legt in seinem §4 fest, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den "vom Gesetz bestimmten Fällen" eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. Gesetzliche Bestimmungen iS des §4 leg. cit. sind ua. die §§175 bis 177 StPO.

2.3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof geht aus dem Blickwinkel der geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit davon aus, daß die Beschwerdeführerin - die nach Darstellung der belangten Behörde im Verdacht des (nicht näher konkretisierten) Handels mit Suchtgiften, also wohl des Verbrechens nach §12 SuchtgiftG stand - im Dienst der Strafjustiz ohne richterlichen Haftbefehl festgenommen und verwahrt wurde.

Es ist daher zu prüfen, ob diese Freiheitsbeschränkung nach §177 iVm §175 (Abs1 Z3) StPO zulässig war.

2.3.2.2. Der Beurteilung der primär zu lösenden Frage, ob der im §175 (Abs1 Z3) StPO für eine Festnahme zwingend vorausgesetzte Tatverdacht (hier: nach §12 SuchtgiftG) vertretbarerweise angenommen werden durfte, ist - nach der gefestigten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - jener Sachverhalt zugrundezulegen, der sich dem einschreitenden Behördenorgan im Zeitpunkt der Amtshandlung darbot (zB VfSlg. 8633/1979, 10.976/1986; s. auch VfSlg. 7818/1976, 10.547/1985).

2.3.2.2.1. Dazu heißt es in der (im schon zitierten landesgerichtlichen Akt erliegenden) Anhaltemeldung vom 31. Mai 1988 wörtlich:

"Nach erfolgter anonymer Mitteilung, wonach der im gegenständlichen Aktenvermerk angeführte 'Ronny' mit Heroin handeln soll, wurden von BI P, BI T, BI M und Gefertigtem intensive Erhebungen und Nachforschungen angestellt. Es wurde dabei ferner bekannt, daß dieser 'Ronny', ein gebürtiger Kärntner, ständig einen Pkw der Marke Citroen 2 CV 6, Charleston benützen soll und dieses Fahrzeug stünde meistens direkt vor seinem Haus in der Felberstraße und auch in der unmittelbaren Umgebung.

Bei den durchgeführten Ermittlungen in der Felberstraße konnte von einem Anrainer vertraulich in Erfahrung gebracht werden, daß ein gewisser 'Ronny', auf welchen die Personenbeschreibung zutreffen würde und der auch einen derartig beschriebenen Pkw mit Kärntner Kennzeichen fahren soll, im Hause Felberstraße Nr. 106 im dritten Stock auf Tür Nr. 29 aufhältig wäre.

    In der Folge begaben sich die erhebenden Kriminalbeamten zu

genannter Adresse, wo die Wohnungseingangstür unversperrt

vorgefunden werden konnte. Sodann konnte im Wohnzimmer . . .

R R W . . . in einem Fauteuil sitzend angetroffen werden. Ferner

war auch seine Gattin, die dipl. Krankenschwester R A. . . in der

Wohnung anwesend.

Im Zuge der getrennt durchgeführten Befragungen ergaben sich gravierende Widersprüche in den Aussagen der Genannten. R R sagte vorerst aus, daß er noch nie mit Suchtgiften zu tun hatte und keinesfalls Suchtgifte oder Suchtgiftrequisiten in der Wohnung deponiert wären. Seine Frau A R teilte mit, daß ihr Mann Hausmann und Student sei und keineswegs mit Suchtgiften zu tun hätte. Sie wären erst am vergangenen Samstag von einem Badeurlaub aus der Türkei zurückgekehrt. R R gab schlußendlich an, daß er einen J W gar nicht kenne und im übrigen kenne er überhaupt keine Typen aus der Suchtgiftszene. Erst nach einiger Zeit bequemte er sich zu der Aussage, daß er den J W doch persönlich kenne. Ferner machte er abschließend die Bemerkung, im Falle einer Nichtauffindung von Suchtgiften werde es ein Nachspiel für die Kriminalbeamten geben.

Da Grund zur Annahme bestand, daß die Genannten sehr wohl in Suchtgiftgeschäften involviert sind, wurden sie wegen Verdacht des Suchtgifthandels um 12 Uhr 30 festgenommen. Die Festnahme erfolgte aus eigenem Antriebe, da die Einholung eines richterlichen Haftbefehles wegen bestehender Verabredungs- bzw. Verdunkelungsgefahr wegen Gefahr im Verzuge nicht tunlich war. . . "

2.3.2.2.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes kann hier keine Rede davon sein, daß zur Zeit der Vornahme der angefochtenen Amtshandlung mit gutem Grund ("vertretbar") angenommen werden durfte, die Beschwerdeführerin sei eines Verbrechens nach dem SuchtgiftG verdächtig: Die von der belangten Behörde (auch in ihrer Gegenschrift) hervorgekehrte anonyme Mitteilung bezog sich auf "Ronny", d.h. offenbar auf den Ehemann der Beschwerdeführerin, nicht hingegen auf sie selbst. Die überdies geltend gemachten Widersprüche in den Verantwortungen der Eheleute R an Ort und Stelle sind - wie die Anhaltemeldung zeigt - nicht hinlänglich konkretisiert; in der - relevanten - Frage des Suchtgifthandels leugneten die Vernommenen jedenfalls übereinstimmend.

Angesichts dieser Sachlage war die der Festnahme zugrundegelegte Annahme, die Beschwerdeführerin stehe im Verdacht des Suchtgifthandels, nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes nicht gerechtfertigt. Denn ein derartiger Verdacht wurde - überschießend und unschlüssig - im Grunde bloß aus (hier nicht weiter zu wertenden) Umständen abgeleitet, die lediglich den Ehemann der Beschwerdeführerin berühren (seine Pupillen sollen - laut Gegenschrift - "stark verengt" gewesen sein), die Beschwerdeführerin selbst aber in keiner wie immer gearteten Weise (konkret) belasten.

Zusammenfassend folgt daraus, daß die angefochtene Festnehmung und Anhaltung schon deswegen gesetzwidrig war, weil damals - der Rechtsmeinung der belangten Polizeibehörde zuwider - ein (über rechtsstaatlich irrelevante Mutmaßungen hinausgehender) hinreichender Verdacht gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens nach §12 SuchtgiftG vertretbarerweise nicht bejaht werden konnte.

2.3.2.3. Demgemäß wurde die Beschwerdeführerin (durch ihre Festnahme und Anhaltung) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt (Art8 StGG iVm Art5 EMRK).

Zu den Hausdurchsuchungen vom 21. Mai und 1. Juni 1988:

2.4.1.1. Das Gesetz zum Schutze des Hausrechts (HausrechtsG), RGBl. 88/1862, das gemäß Art9 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, bestimmt in seinem §1, daß eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder der sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, in der Regel nur kraft eines (mit Gründen versehenen) richterlichen Befehls unternommen werden darf.

Kraft §2 Abs1 HausrechtsG kann zum Zweck der Strafrechtspflege eine Hausdurchsuchung "bei Gefahr im Verzuge auch ohne richterlichen Befehl" von Gerichtsbeamten, Beamten der Sicherheitsbehörden oder Gemeindevorstehern angeordnet werden (vgl. auch §141 Abs1 StPO).

2.4.1.2. Derartige Anordnungen der Sicherheitsbehörde wurden zwar für die - bekämpften - Hausdurchsuchungen am 21. Mai 1988 und am 1. Juni 1988 getroffen, doch lag damals die verfassungsgesetzlich zwingend erforderliche "Gefahr im Verzuge" nicht vor (um Ausstellung richterlicher Durchsuchungsbefehle war überhaupt nicht eingekommen worden).

2.4.1.3. Für die Prüfung der Frage, ob Gefahr im Verzuge besteht, gilt ein strenger Maßstab: Von der grundsätzlichen Regel, daß ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl einzuholen ist, darf nur in besonderen (Ausnahms-)Fällen, d.h. wenn die besonderen Umstände eine Einholung nicht erlauben, abgegangen werden (vgl. VfSlg. 8298/1978). Unerläßlich ist die Einholung eines richterlichen Befehls zB im allgemeinen immer dann, wenn mit dem Untersuchungsrichter des zuständigen Gerichts während der Dienst- und Journaldienststunden unverzüglich eine fernmündliche Verbindung hergestellt werden kann. Diese Möglichkeit war hier - schon im Hinblick auf die Einrichtung eines Tag- und Nachtjournaldienstes beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien - unzweifelhaft gegeben; die belangte Behörde stellt sie auch gar nicht in Abrede. Erst nach allfälligem Fehlschlagen eines Versuches, mit dem Untersuchungsrichter (nicht etwa nur mit dem Staatsanwalt - s. S 7 der Äußerung) das Einvernehmen zu pflegen, hätte der Konzeptsbeamte des Sicherheitsbüros selbständig zu prüfen gehabt, ob die gesetzlichen Bedingungen für eine Hausdurchsuchung vorlagen (vgl. dazu auch VfSlg. 9934/1984).

2.4.1.4. Demgemäß wurde die Beschwerdeführerin, der als Mitbenützerin (Inhaberin) der durchsuchten Wohnung der Schutz des Hausrechtes zukommt (s. VfSlg. 9491/1982, 10.082/1984, 10.327/1985, 11.231/1987), am 21. Mai 1988 und am 1. Juni 1988 im verfassungsgesetzlich verbürgten Hausrecht (Art9 StGG) verletzt.

Zur Hausdurchsuchung vom 31. Mai 1988:

2.4.2.1. Ferner steht fest, daß die bekämpfte zweite Hausdurchsuchung (31. Mai 1988) zwar - wie die schon behandelten - im Dienst der Strafjustiz, aber ebenfalls nicht auf Grund eines richterlichen Befehls vor sich ging; sie wurde auch nicht kraft einer suppletorischen behördlichen Anordnung iS des §2 Abs1 HausrechtsG, vielmehr von Kriminalbeamten - ersichtlich gestützt auf §2 Abs2 HausrechtsG (§141 Abs2 StPO) - aus eigener Machtvollkommenheit veranstaltet.

2.4.2.2. §2 Abs2 HausrechtsG und §141 Abs2 StPO lassen eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht dann zu, wenn a) gegen jemanden ein Vorführungs- oder Verhaftbefehl erlassen oder wenn b) jemand auf der Tat betreten, c) durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf (nicht bloß durch eine anonyme Mitteilung (Anzeige): VfSlg. 3108/1956; s. auch VfSlg. 10.523/1985) einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder d) im Besitz von Gegenständen betreten wird, welche auf die Beteiligung an einer solchen (Tat) hinweisen (s. dazu: VfSlg. 10.327/1985, 10.850/1986 uam.).

Keine dieser (zu a)-d) angeführten) Bedingungen war hier erfüllt.

Ganz unabhängig von der nicht näher zu erörternden Frage, ob Gefahr im Verzug vorlag, fehlte es also am 31. Mai 1988 jedenfalls an den einleitend behandelten, von der belangten Behörde im Ergebnis zu Unrecht bejahten notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Vornahme einer Hausdurchsuchung ohne richterlichen Befehl, sodaß die Beschwerdeführerin (auch) durch die hier bekämpfte Amtshandlung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht (Art9 StGG) verletzt wurde.

Zum verbalen Verhalten von Behördenorganen:

2.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus und hält an dieser Judikatur fest (vgl. VfSlg. 8654/1979, 10.234/1984, 10.547/1985 und 10.974/1986), daß rein verbale Entgleisungen (eines behördlichen Organs) als solche und für sich allein nicht als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG gewertet werden können. Daran ändert auch nichts, daß es laut Beschwerdeschrift zu derartigen Übergriffen aus Anlaß einer Amtshandlung gekommen sein soll. Es mag zwar unter besonderen Verhältnissen zutreffen, daß behördliches Verhalten (erst) wegen der damit verbundenen - etwa der Verwirklichung bestimmter Ziele dienenden - beleidigenden Angriffe zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt wird (s. dazu: VfSlg. 10.547/1985). Ein solcher Fall ist aber auf Grund der Aktenlage in tatsächlicher Beziehung zumindest nicht mit Sicherheit feststellbar.

2.5.2. Der Anfechtung fehlt darum in diesem Belang ein tauglicher Beschwerdegegenstand, sodaß mit Zurückweisung der - insoweit unzulässigen - Beschwerde vorgegangen werden mußte (Punkt II. des Spruches).

- - - x - - - x - - -

3.1. Die Kostenentscheidung (Punkt III. des Spruches) fußt auf §88 VerfGG 1953. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens (Stattgebung in den Beschwerdepunkten a) und b), Zurückweisung zu Beschwerdefaktum c)) wurden der Beschwerdeführerin 8.800 S an Verfahrenskosten zuerkannt.

Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 800 S enthalten.

3.2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, richterlicher Befehl, Tatverdacht hinreichender

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1285.1988

Dokumentnummer

JFT_10108872_88B01285_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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