TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/11 92/06/0060

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Veröffentlicht am 11.06.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs1;
AVG §45 Abs1 impl;
BauO Tir 1989 §25 lite;
BauO Tir 1989 §25 litf;
BauO Tir 1989 §3 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der F-Bau Gesellschaft m.b.H in Z, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Februar 1992, Zl. Ve1-550-1902/1, betreffend Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführerin die gänzliche Abtragung der auf GP 2652/9 ohne Baukonsens errichteten baulichen Anlage - Lagergebäude - binnen zwei Wochen aufgetragen. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin, in der vorgebracht wurde, es handle sich um kein Gebäude, sondern um ein Zelt, wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. November 1991 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Herstellung eines tragfähigen Fundamentes setze bautechnische Kenntnisse voraus, zudem seien auf dem Fundament Alusteher mit Dübeln befestigt worden, was gleichfalls ohne bautechnische Kenntnisse nicht möglich sei. Da die Anlage allseits umschlossen und mit dem Erdboden verbunden sei, seien alle Kriterien eines Gebäudes im Sinne der Bauordnung vorhanden. Zudem würden im "Zelt" Baumaterialien und Werkzeuge gelagert, was ein zusätzliches Indiz für die Gebäudequalifikation darstelle.

Der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 1992 keine Folge. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), hat die Behörde den Abbau einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessenen Frist anzuordnen, wenn für die bauliche Anlage, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und der Erlassung des Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist, eine Baubewilligung nicht vorliegt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Bewilligungspflicht der vom Abbruch betroffenen Anlage. Unbestritten besteht diese Anlage, wie bereits die Behörde erster Instanz festgestellt hat, aus einer zirka 13,40 m x 8,30 m großen Betonfundamentplatte, auf der mit Schrauben Alusteher befestigt wurden. Darüber wurde eine Zeltplane mit einer Länge von 16,65 m, einer Breite von 7,70 m, einer Höhe von 6,00 m am Giebel und 4,30 m an den Seiten befestigt. Das Ausmaß des Fundamentes beträgt somit unbestritten 111,22 m2, die von der Zeltplane umschlossene Fläche 97,40 m2. Die Beschwerdeführerin brachte bereits während des Verwaltungsverfahrens vor, daß es sich bei dieser Anlage um ein Zelt handle, zu dessen Herstellung nicht nur keine wesentlichen bautechnischen Kenntnisse erforderlich seien, sondern daß dieses Zelt darüber hinaus, da es weniger als 100 m2 aufweise, gemäß § 25 lit. f TBO nicht der Bewilligungspflicht unterliege. § 25 der Tiroler

Bauordnung lautet:

"§ 25

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Einer Bewilligung der Behörde bedarf:

a)

der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;

b)

die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, soweit sie die Festigkeit, die Feuersicherheit, die sanitären Verhältnisse oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflußt;

c)

der Abbruch von Gebäuden und Gebäudeteilen;

d)

die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, sofern diese Änderung auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach diesem Gesetz einen Einfluß haben kann;

              e)              die Errichtung und die Änderung sonstiger baulicher Anlagen, durch die eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder die Sicherheit von Sachen entstehen kann, wie beispielsweise Schwimmbäder, Brunnen, Düngerstätten, Jauchegruben, Stütz- und Gartenmauern, Flugdächer, Pergolas, Silos;

              f)              das Abstellen und Benützen von Verkaufswagen sowie das Aufstellen von Zelten mit einer Grundfläche von mehr als 100 m2;

......"

Gemäß § 3 Abs. 1 TBO sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind; nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

Der Beschwerdeführerin ist durchaus zuzugeben, daß die Errichtung eines unter 100 m2 großen Zeltes nicht der Bewilligungspflicht nach § 25 TBO unterliegt, doch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem sowohl von der belangten Behörde als auch von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 17. Jänner 1979, Zl. 3320/78, ausgesprochen, daß für die Errichtung eines "normalen Zeltes" - abgesehen von dem nicht üblichen "Baustoff" - keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich sind. Im Beschwerdefall liegt aber kein "normales Zelt" vor, sondern eines, das auf einer 111,22 m2 großen Fundamentplatte errichtet wurde, in die Alusteher mit Schrauben befestigt wurden. Aufgrund der gewählten Konstruktion liegt aber kein Zelt im Sinne des § 25 lit. f TBO vor. Schon aus der Systematik, die der Tiroler Landesgesetzgeber gewählt hat, geht hervor, daß er mit dem durch die Novelle 1988 neu formulierten lit. f des § 25 TBO eine Bewilligungspflicht von mobilen Objekten unter bestimmten Voraussetzungen normieren wollte. Wird ein Bauwerk - wenn auch aus Zeltplanen bestehend - auf einer Betonplatte errichtet und mit dieser fest verbunden, dann liegt kein Zelt im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches vor. Auch die Beschwerdeführerin geht in ihrer Beschwerde davon aus, daß die ausdrückliche Bestimmung des § 25 lit. f TBO nur so ausgelegt werden kann, daß eine Bewilligungspflicht für ein Zelt - "und zwar was ein Durchschnittsmensch üblicherweise darunter versteht" - nur dann bestehe, wenn dessen Grundfläche mehr als 100 m2 beträgt.

Der Gerichtshof teilt daher die Ansicht der belangten Behörde, daß die Errichtung einer 111,22 m2 großen Fundamentplatte, in der Alusteher mit Schrauben befestigt werden, über die eine Zeltplane mit den bereits geschilderten Ausmaßen gespannt wird, zu ihrer fachgerechten Herstellung bautechnischer Kenntnisse bedarf. Zutreffend hat die belangte Behörde auch ausgeführt, daß gemäß § 3 Abs. 1 TBO nicht "WESENTLICHE bautechnische Kenntnisse" erforderlich sind, sondern das Erfordernis bautechnischer Kenntnisse genügt. Daß mit der Errichtung einer baulichen Anlage, hier einer Fundamentplatte, in die die Alusteher eingeschraubt werden, die ihrerseits der Aufnahme einer 4,50 bis 6,00 m hohen, 97,40 m2 großen Zeltplane dienen, eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen kann, bedurfte seitens der belangten Behörde keiner näheren Ausführungen, liegt es doch auf der Hand, daß bei nicht sachgemäßer Herstellung eine Einsturzgefahr und sohin eine Gefährdung von Personen und Sachen gegeben sein kann. Der Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, daß ein Ermittlungsverfahren und konkrete Feststellungen hinsichtlich solcher Tatsachen entbehrlich sind, die ganz allgemein und daher auch für den zur Rechtskontrolle berufenen Verwaltungsgerichtshof offenkundig sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 10. März 1980, Zlen. 3243/79, 521/80).

Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, daß für die Errichtung der Lagerhalle eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war. Da diese Bewilligung

- unbestritten - nicht erteilt wurde, erging der Abbruchauftrag zu Recht. Die Beschwerdeführerin wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt, wobei es im Beschwerdefall dahingestellt bleiben kann, ob das Objekt nun als Gebäude im Sinne des § 3 Abs. 2 TBO oder als bauliche Anlage nach § 3 Abs. 1 TBO zu qualifizieren ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 44 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen AllgemeinBewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Zelt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060060.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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