TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/17 91/13/0105

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1380;
AVG §62 Abs4;
BAO §293 Abs1;
EStG 1972 §24;
ZPO §168;
ZPO §169;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 28. Februar 1991, Zl 6/3-3392/90-05, betreffend die gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1984 und 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den unbestrittenen Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung mußte der Beschwerdeführer im Februar 1985 seinen im Februar 1984 eröffneten Autohandelsbetrieb wieder einstellen, weil die Firma W & Co die mit dem Beschwerdeführer abgeschlossene Kooperationsvereinbarung und den abgeschlossenen Mietvertrag über einen Gebrauchtwagenplatz aufkündigte. Zur Begleichung der fällig gestellten Bankverbindlichkeiten wären alle zum Umlaufvermögen gehörenden Kraftfahrzeuge des Beschwerdeführers der Firma W & Co in Zahlung gegeben worden, zur Zahlung des aushaftenden Kreditrestes in Höhe von S 2,079.730,51 zum 19. März 1985 wäre die Firma W & Co als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB verpflichtet worden. Alle in der Folge vom Beschwerdeführer und der Firma W & Co angestrengten Gerichtsverfahren wären mittels einer außergerichtlichen Vereinbarung vom 29. August 1985 wie folgt verglichen worden:

In allen offenen Rechtsstreitigkeiten werde ewiges Ruhen vereinbart. Der Beschwerdeführer erhalte eine Abstandszahlung in Höhe von S 800.000,-- (inklusive 20 vH USt), womit alle wechselseitigen Forderungen und Ansprüche bereinigt seien. Da diese Vereinbarung bis zum Ende der abgabenbehördlichen Prüfung im Jahr 1990 von keiner Partei angefochten worden sei, werde sie als Grundlage für die Ermittlung eines bis dahin nicht erklärten Aufgabegewinnes herangezogen. Das Finanzamt folgte neben anderen, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr relevanten Feststellungen den Feststellungen des Betriebsprüfers hinsichtlich des Aufgabegewinnes und berücksichtigte nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Rahmen des neuen Sachbescheides betreffend die gesonderte Feststellung von Einkünften für 1985 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von S 4,504.177,76, worin verglichene Schulden in Höhe von S 2,999.511,93 enthalten waren.

In einer unter anderem gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde beantragt, den Betrag von S 2,999.511,93 zu stornieren, weil die außergerichtliche Vereinbarung vom 29. August 1985 Vorschlag der Firma W & Co gewesen wäre, vom Beschwerdeführer nicht unterschrieben und daher auch nicht anerkannt worden wäre. Der Berufung wurde ein Schreiben der Firma W & Co vom 12. Juni 1990 angeschlossen, wonach diese auf ihre Forderung gegen den Beschwerdeführer im Gesamtbetrag von S 3,733.051,37 nicht verzichtet habe.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, daß die "verglichenen Schulden" in Höhe von S 2,999.511,93 der Höhe nach unstrittig seien. Der dem Beschwerdeführer in dieser Höhe entstandene Vorteil sei deswegen bei Ermittlung des Veräußerungsgewinnes anzusetzen, weil entsprechende Forderungen seitens der Firma W & Co infolge der Vereinbarung "ewigen Ruhens" nicht mehr durchgesetzt werden könnten. Dem Einwand des Beschwerdeführers in der Berufung, er hätte den genannten Vergleich nicht unterfertigt, wird entgegengehalten, daß ein in einem Gebührenakt erliegendes Exemplar der maßgebenden Vereinbarung sowohl von der Firma W & Co als auch vom Beschwerdeführer unterfertigt worden wäre. Die Berufung wurde daher diesbezüglich abgewiesen.

Nach der dagegen eingebrachten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf richtige Ermittlung des Veräußerungsgewinnes für das Jahr 1985 dadurch verletzt, daß zu Unrecht ein Betrag von S 2,999.513,93 zugerechnet wurde. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, daß der angefochtene Bescheid über eine Berufung des Ernst Z abspricht, jedoch an Franz Z zu Handen seines steuerlichen Vertreters gerichtet ist. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde haben hiezu ausgeführt, daß es sich bei der Bescheidadressierung durch die Nennung des Vornamens Franz anstelle von Ernst um einen Irrtum handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat Fehlzitate und Schreibfehler - auch bei Unrichtigkeiten im Vornamen oder Namen des Bescheidadressaten - schon wiederholt als unbeachtlich, dh als dem richtigen Bescheidverständnis auch dann nicht im Wege stehend angesehen, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen wurde (vgl das Erkenntnis vom 21. Juni 1990, 89/06/0104, und die darin zitierte Vorjudikatur, insbesondere das Erkenntnis vom 17. November 1960, Slg 5418/A, und vom 13. November 1973, Slg 8496/A). Der Gerichtshof hat auch im Beschwerdefall - ebenso wie die Parteien - keine Bedenken dagegen, den angefochtenen Bescheid als gegen den Beschwerdeführer gerichtet aufzufassen. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist daher zu bejahen.

In der Sache selbst rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde entgegen der ständigen Rechtsprechung davon ausgehe, daß bei Vereinbarung von "ewigem Ruhen" diesbezügliche Forderungen rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden könnten.

Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes in Zivilrechtssachen sei die Vereinbarung "ewiges Ruhen" kein Hindernis, einen entsprechenden Fortsetzungsantrag zu stellen. Jede zeitlich unbestimmte Dauer (zB ewiges Ruhen) sei zivilrechtlich absolut unbeachtlich und sei in diesem Fall der Prozeß auf Antrag einer der Parteien nach Ablauf von drei Monaten fortzusetzen. Daher wäre unter Zugrundelegung des Schreibens der Firma W & Co vom 12. Juni 1990 hinsichtlich des errechneten Veräußerungsgewinnes für das Jahr 1985 der Betrag von S 2,999.511,93 unrichtigerweise angesetzt. Da der Regreßanspruch der Firma W & Co "sowohl hinsichtlich der getroffenen Vereinbarung als auch hinsichtlich der gesetzlichen Verjährungsbestimmungen" bis ins Jahr 2015 geltend gemacht werden könne und die eingeleiteten Verfahren jederzeit fortgesetzt werden könnten, sei der Betrag von S 2,999.511,93 aus der Berechnung des Veräußerungsgewinnes auszuscheiden.

Die vom Beschwerdeführer in den Vordergrund gerückte Frage, welche Folgen die Vereinbarung über das ewige Ruhen des Verfahrens auslöst, ist jedoch deswegen nicht von entscheidender Bedeutung, weil der mit den Verwaltungsakten vorgelegten, sowohl die Unterschriften der Firma W & Co als auch des Beschwerdeführers aufweisenden, notariell beglaubigten Kopie der Vereinbarung vom 29. August 1985 zu entnehmen ist, daß die Vereinbarung eines zeitlich unbestimmten Prozeßstillstandes (ewiges Ruhen) nur ein Teil bzw Folge eines außergerichtlichen Vergleiches zwischen den Streitteilen war:

Neben der Vereinbarung ewigen Ruhens wird ausdrücklich - auch - vereinbart, daß mit der Zahlung von S 800.000,-- (inklusive Umsatzsteuer) seitens der Firma W & Co alle wechselseitigen Forderungen und Ansprüche zwischen den Parteien bereinigt und verglichen sind. Danach kann kein Zweifel bestehen, daß die Streitteile mit der gewählten Vorgangsweise die bis dahin anhängigen Zivilgerichtsverfahren infolge außergerichtlicher Einigung faktisch und endgültig beenden wollten. Die im Verwaltungsverfahren aufgestellte Behauptung, daß der Beschwerdeführer den Vergleich nicht angenommen habe, wird in der Beschwerde nicht mehr aufrechterhalten. Eine derartige Behauptung wäre im Hinblick auf die tatsächlich auf der Vereinbarung aufscheinenden Unterschriften ebenso unverständlich, wie es im Hinblick darauf die Behauptung der Firma W & Co (in ihrem Schreiben vom 12. Juni 1990) ist, daß sie auf ihre Forderungen NICHT verzichtet hätte.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis davon ausgegangen ist, daß der dem Beschwerdeführer durch den Vergleich entstandene Vorteil bei Berechnung des im Rahmen der Betriebsaufgabe zu ermittelnden Veräußerungsgewinnes anzusetzen ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991130105.X00

Im RIS seit

17.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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