TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/29 91/10/0109

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Veröffentlicht am 29.06.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
SchUG 1974 §20 Abs6;
SchUG 1974 §25 Abs2 litc;
SchUG 1974 §56 Abs1;
SchUG 1986 §20 Abs6;
SchUG 1986 §25 Abs1;
SchUG 1986 §25 Abs2 litc;
SchUG 1986 §56 Abs1;
SchUG 1986 §71 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der KR in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 19. März 1991, Zl. 1075/2-III/4a/91, betreffend Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Punktes 1) des Spruches wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Hinsichtlich des Punktes 2) wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Nachdem die Beschwerdeführerin am 4. September 1990 die Wiederholungsprüfung im Pflichtgegenstand Französisch nicht bestanden hatte, bekämpfte der Erziehungsberechtigte der Beschwerdeführerin mit Berufung vom 10. September 1990 "die Entscheidungen des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums im Jahreszeugnis meiner Tochter K:

a)

Nicht genügend in Französisch und

b)

Verweigerung der Berechtigung zum Aufsteigen in die

12.

Schulstufe."

Der Landesschulrat für Niederösterreich erließ folgenden Bescheid vom 5. Oktober 1990:

"Über Ihre Berufung gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz der 7B-Klasse des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums vom 6. September 1990, wonach die Schülerin KR zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt ist, ergeht nachstehender

Bescheid

Die Berufung wird gemäß § 25 Abs. 1 und § 71 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986 i.d.g.F., abgewiesen.

Die Schülerin KR ist zum Aufsteigen in die 8. Klasse der von ihr besuchten Schulart nicht berechtigt."

Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Schülerin laut Entscheidung der Klassenkonferenz der 7B-Klasse der genannten Schule vom 21. Juni 1990 zum Aufsteigen in die

8. Klasse nicht berechtigt, da sie im Pflichtgegenstand Französisch mit "Nicht genügend" beurteilt worden sei und gemäß § 25 Abs. 2 des Schulunterrichtsgesetzes - SchUG zum Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" nicht berechtigt gewesen sei. Gegen diese Entscheidung sei nicht berufen worden. Bei der am 4. September 1990 abgehaltenen Wiederholungsprüfung sei die Schülerin abermals mit "Nicht genügend" beurteilt und dem Erziehungsberechtigten die Nichtberechtigung zum Aufsteigen am 6. September 1990 mündlich verkündet worden. In der Berufung sei im wesentlichen die Unrichtigkeit dieser Entscheidung behauptet worden. Der Landesschulrat habe die Beurteilung der Wiederholungsprüfung überprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt (dieses wird zusammenfassend dargestellt), daß diese Beurteilung zu Recht erfolgt sei. Das Jahreszeugnis der Schülerin weise im Pflichtgegenstand Französisch nach der Durchführung einer Wiederholungsprüfung eine auf "Nicht genügend" lautende Beurteilung auf. Es seien daher die Voraussetzungen zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Berufung des Erziehungsberechtigten vom 25. Oktober 1990 in der es auszugsweise heißt:

"Meine Berufung an die Schulbehörde erster Instanz richtet sich gegen die Entscheidungen im Jahreszeugnis:

a)

"Nicht genügend" in Französisch und

b)

Verweigerung der Berechtigung zum Aufsteigen in die

              12.              Schulstufe

zu a)

Sowohl das Ermittlungsverfahren als auch die Begründung des Bescheides des Landesschulrates lassen erkennen, daß sich die Behörde lediglich mit dem Ergebnis der Wiederholungsprüfung befaßt hat.

Weder über die Leistung bis zum Ende des Schuljahres (Juni/Juli), noch über das Ergebnis der Wiederholungsprüfung ergingen selbständige Entscheidungen, bzw. wurden solche nicht zugestellt. Gesonderte Rechtsmittel sind daher nicht zulässig.

Meine Berufung an den Landesschulrat richtete sich daher gegen die Beurteilung im gesamten Schuljahr, somit auch gegen die Beurteilung bis Schulschluß 1990.

Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen können, daß zum Schulschluß 1990 die Beurteilung "genügend" hätte lauten müssen und daher die Berechtigung zum Aufstieg in die 12. Schulstufe auch ohne Wiederholungsprüfung gegeben war. zu b)

Gemäß den Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes entscheidet die Klassenkonferenz über den Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe, wenn das Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält.

Das Jahreszeugnis trägt das Datum 4. September 1990 und enthält unter anderem die Entscheidung:

"Gemäß § 25 Schulunterrichtsgesetz zum Aufstieg in die achte Klasse nicht berechtigt".

Ich gehe daher davon aus, daß zunächst die Entscheidung über die Note, dann die Entscheidung der Klassenkonferenz und daraufhin die Zustellung in einem erfolgte. Auf diesen Teil meiner Berufung ist der Landesschulrat überhaupt nicht eingegangen.

Falls jedoch der Landesschulrat die Auffassung vertritt, die Feststellung im Jahreszeugnis sei lediglich die Wiedergabe der Entscheidung vom 21.6.1990, so ist dem folgendes entgegenzuhalten:

Anlaß für eine Entscheidung der Klassenkonferenz ist das "Nicht genügend" in Französisch im Jahreszeugnis. Eine abschließende Entscheidung, deren Anlaß in der Zukunft liegt, ist der österreichischen Rechtsordnung fremd und daher nichtig, bzw. "per nefas" ergangen."

1.2. Mit Spruchpunkt 1) des Bescheides des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 19. März 1991 wurde diese Berufung, soweit sie sich gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990 richte, gemäß § 74 Abs. 2 zweiter Satz SchUG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Nach Spruchpunkt 2) dieses Bescheides wurde die Berufung, soweit sie sich auf die Wiederholungsprüfung aus Französisch beziehe, gemäß §§ 25 Abs. 1 sowie 71 Abs. 4 und 6 SchUG, BGBl. Nr. 472/1986, abgewiesen und ausgesprochen, daß die Schülerin zum Aufsteigen in die 8. Klasse eines Realgymnasiums nicht berechtigt sei. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Klassenkonferenz, nachdem das Jahreszeugnis der Beschwerdeführerin im Pflichtgegenstand Französisch eine auf "Nicht genügend" lautende Beurteilung aufgewiesen hatte, die Beschwerdeführerin mit Entscheidung vom 21. Juni 1990 für nicht berechtigt erklärt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen. Die Beschwerdeführerin habe von ihrem Recht, gemäß § 23 Abs. 1 SchUG am Beginn des kommenden Schuljahres zur Wiederholungsprüfung anzutreten, Gebrauch gemacht. Diese Prüfung habe am 4. September 1990 stattgefunden und mit einem negativen Ergebnis geendet. Am 6. September 1990 habe der Erziehungsberechtigte in der Schule das daraufhin ausgestellte Jahreszeugnis entgegengenommen. Dabei sei ihm auch das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung und der damit verbundene Beschluß der Klassenkonferenz, wonach die Schülerin zum Aufsteigen in die 8. Klasse nicht berechtigt sei, mitgeteilt worden.

Was den ersten Teil des Spruches anlange, so gehe es um die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß am Ende des Schuljahres 1989/90 keine Entscheidung der Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 SchUG "ausgestellt" worden, die die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe ausgesprochen hätte. Aus diesem Grunde, so müsse man die Beschwerdeführerin wohl verstehen, hätten auch noch keine Rechtsmittelfristen zu laufen begonnen, weshalb eine Berufung gegen die negative Jahresbeurteilung aus Französisch, bezogen auf den Sachverhalt zum Ende des Schuljahres 1989/90, noch immer möglich sein müsse. Der Sachverhalt sei jedoch ein anderer. Die Klassenkonferenz habe nämlich die gemäß § 20 Abs. 6 SchUG zu treffende Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen bereits am 21. Juni 1990 erlassen und sie dem Erziehungsberechtigten nach Auskunft der Schule auch zugestellt. Innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist von fünf Tagen sei jedoch dagegen kein Rechtsmittel erhoben worden. Diese Entscheidung sei in Rechtskraft erwachsen. Der Landesschulrat habe daher keine rechtliche Möglichkeit gehabt, sich mit dieser Entscheidung nochmals auseinanderzusetzen.

Hinsichtlich des zweiten Teiles des Spruches werde zunächst auf den Vorwurf, daß nach dem negativen Ergebnis der Wiederholungsprüfung vom 4. September 1990 keine Entscheidung der Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 SchUG ergangen sei, Stellung genommen. Grundsätzlich sei zuzugeben, daß auch nach einer nicht bestandenen Wiederholungsprüfung die Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 SchUG zusammentreten müsse und eine Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen auszustellen habe. Die Übergabe des Jahreszeugnisses, auf dem die Nichtberechtigung zum Aufsteigen vermerkt sei, reiche nicht aus. Denn das Jahreszeugnis sei lediglich eine Urkunde, auf der die Entscheidung der Klassenkonferenz dokumentiert werde. Allerdings müßten Entscheidungen der Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 SchUG, gegen die § 71 Abs. 2 lit. b SchUG eine Berufungsmöglichkeit einräume, nicht zwingend schriftlich erlassen werden. Es sei auch eine mündliche Verkündung möglich, und zwar gegenüber dem volljährigen Schüler oder dem Erziehungsberechtigten. In der Berufung an den Landesschulrat schreibe der Erziehungsberechtigte selbst, daß er das Jahreszeugsnis der Beschwerdeführerin am 6. September 1990 persönlich vom Klassenvorstand übernommen habe. Dabei "wurde ihm auch die Entscheidung der Klassenkonferenz mündlich verkündet", wonach die Schülerin wegen des negativen Ergebnisses der Wiederholungsprüfung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt sei. Nach den bisher gemachten Ausführungen sei dies zulässig gewesen. Die Berufungsfrist gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz habe damit am 7. September 1990 zu laufen begonnen (§ 74 Abs. 1 SchUG).

Im folgenden wird auf die inhaltliche Beurteilung der Wiederholungsprüfung eingegangen. Da an der Richtigkeit der auf "Nicht genügend" lautenden Wiederholungsprüfung kein Zweifel bestehe, fließe "diese Beurteilung in die nunmehr zu treffende Entscheidung ein". Da die Beschwerdeführerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 SchUG wegen der negativen Beurteilung in Französisch nicht erfülle, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, durch die Überreichung des Jahreszeugnisses vom 4. September 1990, in welchem der Beschwerdeführerin (ihrem Erziehungsberechtigten) mitgeteilt worden sei, daß sie gemäß § 25 SchUG zum Aufsteigen in die 12. Schulstufe nicht berechtigt sei, sei die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990 neuerlich zugestellt worden. Daher sei die Berufungsfrist gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990 noch offen. Hätte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, daß die Berufung auch gegen die Beurteilung der Beschwerdeführerin im Jahresschlußzeugnis 1990 noch möglich gewesen sei.

Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte sich in der Sache selbst ergeben, daß die Leistungen und die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Gegenstand Französisch durchaus so gewesen seien, daß eine Beurteilung zum Schulschluß 1990 auch auf "Genügend" hätte lauten können.

Auf Grund im einzelnen dargestellter Bedenken gegen die Beurteilung der Wiederholungsprüfung mit "Nicht genügend" hätte die belangte Behörde entscheiden müssen, daß die Beschwerdeführerin zu einer kommissionellen Prüfung gemäß § 71 Abs. 5 in Verbindung mit § 23 Abs. 6 SchUG zugelassen werde. Insbesondere ergebe sich aus dem pädagogischen Gutachten vom 19. November 1990 nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, daß die Beurteilung mit "Nicht genügend" zu Recht erfolgt sei.

Für die Annahme der belangten Behörde in der Begründung (Seite 3 unten des angefochtenen Bescheides), daß dem Erziehungsberechtigten die Entscheidung der Klassenkonferenz mündlich verkündet worden sei, fehle jede nachvollziehbare Begründung. Es werde ohne nähere Untersuchung von einer ordnungsgemäßen mündlichen Verkündung der Entscheidung der Klassenkonferenz durch den Klassenvorstand ausgegangen.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten der Schulbehörden erster und zweiter Instanz, nicht jedoch die Akten der Schule, vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 20 Abs. 6 SchUG bestimmt:

"In der zweiten Woche vor Ende des Unterrichtsjahres hat eine Klassenkonferenz zur Beratung über die Leistungsbeurteilung der Schüler stattzufinden. Die Entscheidungen der Klassenkonferenz über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe oder den nicht erfolgreichen Abschluß der letzten Stufe der besuchten Schulart (§ 25) sind spätestens am folgenden Tag unter Angabe der Gründe und Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung dem Schüler bekanntzugeben."

§ 25 Abs. 1 und 2 SchUG lauten:

"(1) Ein Schüler ist zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält.

(2) Ein Schüler ist ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält, aber

a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" erhalten hat,

b) der betreffende Pflichtgegenstand - ausgenommen an Berufsschulen - in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c) die Klassenkonferenz feststellt, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist."

Im § 23 SchUG werden die Voraussetzungen und die Durchführung von Wiederholungsprüfungen geregelt. Hieraus ergibt sich, daß unter bestimmten Voraussetzungen eine Wiederholungsprüfung in zwei Pflichtgegenständen möglich ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 1986, Zl. 85/10/0184 = ZfVB 1987/2/669 = RdS 1988, 104, ausgeführt hat, ist auch die nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen zu treffende Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe von der Klassenkonferenz - und nicht etwa vom Schulleiter gemäß § 56 Abs. 1 SchUG - zu treffen.

2.2.1. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist unmittelbar einsichtig für den Fall, daß der Schüler in ZWEI Gegenständen Wiederholungsprüfungen abzulegen hatte. Besteht der Schüler in einem Gegenstand, so stellt sich - erstmals - die Frage einer Feststellung durch die Klassenkonferenz im Sinne des § 25 Abs. 2 lit. c SchUG. In diesem Fall bedarf es daher jedenfalls einer Entscheidung der Klassenkonferenz.

Ist hingegen nur in EINEM Pflichtgegenstand eine Beurteilung im Jahreszeugnis mit "Nicht genügend" erfolgt, dann könnte die Auffassung vertreten werden, es bedürfe nach der nicht bestandenen Wiederholungsprüfung gar keiner (neuerlichen) Entscheidung durch eine weitere Klassenkonferenz über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, da es zu einer Beurteilung nach § 25 Abs. 1 lit. c SchUG schon zum Ende des Unterrichtsjahres gekommen sei und sich diesbezüglich sachverhaltsbezogen nichts mehr geändert habe. Eine solche Auffassung wäre unzutreffend. Sie wird auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht vertreten. Vielmehr läßt nämlich das Rechtsschutzsystem des Schulunterrichtsgesetzes klar erkennen, daß auch in diesem Fall eine bekämpfbare Entscheidung zu erlassen ist und daß hiefür - lege non distinguente - auch für den Fall der nur in einem Pflichtgegenstand erforderlichen, jedoch nicht bestandenen Wiederholungsprüfung die Klassenkonferenz zuständig ist. Sie hat in der im § 71 Abs. 2 lit. b SchUG genannten "Entscheidung

nach Ablegung von einer .... Wiederholungsprüfung(en), jeweils

in Verbindung mit § 25" die Gesetzmäßigkeit der Wiederholungsprüfung (hinsichtlich der verfahrensmäßigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen) und das Nichtvorliegen der Aufstiegsberechtigung nach § 25 SchUG zu beurteilen und hierüber abzusprechen.

2.2.2. Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsmeinung, daß in der Berufung gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom September nicht nur die Beurteilung der Wiederholungsprüfung, sondern auch die Jahresbeurteilung und die Beurteilung nach § 25 Abs. 2 lit. c SchUG, die bereits Gegenstand der Entscheidung der Klassenkonferenz am Schluß des Schuljahres (§ 20 Abs. 6 SchUG) waren, bekämpft werden können. Dabei könnte sich herausstellen, daß die Jahresbeurteilung zu Unrecht mit "Nicht genügend" erfolgt oder die kompensationsweise Aufstiegsberechtigung nach § 25 Abs. 2 lit. c SchUG zu bejahen gewesen wäre und sich die Wiederholungsprüfung überhaupt als überflüssig erwiese.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Die beiden eben genannten Entscheidungselemente sind nach dem SchUG keine selbständig bekämpfbaren Willensäußerungen der Klassenkonferenz, sind jedoch in die mit Berufung bekämpfbare Entscheidung im Sinne des § 71 Abs. 2 lit. b SchUG über die Nichtberechtigung des Schülers zum Aufsteigen eingeflossen. Diese Entscheidung ist zwar mit "Berufung" im Sinne des SchUG anfechtbar, selbst jedoch kein Bescheid.

Gegenstand der negativen Jahresbeurteilung ist eine Leistungsbeurteilung. Gegenstand des Entscheidungselementes der Versagung der kompensationsweisen Aufstiegsberechtigung nach § 25 Abs. 2 lit. c SchUG ist die Beurteilung, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht - ergänze: in dem mit "Nicht genügend" beurteilten Pflichtgegenstand - in der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart nicht aufweist. Diesbezüglich besagt die Prognoseentscheidung nach § 25 Abs. 2 lit. c SchUG, daß die Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen ein "Nicht genügend" im negativ beurteilten Pflichtgegenstand nicht zu kompensieren vermögen. Die Leistungsbeurteilung dieser übrigen Pflichtgegenstände erfolgt dabei mit der Jahresbeurteilung; während das "Nicht genügend" der Jahresbeurteilung im Wiederholungsgegenstand durch den neuen Sachverhalt der Ablegung der Wiederholungsprüfung überholt wird, ändert sich am Sachverhalt hinsichtlich der übrigen Pflichtgegenstände nichts mehr. Bezüglich dieser Leistungen steht bereits am Ende des Unterrichtsjahres fest, daß sie ein "Nicht genügend" im negativ beurteilten Pflichtgegenstand nicht zu kompensieren vermögen.

Die mangelnde Bescheidqualität der Entscheidung der Klassenkonferenz und das mit der Wahlmöglichkeit der Wiederholungsprüfung kombinierte System des Rechtsschutzes gegen die Entscheidung am Ende des Unterrichtsjahres betreffend die Nichtberechtigung zum Aufsteigen bringt es mit sich, daß der Annahme einer Verschweigung von Berufungseinwendungen und damit einer Unabänderlichkeit (einer Art von "Teilrechtskraft") bestimmter Begründungselemente nichts im Wege steht.

Wenn nun die Beschwerdeführerin von der Möglichkeit, gegen die Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen (wegen verfehlter Jahresbeurteilung und/oder verfehlter Beurteilung der Kompensierbarkeit nach § 25 Abs. 2 lit. c SchUG) zu berufen, keinen Gebrauch gemacht hat, sondern ausschließlich den Weg der Wiederholungsprüfung beschritten hat, so muß sie sich - im Hinblick auf die Fristgebundenheit des Rechtsmittels der "Berufung" im Sinne des § 71 SchUG die Einwendung der "Verschweigung" bzw. anders ausgedrückt der Unabänderlichkeit der Entscheidung der Klassenkonferenz hinsichtlich der darin enthaltenen Begründungselemente entgegenhalten lassen. Während an die Stelle der an sich unabänderlich gewordenen Jahresbeurteilung kraft gesetzlicher Anordnung die Beurteilung der Wiederholungsprüfung (sofern der Schüler diese Möglichkeit wählt) tritt, bleibt es - infolge der Nichtgebrauchnahme von der Berufungsmöglichkeit und der damit verbundenen Unabänderlichkeitswirkung - bei der getroffenen Entscheidung der Klassenkonferenz vom Juni, soweit sie die Nichtkompensierbarkeit nach § 25 Abs. 1 lit. c SchUG betrifft.

2.3. Die belangte Behörde hat nun die Berufungsausführungen - wohl zutreffend - so verstanden (Seite 2 des angefochtenen Bescheides), daß die Beschwerdeführerin geltend mache, "auch nach der negativen Wiederholungsprüfung aus Französisch am 4. September 1990 sei eine formelle Entscheidung der Klassenkonferenz nicht erfolgt." Im angefochtenen Bescheid heißt es dann zu diesem Sachverhaltselement auf Seite 3 unten:

"In seinem Schriftsatz an den Landesschulrat für Niederösterreich schreibt der Erziehungsberechtigte der

Schülerin ... selbst, daß er das Jahreszeugnis seiner Tochter

am 6. September 1990 persönlich vom Klassenvorstand übernommen hat. Dabei wurde ihm auch die Entscheidung der Klassenkonferenz mündlich verkündet, wonach" die Beschwerdeführerin "wegen des negativen Ergebnisses der Wiederholungsprüfung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt ist."

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin sodann in einem der Beschwerdepunkte die Verletzung des Rechtes auf Entscheidung der Klassenkonferenz über ihre Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe geltend. Die eben zitierte Feststellung der belangten Behörde rügt die Beschwerdeführerin dahingehend, daß der Feststellung kein entsprechendes Ermittlungsverfahren vorangegangen sei und eine nachvollziehbare Begründung mangle.

    Wie sich aus dem Schreiben des Schulleiters vom

11. September 1990 an den Landesschulrat für Niederösterreich

ergibt, wurde die "Nichtberechtigung zum Aufsteigen mit der

Note "Nicht genügend" aus Französisch ... von der

Klassenkonferenz am 21. Juni 1990 einstimmig beschlossen und

die Entscheidung mit entsprechender Begründung dem

Erziehungsberechtigten umgehend übermittelt. ... Diese

Berechtigung steht oder fällt mit der Wiederholungsprüfungsnote

aus Französisch". Eine Klassenkonferenz nach der

Wiederholungsprüfung wird weder in diesem Schreiben noch im

Bescheid des Landesschulrates erwähnt. Es leuchtet vielmehr die

Auffassung durch, daß eine solche nicht mehr für erforderlich

erachtet wurde. Im Aktenstück der belangten Behörde zu

Zl. 1075/1-III/4a/90 wird von der Abteilung III/4 bemerkt: "Was

jedoch fehlt, ist die Entscheidung der Klassenkonferenz nach

abgelegter Wiederholungsprüfung. ... Nachdem eine solche

Entscheidung noch nicht ergangen ist, ist auch eine

Rechtsmittelmöglichkeit noch nicht gegeben. Aus diesem Grund

hätte der Landesschulrat ... die Berufung zurückweisen müssen

und gleichzeitig wäre die Klassenkonferenz aufzufordern gewesen, die ausständige Entscheidung zu erlassen." Dem Verwaltungsgerichtshof wurden die Akten des Verwaltungsverfahrens - entgegen seiner unter Hinweis auf die Säumnisfolgen nach § 38 Abs. 2 VwGG erlassenen Verfügung - nicht vollständig vorgelegt; es fehlen die Akten der Schule. Es ist daher die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 VwGG zu prüfen. Diese Ermächtigung setzt allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine präzise Sachverhaltsbehauptung seitens der beschwerdeführenden Partei, welche die Grundlage einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu bilden vermag, voraus. Eine derartige dezidierte Behauptung, daß die Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen nicht in einer neuerlichen Klassenkonferenz nach der Wiederholungsprüfung gefällt worden sei, ist der Beschwerde nun nicht zu entnehmen. Allerdings hat die Beschwerdeführerin - nach der Lage der vorgelegten Akten nicht evident unrichtig - Mängel im Zusammenhang mit der erforderlichen Feststellung, daß eine solche Klassenkonferenz nach der Wiederholungsprüfung stattgefunden und die dem Erziehungsberechtigten mitgeteilte Entscheidung beschlossen habe, geltend gemacht. Der angefochtene Bescheid enthält eine solche ausdrückliche Feststellung nicht, da es dort lediglich heißt, bei der Übernahme des Jahreszeugnisses sei dem Erziehungsberechtigten auch die Entscheidung der Klassenkonferenz über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe mündlich verkündet worden. Dies läßt sich nämlich auch auf die Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990 beziehen. Sollte diese Wendung aber doch als eine Feststellung betreffend eine weitere Klassenkonferenz im Anschluß an die Wiederholungsprüfung vom 4. September 1990 aufzufassen sein (etwa, weil die belangte Behörde an anderer Stelle ausführt, auch nach einer nicht bestandenen Wiederholungsprüfung müsse eine Klassenkonferenz zusammentreten und eine Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen treffen), so mangelte dieser Feststellung jegliche nachvollziehbare Begründung, worauf in der Beschwerde zu Recht hingewiesen wird.

Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich. Sollte eine weitere Klassenkonferenz tatsächlich nicht stattgefunden oder die beurkundete Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen nicht getroffen haben, dann wäre die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene mündliche Mitteilung dieser Entscheidung an den Erziehungsberechtigten durch den Klassenvorstand als eine dem Kollegialorgan zuzurechnende Entscheidung so zu betrachten, als ob sie von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1975, Zl. 1250/75). Die im Instanzenzug verbundenen Schulbehörden hätten diesfalls diese mitgeteilte "Entscheidung" aufheben müssen. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der beiden Sätze des zweiten Spruchpunktes mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

2.4. Im ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wird die Berufung, soweit sie sich gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990 richtet, gemäß § 74 Abs. 2 zweiter Satz SchUG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Die belangte Behörde verkennt hiebei den Gegenstand der Rechtsmittel der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin wendet sich, wie die Berufung vom 25. Oktober 1990 gegen den Bescheid des Landesschulrates klar erkennen läßt, "gegen die Entscheidungen im Jahreszeugnis: a) "Nicht genügend" in Französisch und b) Verweigerung der Berechtigung zum Aufsteigen in die 12. Schulstufe." An späterer Stelle der Berufung ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin das Jahreszeugnis vom 4. September 1990 meint. Nach dem so umschriebenen Berufungsgegenstand richtet sich die Berufung daher nicht gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 21. Juni 1990, sondern gegen die im September mitgeteilte Entscheidung, die Beschwerdeführerin dürfe wegen der nichtbestandenen Wiederholungsprüfung nicht in die nächsthöhere Schulstufe aufsteigen. Diese letztere Entscheidung wird (in Verkennung der Rechtslage, wie sich aus Punkt 2.2. ergibt) deswegen für rechtswidrig erachtet, weil in ihr nicht neuerdings und selbständig eine Beurteilung des gesamten Schuljahres und somit auch der Leistungen bis zum Schulschluß 1990 erfolgt sei. Daß die Entscheidung der Klassenkonferenz vom Juni 1990 wegen Fristversäumung kein tauglicher Anfechtungsgegenstand mehr war, davon geht auch die Beschwerdeführerin erkennbar aus.

Dadurch, daß die belangte Behörde einen (Berufungs)Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat, den diese gar nicht gestellt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt 1) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, da im Beschwerdefall - zumal die Akten der Schule dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt wurden - nicht schlechterdings ausgeschlossen werden kann, daß auch ein solcher Abspruch in Rechte der Beschwerdeführerin nachteilig eingreift.

2.5. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 1) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und hinsichtlich des Spruchpunktes 2) mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war somit wie im Spruch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 und § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.7. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte in Anwendung des § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme BerufungsverfahrenInhalt der Berufungsentscheidung KassationBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Hochschulen Unterricht KultuswesenRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesHeilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100109.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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