TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/7 91/08/0065

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Veröffentlicht am 07.07.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
B-VG Art83 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. März 1991, Zl. 536.033/2-3b/91, betreffend Übergang der Entscheidungspflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 13. Februar 1991, eingelangt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 19. Februar 1991, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales mit der Begründung, das Landesarbeitsamt Wien hätte über seine Berufung vom 17. Mai 1986 (Postaufgabedatum) nicht entschieden und dadurch seine Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG verletzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Antrag keine Folge. In der Begründung wurde darauf verwiesen, das Landesarbeitsamt Wien habe der Berufung durch seinen zuständigen Unterausschuß des Verwaltungsausschusses mit Bescheid vom 27. Juni 1986 keine Folge gegeben. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 2. Juli 1986 durch eigenhändige Übernahme zugestellt worden. Das Berufungsverfahren sei daher rechtskräftig beendet.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht der Beschwerdeführer sowohl in der von ihm selbst verfaßten als auch in der vom Rechtsanwalt erhobenen Beschwerde in im wesentlichen in drei Problemkreisen zusammenzufassenden Einwänden:

1. In der Ausfertigung der Erledigung vom 27. Juni 1986 sei keine Bezeichnung der die Erledigung erlassenden Behörde enthalten,

2. diese Erledigung trage weder im Original noch auch in der dem Beschwerdeführer zugestellten Kopie die Unterschrift dessen, der die Erledigung genehmigt habe, und

3. enthalte darüber hinaus keine Ausführungen zu dem nach § 57 (richtig: § 56 Abs. 3) AlVG zuständigen Kollegialorgan (insbesondere Zusammensetzung des Kollegialorganes, namentliche Nennung der Mitglieder, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt das Kollegialorgan die Entscheidung gefunden habe).

Gemäß § 58 Abs. 3 AVG gelten auch für Bescheide die Vorschriften des § 18 Abs. 4 leg. cit..

§ 18 Abs. 4 AVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. 1982/199 lautet:

"Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei telegrafischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

Zu den vom Beschwerdeführer erhobenen Einwänden im einzelnen:

Ad 1) Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde:

Die Erledigung vom 27. Juni 1986 enthält im Spruch den Hinweis, daß "das Landesarbeitsamt Wien durch seinen gemäß § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 59 leg. cit. zuständigen Ausschuß" entschieden habe. Der § 56 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 61/1983 trägt die Überschrift "Rechtsmittel" und bestimmt:

"(1) Gegen Bescheide des Arbeitsamtes in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes ist die Berufung an das Landesarbeitsamt zulässig. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsamtes ist eine weitere Berufung unzulässig.

...

(3) Das Landesarbeitsamt trifft die Entscheidung in einem Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses."

Die hier vorliegende Erledigung vom 27. Juni 1986 ist daher eine vom Leiter des Landesarbeitsamtes mitgeteilte

- "intimierte" - Entscheidung des dazu berufenen Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses. Wegen des auch vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen normativen Charakters dieser Erledigung handelt es sich hiebei um einen Bescheid des dazu berufenen Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses des Landesarbeitsamtes und ist diesem zuzurechnen. Aus der hier vorliegenden Erledigung ergibt sich daher die bescheiderlassende Behörde unzweideutig. An welcher Stelle des Bescheides die Behörde genannt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Erledigung als Bescheid irrelevant. Anderes läßt sich auch aus dem vom Beschwerdeführer herangezogenen Zitat aus Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht4 (1987, Rz 410) nicht entnehmen, da auch nach diesem Belegzitat die bescheiderlassende Behörde sich entweder aus der Überschrift, ODER aus dem Spruch ODER dem Briefumschlag ergeben muß. Zwei dieser Alternativen liegen hier vor; sowohl aus dem Spruch des Bescheides als auch aus dem dem Bescheid angeschlossenen Rückschein ist die bescheiderlassende Behörde ersichtlich.

Ad 2) Unterschrift dessen, der die Erledigung genehmigt hat:

Vorauszuschicken ist, daß der Beschwerdeführer die eigenhändige Zustellung der Ausfertigung der Erledigung an ihn und - implicite - auch die maschinschriftliche Beisetzung eines Namens auf der Urschrift und der ihm zugestellten Kopie nicht in Abrede stellt, sondern behauptet, lediglich die Zusätze, die sich nicht auf den Bescheidinhalt bezögen, seien mit einer Unterschrift versehen, die nicht auf den Genehmigenden hinweise. Die vorliegende Zeichnung stamme nicht vom Genehmigenden und beziehe sich zudem offensichtlich nicht auf den Text des Bescheides, sondern, da sie unmittelbar unter den Zusatz gesetzt worden sei, auf diesen Zusatz. Dem ist folgendes zu entgegnen:

Bei dem vorliegenden Bescheid vom 27. Juni 1986 handelt es sich offenkundig um einen vervielfältigten Bescheid im Sinn des § 18 Abs. 4 AVG (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Dezember 1985, Zl. 85/18/0004, VwGHSlg. 11983). Der Beschwerdeführer gesteht in diesem Zusammenhang zu, eine Kopie, d. h. ein vervielfältigtes Exemplar dieses Bescheides zugestellt erhalten zu haben. Nimmt man aber das Vorliegen eines "vervielfältigten" Bescheides im Sinn des § 18 Abs. 4 AVG an, schadet das Fehlen einer Unterschrift auf der Kopie oder einer Beglaubigung der Kanzlei unter der Voraussetzung nicht, daß die Urschrift mit dem Namen des maschinschriftlich Angeführten unterfertigt ist. Letzteres ist aber nach der Aktenlage der Fall, wobei es für den Bescheidadressaten ohne Belang ist, wo auf dem Original die Unterschrift des die Entscheidung des zuständigen Unterausschusses mitteilenden Leiters des Landesarbeitsamtes plaziert ist.

Ad 3) Einwände im Zusammenhang mit dem Unterausschuß als zuständigem Kollegialorgan:

Vorauszuschicken ist, daß die vom Beschwerdeführer in der von ihm selbst verfaßten Beschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berufung des Unterausschusses zur Entscheidung und die rechtliche Konstruktion dieser Kollegialbehörde nicht aufgegriffen werden können, weil der hier vorliegende Beschwerdefall kein Anlaßfall für die Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, G 295/90 und Folgefälle, war. Diese Bestimmung ist daher auf den hier vorliegenden Beschwerdefall nach wie vor anzuwenden.

Wie bereits unter Punkt 1) ausgeführt, liegt ein "intimierter" Bescheid des gemäß § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 59 AlVG zur Entscheidung berufenen Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses vor. Aus der im Akt liegenden Kopie über die Ausschußsitzung des Unterausschusses des Verwaltungsausschusses des Landesarbeitsamtes Wien am 27. Juni 1986 ist aber auch die Unterfertigung des betreffenden Protokolls samt Entscheidungsvermerk durch sämtliche Mitglieder dieses Kollegialorgans ersichtlich. Der Umstand, daß die einzelnen Mitglieder des Kollegialorgans, die an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt haben, in der Ausfertigung des Bescheides nicht namentlich genannt sind, hat auf den Bescheidcharakter der vorliegenden Erledigung keinen Einfluß. Im übrigen wird auf die Ausführungen zu Punkt 1) verwiesen.

Daraus ergibt sich, daß von einem "Nichtbescheid" im Sinne der Ausführungen des Beschwerdeführers hier nicht die Rede sein kann, vielmehr über die Berufung des Beschwerdeführers mit dem Bescheid vom 27. Juni 1986 abgesprochen wurde. Die belangte Behörde hat daher den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers zurecht abgewiesen, weshalb die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Intimation Zurechnung von BescheidenBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete SozialversicherungBehördenbezeichnungUnterschrift des GenehmigendenBescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersZurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991080065.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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